Als ich ihr soviel Ehre geboten, wiewohl ich es anders
Meinte, bezeigte sie mir von ihrer Seite desgleichen,
Hieß mich Oheim und tat so bekannt, so wenig die Närrin
Auch zu meinem Geschlechte gehört. Doch konnte für diesmal
Gar nicht schaden, sie Muhme zu heißen. Ich schwitzte dazwischen
Über und über vor Angst; allein sie redete freundlich:
Reineke, werter Verwandter, ich heiß Euch schönstens willkommen!
Seid Ihr auch wohl? Ich bin Euch mein ganzes Leben verbunden,
Daß Ihr zu mir gekommen. Ihr lehret kluge Gedanken
Meine Kinder fortan, daß sie zu Ehren gelangen.
Also hört ich sie reden; das hatt ich mit wenigen Worten,
Daß ich sie Muhme genannt und daß ich die Wahrheit geschonet,
Reichlich verdient. Doch wär ich so gern im Freien gewesen.
Aber sie ließ mich nicht fort und sprach: Ihr dürfet, mein Oheim,
Unbewirtet nicht weg! Verweilet, laßt Euch bedienen.
Und sie brachte mir Speise genug, ich wüßte sie wahrlich
Jetzt nicht alle zu nennen; verwundert war ich zum höchsten,
Wie sie zu allem gekommen. Von Fischen, Rehen und anderm
Guten Wildbret, ich speiste davon, es schmeckte mir herrlich.
Als ich zur Gnüge gegessen, belud sie mich über das alles,
Bracht ein Stück vom Hirsche getragen, ich sollt es nach Hause
Zu den Meinigen bringen, und ich empfahl mich zum besten.
Reineke, sagte sie noch: besucht mich öfters. Ich hätte,
Was sie wollte, versprochen; ich machte, daß ich herauskam.
Lieblich war es nicht da für Augen und Nase, ich hätte
Mir den Tod beinahe geholt; ich suchte zu fliehen,
Lief behende den Gang bis zu der Öffnung am Baume.
Isegrim lag und stöhnte daselbst; ich sagte: Wie gehts Euch,
Oheim? Er sprach: Nicht wohl! ich muß vor Hunger verderben.
Ich erbarmte mich seiner und gab ihm den köstlichen Braten,
Den ich mit mir gebracht. Er aß mit großer Begierde,
Vielen Dank erzeigt' er mir da; nun hat ers vergessen!
Als er nun fertig geworden, begann er: Laßt mich erfahren,
Wer die Höhle bewohnt? Wie habt Ihrs drinne gefunden?
Gut oder schlecht? Ich sagt ihm darauf die lauterste Wahrheit,
Unterrichtet ihn wohl. Das Nest sei böse, dagegen
Finde sich drin viel köstliche Speise. Sobald er begehre,
Seinen Teil zu erhalten, so mög er kecklich hineingehn,
Nur vor allem sich hüten, die grade Wahrheit zu sagen.
Soll es Euch nach Wünschen ergehn, so spart mir die Wahrheit!
Wiederholt ich ihm noch: denn führt sie jemand beständig
Unklug im Munde, der leidet Verfolgung, wohin er sich wendet;
Überall steht er zurück, die andern werden geladen.
Also hieß ich ihn gehn; ich lehrt ihn: was er auch fände,
Sollt er reden, was jeglicher gerne zu hören begehret,
Und man werd ihn freundlich empfangen. Das waren die Worte,
Gnädiger König und Herr, nach meinem besten Gewissen.
Aber das Gegenteil tat er hernach, und kriegt' er darüber
Etwas ab, so hab er es auch; er sollte mir folgen.
Grau sind seine Zotteln fürwahr, doch sucht man die Weisheit
Nur vergebens dahinter. Es achten solche Gesellen
Weder Klugheit noch feine Gedanken; es bleibet dem groben
Tölpischen Volke der Wert von aller Weisheit verborgen.
Treulich schärft ich ihm ein, die Wahrheit diesmal zu sparen;
Weiß ich doch selbst, was sich ziemt! versetzt' er trotzig dagegen,
Und so trabt' er die Höhle hinein, da hat ers getroffen.
Hinten saß das abscheuliche Weib, er glaubte, den Teufel
Vor sich zu sehn! die Kinder dazu! da rief er betroffen:
Hilfe! Was für abscheuliche Tiere! Sind diese Geschöpfe
Eure Kinder? Sie scheinen fürwahr ein Höllengesindel.
Geht, ertränkt sie, das wäre das beste, damit sich die Brut nicht
Über die Erde verbreite! Wenn es die meinigen wären,
Ich erdrosselte sie. Man finge wahrlich mit ihnen
Junge Teufel, man brauchte sie nur in einem Moraste
Auf das Schilf zu binden, die garstigen, schmutzigen Rangen!
Ja, Mooraffen sollten sie heißen, da paßte der Name!
Eilig versetzte die Mutter und sprach mit zornigen Worten:
Welcher Teufel schickt uns den Boten? Wer hat Euch gerufen,
Hier uns grob zu begegnen? Und meine Kinder! Was habt Ihr,
Schön oder häßlich, mit ihnen zu tun? Soeben verläßt uns
Reineke Fuchs, der erfahrene Mann, der muß es verstehen;
Meine Kinder, beteuert' er hoch, er finde sie sämtlich'
Schön und sittig, von guter Manier; er mochte mit Freuden
Sie für seine Verwandten erkennen. Das hat er uns alles
Hier an diesem Platz vor einer Stunde versichert.
Wenn sie Euch nicht wie ihm gefallen, so hat Euch wahrhaftig
Niemand zu kommen gebeten. Das mögt Ihr, Isegrim, wissen.
Und er forderte gleich von ihr zu essen und sagte:
Holt herbei, sonst helf ich Euch suchen! Was wollen die Reden
Weiter helfen? Er machte sich dran und wollte gewaltsam
Ihren Vorrat betasten; das war ihm übel geraten!
Denn sie warf sich über ihn her, zerbiß und zerkratzt' ihm
Mit den Nägeln das Fell und klaut' und zerrt' ihn gewaltig;
Ihre Kinder taten das gleiche, sie bissen und krammten
Greulich auf ihn; da heult' er und schrie mit blutigen Wangen,
Wehrte sich nicht und lief mit hastigen Schritten zur Öffnung.
Übel zerrissen sah ich ihn kommen, zerkratzt, und die Fetzen
Hingen herum, ein Ohr war gespalten und blutig die Nase,
Manche Wunde kneipten sie ihm und hatten das Fell ihm
Garstig zusammengeruckt. Ich fragt ihn, wie er heraustrat:
Habt Ihr die Wahrheit gesagt? Er aber sagte dagegen:
Wie ichs gefunden, so hab ich gesprochen. Die leidige Hexe
Hat mich übel geschändet, ich wollte, sie wäre hier außen,
Teuer bezahlte sie mirs! Was dünkt Euch, Reineke? habt Ihr
Jemals solche Kinder gesehn? so garstig, so böse?
Da ichs ihr sagte, da war es geschehn, da fand ich nicht weiter
Gnade vor ihr und habe mich übel im Loche befunden.
Seid Ihr verrückt? versetzt ich ihm drauf. ich hab es Euch anders
Weislich geheißen. Ich grüß Euch zum schönsten (so solltet Ihr sagen),
Liebe Muhme, wie geht es mit Euch? Wie geht es den lieben
Artigen Kindern? Ich freue mich sehr, die großen und kleinen
Neffen wiederzusehn. Doch Isegrim sagte dagegen:
Muhme das Weib zu begrüßen? und Neffen die häßlichen Kinder?
Nehm sie der Teufel zu sich! Mir graut vor solcher Verwandtschaft.
Pfui! ein ganz abscheuliches Pack! ich seh sie nicht wieder.
Darum ward er so übel bezahlt. Nun richtet, Herr König!
Sagt er mit Recht, ich hab ihn verraten? Er mag es gestehen,
Hat die Sache sich nicht, wie ich erzähle, begeben?
Isegrim sprach entschlossen dagegen: Wir machen wahrhaftig
Diesen Streit mit Worten nicht aus. Was sollen wir keifen?
Recht bleibt Recht, und wer es auch hat, es zeigt sich am Ende.
Trotzig, Reineke, tretet Ihr auf, so mögt Ihr es haben!
Kämpfen wollen wir gegeneinander, da wird es sich finden.
Vieles wißt Ihr zu sagen, wie vor der Affen Behausung
Ich so großen Hunger gelitten, und wie Ihr mich damals
Treulich genährt. Ich wüßte nicht, wie! Es war nur ein Knochen,
Den Ihr brachtet, das Fleisch vermutlich speistet Ihr selber.
Wo Ihr stehet, spottet Ihr mein und redet verwegen,
Meiner Ehre zu nah. Ihr habt mit schändlichen Lügen
Mich verdächtig gemacht, als hätt ich böse Verschwörung
Gegen den König im Sinne gehabt und hätte sein Leben
Ihm zu rauben gewünscht; Ihr aber prahltet dagegen
Ihm von Schätzen was vor; er möchte schwerlich sie finden!
Schmählich behandeltet Ihr mein Weib und sollt es mir büßen.
Dieser Sachen klag ich Euch an! ich denke zu kämpfen
Über Altes und Neues und wiederhol es: ein Mörder,
Ein Verräter seid Ihr, ein Dieb; und Leben um Leben
Wollen wir kämpfen, es endige nun das Keifen und Schelten.
Einen Handschuh biet ich Euch an, so wie ihn zu Rechte
Jeder Fordernde reicht, Ihr mögt ihn zum Pfande behalten,
Und wir finden uns bald. Der König hat es vernommen,
Alle die Herren habens gehört! ich hoffe, sie werden
Zeugen sein des rechtlichen Kampfs. Ihr sollt nicht entweichen,
Bis die Sache sich endlich entscheidet; dann wollen wir sehen.
Reineke dachte bei sich: Das geht um Vermögen und Leben!
Groß ist er, ich aber bin klein, und könnt es mir diesmal
Etwa mißlingen, so hätten mir alle die listigen Streiche
Wenig geholfen. Doch warten wirs ab. Denn, wenn ichs bedenke,
Bin ich im Vorteil: verlor er ja schon die vordersten Klauen!
Ist der Tor nicht kühler geworden, so soll er am Ende
Seinen Willen nicht haben, es koste, was es auch wolle.
Reineke sagte zum Wolfe darauf: Ihr mögt mir wohl selber
Ein Verräter, Isegrim, sein, und alle Beschwerden,
Die Ihr auf mich zu bringen gedenket, sind alle gelogen.
Wollt Ihr kämpfen? ich wag es mit Euch und werde nicht wanken.
Lange wünscht ich mir das! hier ist mein Handschuh dagegen.
So empfing der König die Pfänder, es reichten sie beide
Kühnlich. Er sagte darauf: Ihr sollt mir Bürgen bestellen,
Daß Ihr morgen zum Kampfe nicht fehlt; denn beide Parteien
Find ich verworren, wer mag die Reden alle verstehen?
Isegrims Bürgen wurden sogleich der Bär und der Kater,
Braun und Hinze; für Reineken aber verbürgten sich gleichfalls
Vetter Moneke, Sohn von Märtenaffe, mit Grimbart.
Reineke, sagte Frau Rückenau drauf: nun bleibet gelassen,
Klug von Sinnen! Es lehrte mein Mann, der jetzo nach Rom ist,
Euer Oheim, mich einst ein Gebet; es hatte dasselbe
Abt von Schluckauf gesetzt und gab es meinem Gemahle,
Dem er sich günstig erwies, auf einen Zettel geschrieben.
Dieses Gebet, so sagte der Abt, ist heilsam den Männern,
Die ins Gefecht sich begeben; man muß es nüchtern des Morgens
Überlesen, so bleibt man des Tags von Not und Gefahren
Völlig befreit, vorm Tode geschützt, vor Schmerzen und Wunden.
Tröstet Euch, Neffe, damit, ich will es morgen beizeiten
Über Euch lesen, so geht Ihr getrost und ohne Besorgnis.
Liebe Muhme, versetzte der Fuchs: ich danke von Herzen,
Ich gedenk es Euch wieder. Doch muß mir immer am meisten
Meiner Sache Gerechtigkeit helfen und meine Gewandtheit.
Reinekens Freunde blieben beisammen die Nacht durch und scheuchten
Seine Grillen durch muntre Gespräche. Frau Rückenau aber
War vor allen besorgt und geschäftig, sie ließ ihn behende
Zwischen Kopf und Schwanz und Brust und Bauche bescheren
Und mit Fett und Öle bestreichen; es zeigte sich aber
Reineke fett und rund und wohl zu Fuße. Daneben
Sprach sie: Höret mich an, bedenket, was Ihr zu tun habt,
Höret den Rat verständiger Freunde, das hilft Euch am besten.
Trinket nur brav und haltet das Wasser, und kommt Ihr des Morgens
In den Kreis, so macht es gescheit, benetzet den rauhen
Wedel über und über und sucht den Gegner zu treffen;
Könnt Ihr die Augen ihm salben, so ists am besten geraten,
Sein Gesicht verdunkelt sich gleich; es kommt Euch zustatten,
Und ihn hindert es sehr. Auch müßt Ihr anfangs Euch furchtsam
Stellen und gegen den Wind mit flüchtigen Füßen entweichen.
Wenn er Euch folget, erregt nur den Staub, auf daß Ihr die Augen
Ihm mit Unrat und Sande verschließt. Dann springet zur Seite,
Paßt auf jede Bewegung, und wenn er die Augen sich auswischt,
Nehmt des Vorteils gewahr und salbt ihm aufs neue die Augen
Mit dem ätzenden Wasser, damit er völlig erblinde,
Nicht mehr wisse, wo aus noch ein, und der Sieg Euch verbleibe.
Lieber Neffe, schlaft nur ein wenig, wir wollen Euch wecken,
Wenn es Zeit ist. Doch will ich sogleich die heiligen Worte
Über Euch lesen, von welchen ich sprach, auf daß ich Euch stärke.
Und sie legt' ihm die Hand aufs Haupt und sagte die Worte:
Nekräts negibaul geid sum namteflih dnudna mein tedahcs!
Nun Glück auf! nun seid Ihr verwahrt! Das Nämliche sagte
Oheim Grimbart; dann führten sie ihn und legten ihn schlafen.
Ruhig schlief er. Die Sonne ging auf; da kamen die Otter
Und der Dachs, den Vetter zu wecken. Sie grüßten ihn freundlich,
Und sie sagten: Bereitet Euch wohl! Da brachte die Otter
Eine junge Ente hervor und reicht' sie ihm, sagend:
Eßt, ich habe sie Euch mit manchem Sprunge gewonnen
An dem Damme bei Hünerbrot; laßts Euch belieben, mein Vetter.
Gutes Handgeld ist das, versetzte Reineke munter:
So was verschmäh ich nicht leicht. Das möge Gott Euch vergelten,
Daß Ihr meiner gedenkt! Er ließ das Essen sich schmecken
Und das Trinken dazu und ging mit seinen Verwandten
In den Kreis, auf den ebenen Sand, da sollte man kämpfen.