Andreas Gryphius

Menschliche Elende

XI.

WAs sind wir Menschen doch? ein Wohnhauß grimmer Schmertzen

Ein Ball des falschen Glücks / ein Irrlicht diser Zeit.

Ein Schauplatz herber Angst / besetzt mit scharffem Leid /

Ein bald verschmeltzter Schnee und abgebrante Kertzen.

Diß Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Schertzen.

Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid

Vnd in das Todten-Buch der grossen Sterblikeit

Längst eingeschriben sind / sind uns aus Sinn und Hertzen.

Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfällt /

Vnd wie ein Strom verscheust / den keine Macht auffhält:

So muß auch unser Nahm / Lob / Ehr und Ruhm verschwinden /

Was itzund Athem holt /muß mit der Lufft entflihn /

Was nach uns kommen wird / wird uns ins Grab nachzihn

Was sag ich? wir vergehn wie Rauch von starcken Winden.