Drittes Kapitel

Worin der Autor fortfährt, die Vorbereitungen zur Hochzeit zu beschreiben

Die Braut senkte ihr Haupt ein wenig, als die Freundinnen ihr die Krone aufsetzten, und ihr Antlitz wurde, als sie die leichte Last auf ihrem Haare fühlte, womöglich noch röter als früher. Es ist schön im Menschenleben, daß jeder einen Augenblick erlebt, worin alle königliche Macht und Majestät vor ihm zunichte wird. Diesen Augenblick erlebt nicht nur der Feldherr, der durch einen Sieg die Hauptstadt rettet, oder der Kanzler, der mit einem Federzuge die Grenzen des Reichs um das Doppelte zu mehren weiß; es erlebt ihn jeder einmal, er müsse sich auch sonst Tag für Tag durch ein gedrücktes Dasein hindurch beugen und winden. Der Tagelöhner hat ihn, der sein neugeborenes erstes Kind auf den Arm nimmt und selbst der todkranke Bettler empfindet ihn, wenn ihm ein pflichtgetreuer und gewissenhafter Priester die heilige Kommunion reicht.

Auch unsere Braut, von der sonst nicht viel zu sagen ist, fühlte diesen Augenblick, als sie die Krone auf ihrem Haupte empfing. In dem dunkelschwarzen Haare, welches sie ausnahmsweise mitten unter dem blonden Volke besaß, funkelten die goldenen und silbernen Flitter gar lustig. Sie richtete sich, angefaßt von ihren Freundinnen auf, und die beiden breiten golddurchwirkten Streifen, welche zur Krone gehören, fielen ihr lang auf den Rücken hinunter. Die Knechte standen schon vor der Türe, um die Ausstattung in den Flur hinabzuschaffen, die Brautjungfern nahmen ihre Freundin bei der Hand, eine erhob das Spinnrad, welches bei den nachfolgenden Zeremonien ebenfalls seine Bestimmung hatte, und so gingen die drei langsam die Treppe hinunter zum Brautvater, während die Knechte die Laden und Packen ergriffen und sie in den Flur zu tragen begannen.

Inzwischen hatte der Hofschulze unten vor der Türe Gelegenheit gehabt, seine Fassung zu beweisen. Denn kaum war er draußen einige Minuten lang gewesen, als ein junger Bursche, der Hochzeitbitter, langsam durch den Eichenkamp gegen das Haus zugeschritten kam, dessen verlegene Miene mit seinem Putze und mit dem lustigen Busche von gewiß fünfzig farbigen Bändern am Hute wenig übereinstimmte.

»Nun, was ist das?« fragte ihn der Hofschulze. »Was soll das traurige Gesicht? Passierte ein Unglück?«

»Ach«, versetzte der junge Hochzeitbitter, »werdet mir nicht böse, Hofschulze. Hölscher will nicht kommen.«

Der Alte ließ vor Schreck seinen Hut fallen und seine Züge verwandelten sich. - »Wie?« rief er nach einigem Schweigen. »Hölscher will nicht kommen? Mein nächster Nachbar? Ei, das wäre ja dem ganzen Pläsier und Feste ein großer Schimpf. Und warum will er nicht kommen? Du bist gewiß in deiner Rede steckengeblieben.«

»Nein, das nicht«, versetzte der Hochzeitbitter. »Ihr wißt, an Maulwerk fehlt mir's nimmer, und ich bringe auch alles immer heraus, gehörig geschrieen, wie es sein muß. Ich kann die Rede aufs Schnürchen, wie ich sie allerorten hersagte, und so auch bei Hölscher:

›Ihr lieben, guten Hochzeitsleute,
Kommt morgen auf den Hof, nicht heute;
Der Bräutigam und auch die Braut
Die werden vom Herrn Pastor getraut,
Und wenn getraut ist, geht's zu Tisch,
Darauf wird sein viel Fleisch, kein Fisch,
Es wird da sein auch ein Stück Wurst,
Ist gut für den Hunger und weckt den Durst,
Auch findet Ihr einen oder mehrere Schinken,
Auf welche sich sehr gut läßt trinken,
Ein Mostertstück wird nicht vergessen,
Das sollt Ihr dann mit Mostert essen.
In der Suppe sind Hühner, die nicht krähn,
Das beste sind vier Puterhähn',
Die lagen fünfzig Jahr' an der Kett'
Davon sind sie geworden fett,
Kommt Ihr zum Oberhofe nicht,
So seid Ihr alle schlechte Wicht -‹«

Der junge Bursche würde noch lange in diesen Versen, die er laut schreiend mit eintönigem Fall der Stimme vortrug, fortgefahren haben, wenn ihn nicht der Hofschulze ungeduldig unterbrochen und zu ihm gesagt hätte: »Ich brauche deinen Spruch nicht. Warum bleibt Hölscher aus?«

»Weil ich ihn statt gestern, erst heute früh eingeladen habe«, erwiderte kleinlaut der Hochzeitbitter. »Sie hatten mir gestern überall so viel eingeschenkt, daß ich gegen Abend duselig geworden war und einschlief und Hölscher ganz verschlief, wo ich denn nun heute früh nachholen wollte, aber...«

»Hölscher ließ das nicht gelten und sagte, es schicke sich nicht, erst am Hochzeitmorgen gebeten zu werden, es gehöre sich spätestens den Tag zuvor, nicht wahr?« fiel der Hofschulze ein.

»Jawohl«, antwortete der Bursche, »und er sagte auch, es heiße in dem Spruch:

›Kommt morgen auf den Hof, nicht heute -‹

wenn er aber morgen komme, so habe er das leere Nachsehen.«

Der Hofschulze bohrte seinen Stock tief in die Erde. Das Blut war ihm dermaßen in das Antlitz getreten, daß seine Stirnadern geschwollen starrten. Er sah den Hochzeitbitter mit einem furchtbaren Blicke an, vor dem dieser den Hut abnahm und drei Schritte zurücktrat. Dann sagte er: »Wenn ich mich nicht menagieren müßte, absonderlich heute, so kriegtest du diesen Stock hinter die Ohren, daß du das Aufstehen vergessen solltest. Hölscher kommt nicht, das weiß ich, ich kenne ihn darin, er ist einer, der sich nicht vernegligieren läßt. Und wenn ich selbst zu ihm ginge, was sich aber auch durchaus nicht schickt, er würde es abschlagen. Jedermann wird nun nach Hölscher fragen, das wird ein Kujonieren geben, ei! ei! ei! - Was für einen Schaden hast du mir an der Hochzeit gestiftet! Könnt Ihr denn das verruchte Zechen nicht lassen? Denkt Ihr immer, ohne das gediehet Ihr nicht? Sieh mich an, ich werde zu Martini neunundsechszig und fasse alles noch stramm mit an, und doch soll der noch auftreten, der mir nachsagen kann, er habe mich anders wie gewöhnlich gesehen.«

»Ihr seid auch was Apartes, mit Euch kann sich niemand in Vergleichung stellen«, sagte der junge Bursche schüchtern.

»Ei was!« fuhr der Hofschulze auf. »So wie ich bin, hat der liebe Herrgott alle Menschen haben wollen, und es ist nur Eure Schlemmerei und Liederlichkeit, die Euch nicht so werden läßt.«

Während dieses rauhen Auftrittes hatten die Knechte mit den Packen und Laden auf der Treppe und im Flur ein großes Geräusch gemacht, und es war sonach die frühere Stille des Oberhofes sehr unterbrochen worden. Jetzt trat die Braut, geführt von den beiden Brautjungfern, in die Türe, das Haupt fest und steif unter der zitternden Goldkrone haltend, als ob sie fürchte, den Ehrenschmuck zu verlieren. Sie reichte dem Vater die Hand und bot ihm, ohne aufzusehen, den guten Morgen, worauf der Alte ohne alle Rührung »Schön Dank« versetzte und seine frühere Positur wieder annahm. Die Braut setzte sich an die andere Seite der Türe, nahm ihr Spinnrad vor sich und begann eifrig zu spinnen, in welcher Arbeit sie observanzmäßig bis zu dem Augenblicke, wo der Bräutigam sie zum Brautwagen führte, fortfahren mußte.

Der nachlässige Hochzeitbitter hatte sich unterdessen verstohlen entfernt. Die zweite Brautjungfer unterrichtete den Hofschulzen von dem Ausbleiben der Sibylle, woran, wie sie hinzufügte, keine Unpäßlichkeit, sondern das boshafte Wesen schuld sei, weil sie nämlich selbst ein Auge auf den Wilhelm, den Bräutigam, gehabt habe. Die Glocke begann eben zum ersten Male zu läuten und es war nun durchaus keine Zeit zu verlieren. Der Hofschulze, der seit einer Viertelstunde aus einer Verdrießlichkeit in die andere gestürzt wurde, murmelte tiefsinnig vor sich hin: »Wenn nur alles klug geht bei dieser Hochzeit! - Alle die Scherereien - hm! hm! ei! ei! - Indessen muß der Mensch seine Contenance behalten.« - Er gab, wiewohl sehr ungern die Erlaubnis, anstatt der boshaften Eifersüchtigen Lisbeth als dritte Brautjungfer einzukleiden, mit welchem Bescheide sich die zweite entfernte, um den Putz zu Lisbeth zu tragen. Auch die erste ging, im Baumgarten den Strauß für den Bräutigam zu pflücken.

In der Ferne ließen sich schon einzelne Töne der Musik hören, welche das Herannahen des Brautwagens verkündigten. Aber auch dieses Zeichen, daß der entscheidende Augenblick bevorstehe, der ein Kind vom Hause der Eltern löset und den Vater bei dem Kinde in den Hintergrund der Anhänglichkeit schiebt, brachte keine Regungen in den Personen hervor, welche wie Musterbilder alter Bräuche an den beiden Seiten der Hoftüre saßen. Die Tochter spann, hochrot aber gleichgültig aussehend, unverdrossen fort, der Vater sah gerade vor sich hin, und beide, Braut und Brautvater, wechselten miteinander kein Wort.

Die Brautjungfer suchte unterdessen im Baumgarten den Strauß für den Bräutigam zusammen. Sie wählte spätblühende Rosen, Feuerlilien, orangegelbe Sternblumen, Blumen, welche sie dort Jelängerjelieber, an andern Orten Jesublümlein nennen, und Salbei. Groß, daß man drei Hochzeiter höherer Stände damit hätte ausstatten können, geriet dieser Strauß, denn bei den Bauern muß alles in das Gewicht fallen. Auch nicht ganz lieblich duftete er, denn die Salbei verbreitete einen starken, die Sternblume sogar einen übeln Geruch, indessen durfte beides, insbesondere die Salbei, nicht fehlen, sollte der Strauß herkömmliche Vollständigkeit besitzen. Als sie ihn fertig hatte, hielt ihn das Mädchen mit stolzer Freude vor sich hin, und verknüpfte ihn dann mit einer breiten dunkelroten Schleife. Darauf ging sie ihren Posten bei der Braut einzunehmen.


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