Elisabeth. Maria. Karl, sein Söhnchen.
Karl. Ich bitte dich, liebe Tante, erzähl mir das noch einmal vom frommen Kind, 's is gar zu schön.
Maria. Erzähl du mir's, kleiner Schelm, da will ich hören, ob du achtgibst.
Karl. Wart e bis, ich will mich bedenken. - Es war einmal - ja - es war einmal ein Kind, und sein Mutter war krank, da ging das Kind hin -
Maria. Nicht doch. Da sagte die Mutter: »Liebes Kind« -
Karl. »Ich bin krank« -
Maria. »Und kann nicht ausgehn« -
Karl. Und gab ihm Geld und sagte. »Geh hin, und hol dir ein Frühstück.« Da kam ein armer Mann -
Maria. Das Kind ging, da begegnet' ihm ein alter Mann, der war - nun Karl!
Karl. Der war - alt -
Maria. Freilich! der kaum mehr gehen konnte, und sagte. »Liebes Kind« -
Karl. »Schenk mir was, ich habe kein Brot gessen gestern und heut.« Da gab ihm 's Kind das Geld -
Maria. Das für sein Frühstück sein sollte.
Karl. Da sagte der alte Mann -
Maria. Da nahm der alte Mann das Kind -
Karl. Bei der Hand, und sagte - und ward ein schöner glänzender Heiliger, und sagte: - »Liebes Kind« -
Maria. »Für deine Wohltätigkeit belohnt dich die Mutter Gottes durch mich: welchen Kranken du an rührst« -
Karl. »Mit der Hand« - es war die rechte, glaub ich.
Maria. Ja.
Karl. »Der wird gleich gesund.«
Maria. Da lief das Kind nach Haus und konnt für Freuden nichts reden.
Karl. Und fiel seiner Mutter um den Hals und weinte für Freuden -
Maria. Da rief die Mutter: »Wie ist mir!« und war - nun Karl!
Karl. Und war - und war -
Maria. Du gibst schon nicht acht! - und war gesund. Und das Kind kurierte König und Kaiser, und wurde so reich, daß es ein großes Kloster bauete.
Elisabeth. Ich kann nicht begreifen, wo mein Herr bleibt. Schon fünf Tag und Nächte, daß er weg ist, und er hoffte so bald seinen Streich auszuführen.
Maria. Mich ängstigt's lang. Wenn ich so einen Mann haben sollte, der sich immer Gefahren aussetzte, ich stürbe im ersten Jahr.
Elisabeth. Dafür dank ich Gott, daß er mich härter zusammengesetzt hat.
Karl. Aber muß dann der Vater ausreiten, wenn's so gefährlich ist?
Maria. Es ist sein guter Wille so.
Elisabeth. Wohl muß er, lieber Karl.
Karl. Warum?
Elisabeth. Weißt du noch, wie er das letztemal ausritt, da er dir Weck mitbrachte?
Karl. Bringt er mir wieder mit?
Elisabeth. Ich glaub wohl. Siehst du, da war ein Schneider von Stuttgart, der war ein trefflicher Bogenschütz, und hatte zu Köln auf'm Schießen das Beste gewonnen.
Karl. War's viel?
Elisabeth. Hundert Taler. Und darnach wollten sie's ihm nicht geben.
Maria. Gelt, das ist garstig, Karl?
Karl. Garstige Leut!
Elisabeth. Da kam der Schneider zu deinem Vater und bat ihn, er möchte ihm zu seinem Geld verhelfen. Und da ritt er aus und nahm den Kölnern ein paar Kaufleute weg, und plagte sie so lang, bis sie das Geld herausgaben. Wärst du nicht auch ausgeritten?
Karl. Nein! da muß man durch einen dicken, dicken Wald, sind Zigeuner und Hexen drin.
Elisabeth. Ist ein rechter Bursch, fürcht sich vor Hexen!
Maria. Du tust besser, Karl! leb du einmal auf deinem Schloß als ein frommer christlicher Ritter. Auf seinen eigenen Gütern findet man zum Wohltun Gelegenheit genug. Die rechtschaffensten Ritter begehen mehr Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit auf ihren Zügen.
Elisabeth. Schwester, du weißt nicht, was du redst. Gebe nur Gott, daß unser Junge mit der Zeit braver wird, und dem Weislingen nicht nachschlägt, der so treulos an meinem Mann handelt.
Maria. Wir wollen nicht richten, Elisabeth. Mein Bruder ist sehr erbittert, du auch. Ich bin bei der ganzen Sache mehr Zuschauer, und kann billiger sein.
Elisabeth. Er ist nicht zu entschuldigen.
Maria. Was ich von ihm gehört, hat mich eingenommen. Erzählte nicht selbst dein Mann so viel Liebes und Gutes von ihm! Wie glücklich war ihre Jugend, als sie zusammen Edelknaben des Markgrafen waren!
Elisabeth. Das mag sein. Nur sag, was kann der Mensch je Gutes gehabt haben, der seinem besten treusten Freunde nachstellt, seine Dienste den Feinden meines Mannes verkauft, und unsern trefflichen Kaiser der uns so gnädig ist, mit falschen widrigen Vorstellungen einzunehmen sucht.
Karl. Der Vater! der Vater! Der Türner bläst 's Liedel: »Heisa, mach 's Tor auf.«
Elisabeth. Da kommt er mit Beute.
(Ein Reiter kommt.)
Reiter. Wir haben, gejagt! wir haben gefangen! Gott grüß Euch, edle Frauen.
Elisabeth. Habt ihr den Weislingen?
Reiter. Ihn und drei Reiter.
Elisabeth. Wie ging's zu, daß ihr so lang ausbleibt?
Reiter. Wir lauerten auf ihn zwischen Nürnberg und Bamberg, er wollte nicht kommen, und wir wußten doch, er war auf dem Wege. Endlich kundschaften wir ihn aus: er war seitwärts gezogen, und saß geruhig beim Grafen auf dem Schwarzenberg.
Elisabeth. Den möchten sie auch gern meinem Mann feind haben.
Reiter. Ich sagt's gleich dem Herrn. Auf! und wir ritten in Haslacher Wald. Und da war's kurios: wie wir so in die Nacht reiten, hüt just ein Schäfer da, und fallen fünf Wölf in die Herd und packten weidlich an. Da lachte unser Herr und sagte: »Glück zu, liebe Gesellen! Glück überall und uns auch!« Und es freuet' uns all das gute Zeichen. Indem so kommt der Weislingen hergeritten mit vier Knechten.
Maria. Das Herz zittert mir im Leibe.
Reiter. Ich und mein Kamerad, wie's der Herr befohlen hatte, nistelten uns an ihn, als wären wir zusammengewachsen, daß er sich nicht regen noch rühren konnte, und der Herr und der Hans fielen über die Knechte her und nahmen sie in Pflicht. Einer ist entwischt.
Elisabeth. Ich bin neugierig, ihn zu sehn. Kommen sie bald?
Reiter. Sie reiten das Tal herauf, in einer Viertelstund sind sie hier.
Maria. Er wird niedergeschlagen sein.
Reiter. Finster genug sieht er aus.
Maria. Sein Anblick wird mir im Herzen weh tun.
Elisabeth. Ah! - Ich will gleich das Essen zurecht machen. Hungrig werdet ihr doch alle sein.
Reiter. Rechtschaffen.
Elisabeth. Nimm den Kellerschlüssel und hol vom besten Wein! Sie haben ihn verdient. (Ab.)
Karl. Ich will mit, Tante.
Maria. Komm, Bursch. (Ab.)
Reiter. Der wird nicht sein Vater, sonst ging' er mit in Stall!
(Götz. Weislingen. Reitersknechte.)
Götz (Helm und Schwert auf den Tisch legend). Schnallt mir den Harnisch auf, und gebt mir mein Wams. Die Bequemlichkeit wird mir wohl tun. Bruder Martin, du sagtest recht - Ihr habt uns in Atem erhalten, Weislingen.
Weislingen (antwortet nichts, auf und ab gehend).
Götz. Seid gutes Muts. Kommt, entwaffnet Euch. Wo sind Eure Kleider? Ich hoffe, es soll nichts verlorengegangen sein. (Zum Knecht.) Frag seine Knechte, und öffnet das Gepäcke, und seht zu, daß nichts abhanden komme. Ich könnt Euch auch von den meinigen borgen.
Weislingen. Laßt mich so, es ist all eins.
Götz. Könnt Euch ein hübsches saubres Kleid geben, ist zwar nur leinen. Mir ist's zu eng worden. Ich hatt's auf der Hochzeit meines gnädigen Herrn des Pfalzgrafen an, eben damals, als Euer Bischof so giftig über mich wurde. Ich hatt' ihm, vierzehn Tag vorher, zwei Schiff auf dem Main niedergeworfen. Und ich geh mit Franzen von Sickingen im Wirtshaus zum Hirsch in Heidelberg die Trepp hinauf. Eh man noch ganz droben ist, ist ein Absatz und ein eisen Geländerlein, da stund der Bischof und gab Franzen die Hand, wie er vorbeiging, und gab sie mir auch, wie ich hintendrein kam. Ich lacht in meinem Herzen, und ging zum Landgrafen von Hanau, der mir gar ein lieber Herr war, und sagte: »Der Bischof hat mir die Hand geben, ich wett, er hat mich nicht gekannt.« Das hört' der Bischof, denn ich red't laut mit Fleiß, und kam zu uns trotzig - und sagte: »Wohl, weil ich Euch nicht kannt hab, gab ich Euch die Hand.« Da sagt ich: »Herre, ich merkt's wohl, daß Ihr mich nicht kanntet, und hiermit habt Ihr Eure Hand wieder.« Da ward das Männlein so rot am Hals wie ein Krebs vor Zorn und lief in die Stube zu Pfalzgraf Ludwig und dem Fürsten von Nassau und klagt's ihnen. Wir haben nachher uns oft was drüber zugute getan.
Weislingen. Ich wollt, Ihr ließt mich allein.
Götz. Warum das? Ich bitt Euch, seid aufgeräumt. Ihr seid in meiner Gewalt, und ich werd sie nicht mißbrauchen.
Weislingen. Dafür war mir's noch nicht bange. Das ist Eure Ritterpflicht.
Götz. Und Ihr wißt, daß die mir heilig ist.
Weislingen. Ich bin gefangen; das übrige ist eins.
Götz. Ihr solltet nicht so reden. Wenn Ihr's mit Fürsten zu tun hättet, und sie Euch in tiefen Turn an Ketten aufhingen, und der Wächter Euch den Schlaf wegpfeifen müßte!
(Die Knechte mit den Kleidern.)
Weislingen (zieht sich aus und an).
(Karl kommt.)
Karl. Guten Morgen, Vater!
Götz (küßt ihn). Guten Morgen, Junge. Wie habt ihr die Zeit gelebt?
Karl. Recht geschickt, Vater! Die Tante sagt: ich sei recht geschickt.
Götz. So!
Karl. Hast du mir was mitgebracht?
Götz. Diesmal nicht.
Karl. Ich hab viel gelernt.
Götz. Ei!
Karl. Soll ich dir vom frommen Kind erzählen?
Götz. Nach Tische.
Karl. Ich weiß noch was.
Götz. Was wird das sein?
Karl. Jagsthausen ist ein Dorf und Schloß an der Jagst, gehört seit zweihundert Jahren den Herrn von Berlichingen erb- und eigentümlich zu.
Götz. Kennst du den Herrn von Berlichingen?
Karl (sieht ihn starr an).
Götz (vor sich). Er kennt wohl vor lauter Gelehrsamkeit seinen Vater nicht. - Wem gehört Jagsthausen?
Karl. Jagsthausen ist ein Dorf und Schloß an der Jagst.
Götz. Das frag ich nicht. - Ich kannte alle Pfade, Weg und Furten, eh ich wußte, wie Fluß, Dorf und Burg hieß. - Die Mutter ist in der Küche?
Karl. Ja, Vater! Sie kocht weiße Rüben und ein Lammsbraten.
Götz. Weißt du's auch, Hans Küchenmeister?
Karl. Und für mich zum Nachtisch hat die Tante einen Apfel gebraten.
Götz. Kannst du sie nicht roh essen?
Karl. Schmeckt so besser.
Götz. Du mußt immer was Apartes haben. - Weislingen! ich bin gleich wieder bei Euch. Ich muß meine Frau doch sehn. Komm mit, Karl.
Karl. Wer ist der Mann?
Götz. Grüß ihn. Bitt ihn, er soll lustig sein.
Karl. Da, Mann! hast du eine Hand, sei lustig, das Essen ist bald fertig.
Weislingen (hebt ihn in die Höh und küßt ihn). Glückliches Kind! das kein Übel kennt, als wenn die Suppe lang ausbleibt. Gott laß Euch viel Freud am Knaben erleben, Berlichingen.
Götz. Wo viel Licht ist, ist starker Schatten - doch wär mir's willkommen. Wollen sehn, was es gibt.
(Sie gehn.)