319.
Der Roßtrapp und der Kreetpfuhl
Den Roßtrapp oder die Roßtrappe nennt man einen Felsen mit einer eirunden Vertiefung,
welche einige Ähnlichkeit mit dem Eindruck eines riesenmäßigen Pferdehufes hat, in
dem hohen Vorgebirge des Nordharzes hinter Thale. Davon folgende abweichende Sagen:
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Eines Hünenkönigs Tochter stellte vorzeiten die Wette an, mit ihrem Pferde über den
tiefen Abgrund, Kreetpfuhl genannt, von einem Felsen zum andern zu springen. Zweimal hatte sie es
glücklich verrichtet, beim drittenmal aber schlug das Roß rückwärts über
und stürzte mit ihr in die Schlucht hinab. Darin befindet sie sich immer noch. Ein Taucher hatte
sie einmal einigen zu Gefallen um ein Trinkgeld so weit außer Wasser gebracht, daß man
etwas von der Krone sehen konnte, die sie auf dem Haupt getragen. Als er zum drittenmal dran sollte,
wagte er's anfänglich nicht, entschloß sich zuletzt doch und vermeldete dabei: »Wenn
aus dem Wasser ein Blutstrahl steigt, so hat mich die Jungfrau umgebracht; dann eilet alle davon,
daß ihr nicht auch in Gefahr geratet.« Wie er sagte, geschah's, ein Blutstrahl stieg auf.
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Vor alters wohnte ein König auf den herumgelegenen alten Schlössern, der eine sehr
schöne Tochter hatte, diese wollte ein Prinz, der sich in sie verliebte, entführen und
verband sich dazu mit dem Teufel, durch dessen schwarze Kunst er ein Pferd aus der Hölle bekam.
So entführte er sie, und beim Übersetzen von Fels zu Fels schlug das Roß mit dem
Hufeisen dieses Wahrzeichen ein.
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Eine Königstochter wohnte am Harz und hatte wider den Willen ihres Vaters eine geheime
Liebschaft. Um sich vor seinem Zorn zu retten, floh sie, nahm die Königskrone mit und wollte
sich in den Felsen bergen. Auf dem Felsen jenseits, gegenüber dem Roßtrapp, sollen noch
die Radenägel ihres Fuhrwerks eingedrückt sein. Sie wurde verfolgt und umringt. Es war
keine Rettung übrig, als einen Sprung ans andere Ufer zu wagen. Die Jungfrau sah das, da tanzte
sie noch einmal zu guter Letzt, als wäre es ihr Hochzeittag, und davon bekam der Fels den Namen
Tanzplatz. Dann tat sie glücklich den großen Sprung; wo ihr Roß den ersten
Fuß hinsetzte, drückte sich sein Huf ein, fortan hieß dieser Fels der
Roßtrapp. In der Luft war ihr aber die unschätzbare Krone vom Haupte gefallen in
einen tiefen Strudel der Bode, davon das Kronenloch benannt. Da liegt sie noch auf den
heutigen Tag.
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Vor tausend und mehr Jahren, ehe noch die Raubritter die Hoymburg, Leuenburg, Steckelnburg und
Winzenburg erbauten, war das Land rings um den Harz von Riesen bewohnt, die Heiden und Zauberer
waren, Raub, Mord und Gewalttat übten. Sechzigjährige Eichen rissen sie samt den Wurzeln
aus und fochten damit. Was sich entgegenstellte, wurde mit Keulen niedergeschlagen und die Weiber in
Gefangenschaft fortgeschleppt, wo sie Tag und Nacht dienen mußten. In dem Boheimer Walde hauste
dazumal ein Riese, Bodo genannt. Alles war ihm untertan, nur Emma, die
Königstochter vom Riesengebirge, die konnte er nicht zu seiner Liebe zwingen. Stärke noch
List halfen ihm nichts, denn sie stand mit einem mächtigen Geiste im Bund. Einst aber ersah sie
Bodo jagend auf der Schneekoppe und sattelte sogleich seinen Zelter, der meilenlange Fluren im
Augenblick übersprang; er schwur, Emma zu fahen oder zu sterben. Fast hätt er sie erreicht,
als sie ihn aber zwei Meilen weit von sich erblickte und an den Torflügeln eines zerstörten
Städtleins, welche er im Schild führte, erkannte, da schwenkte sie schnell das Roß.
Und von ihren Spornen getrieben, flog es über Berge, Klippen und Wälder durch
Thüringen in die Gebirge des Harzes. Oft hörte sie einige Meilen hinter sich das
schnaubende Roß Bodos und jagte dann den nimmermüden Zelter zu neuen Sprüngen auf.
Jetzt stand ihr Roß verschnaufend auf dem furchtbaren Fels, der Teufels Tanzplatz
heißt. Angstvoll blickte Emma in die Tiefe, denn mehr als tausend Fuß ging senkrecht die
Felsenmauer herab zum Abgrund. Tief rauschte der Strom unten und kreiste in furchtbaren Wirbeln. Der
entgegenstehende Fels schien noch entfernter und kaum Raum zu haben für einen Vorderfuß
des Rosses. Von neuem hörte sie Bodos Roß schnauben, in der Angst rief sie die Geister
ihrer Väter zu Hilfe, und ohne Besinnung drückte sie ihrem Zelter die ellenlangen Spornen
in die Seite. Und das Roß sprang über den Abgrund glücklich auf die spitze Klippe und
schlug seinen Huf vier Fuß tief in das harte Gestein, daß die Funken stoben. Das ist
jener Roßtrapp. Die Zeit hat die Vertiefung kleiner gemacht, aber kein Regen kann sie ganz
verwischen. Emma war gerettet, aber die zentnerschwere goldene Königskrone fiel während des
Sprungs von ihrem Haupt in die Tiefe. Bodo, in blinder Hitze nachsetzend, stürzte in den Strudel
und gab dem Fluß den Namen. (Die Bode ergießt sich mit der Emme und Saale in die Elbe.)
Hier als schwarzer Hund bewacht er die goldene Krone der Riesentochter, daß kein Gelddurstiger
sie heraushole. Ein Taucher wagte es einst unter großen Versprechungen. Er stieg in die Tiefe,
fand die Krone und hob sie in die Höhe, daß das versammelte Volk schon die Spitzen golden
schimmern sah. Aber zu schwer, entsank sie zweimal seinen Händen. Das Volk rief ihm zu, das
drittemal hinabzusteigen. Er tat's, und ein Blutstrahl sprang hoch in die Höhe. Der Taucher kam
nimmer wieder auf. Jetzo deckt tiefe Nacht und Stille den Ungrund, kein Vogel fliegt darüber.
Nur um Mitternacht hört man oft in der Ferne das dumpfe Hundegeheul des Heiden. Der Strudel
heißt der Kreetpfuhl1)
und der Fels, wo Emma die Hilfe der Höllengeister erflehte, des Teufels Tanzplatz.
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In Böhmen lebte vorzeiten eine Königstochter, um die ein gewaltiger Riese warb. Der
König, aus Furcht seiner Macht und Stärke, sagte sie ihm zu. Weil sie aber schon einen
andern Liebhaber hatte, der aus dem Stamm der Menschen war, so widersetzte sie sich dem
Bräutigam und dem Befehl ihres Vaters. Aufgebracht wollte der König Gewalt brauchen und
setzte die Hochzeit gleich auf den nächsten Tag. Mit weinenden Augen klagte sie das ihrem
Geliebten, der zu schneller Flucht riet und sich in der finsteren Nacht einstellte, die getroffene
Verabredung ins Werk zu setzen. Es hielt aber schwer zu entfliehen, die Marställe des
Königs waren verschlossen und alle Stallmeister ihm treu und ergeben. Zwar stand des Riesen
ungeheurer Rappe in einem für ihn eigens erbauten Stalle, wie sollte aber eine schwache
Frauenhand das mehr denn zehn Ellen hohe Untier leiten und lenken? Und wie war ihm beizukommen, da es
an einer gewaltig dicken Kette lag, die ihm statt Halfters diente und dazu mit einem großen
Schlosse verwahrt war, dessen Schlüssel der Riese bei sich trug? Der Geliebte half aber aus, er
stellte eine Leiter ans Pferd und hieß die Königstochter hinaufsteigen; dann tat er einen
mächtigen Schwerteshieb auf die Kette, daß sie voneinander sprang, schwang sich selbst
hinten auf, und in einem Flug ging's auf und davon. Die kluge Jungfrau hatte ihre Kleinode
mitgenommen, dazu ihres Vaters goldene Krone aufs Haupt gesetzt. Während sie nun aufs Geratewohl
forteilten, fiel's dem Riesen ein, in dieser Nacht auszureiten. Der Mond schien hell, und er stand
auf, sein Roß zu satteln. Erstaunt sah er den Stall leer. Es gab Lärm im ganzen Schlosse,
und als man die Königstochter aufwecken wollte, war sie auch verschwunden. Ohne sich lange zu
besinnen, bestieg der Bräutigam das erste beste Pferd und jagte über Stock und Block. Ein
großer Spürhund witterte den Weg, den die Verliebten genommen hatten; nahe am Harzwalde
kam der Riese hinter sie. Da hatte aber auch die Jungfrau den Verfolger erblickt, wandte den Rappen
flugs und sprengte waldein, bis der Abgrund, in welchem die Bode fließt, ihren Weg
durchschneidet. Der Rappe stutzt einen Augenblick, und die Liebenden sind in großer Gefahr. Sie
blickt hinterwärts, und in strengem Galopp nahet der Riese, da stößt sie mutig dem
Rappen in die Rippen. Mit einem gewaltigen Sprung, der den Eindruck eines Hinterhufes im Felsen
läßt, setzt er über, und die Liebenden sind gerettet. Denn die Mähre des
nacheilenden Riesen springt seiner Schwere wegen zu kurz, und beide mit gräßlichem
Geprassel fallen in den Abgrund. Auf dem jenseitigen Rand stehet die Königstochter und tanzt vor
Freuden. Davon heißt die Stätte noch jetzt der Tanzplatz. Doch hat sie im Taumel
des Sprungs die Krone verloren, die in den Kessel der Bode gefallen ist. Da liegt sie noch heutzutage
von einem großen Hunde mit glühenden Augen bewacht. Schwimmer, die der Gewinn geblendet,
haben sie mit eigner Lebensgefahr aus der Tiefe zu holen gesucht, aber beim Wiederkommen ausgesagt,
daß es vergebens sei, der große Hund sinke immer tiefer, sowie sie ihm nahe kämen,
und die goldne Krone stehe nicht mehr zu erlangen.
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Das heißt Teufelspfuhl, wie die nördlichen Harzbewohner Kreetkind
Teufelskind nennen.