Andreas Gryphius

Der Welt Wollust

X.

WO Lust ist / da ist Angst; wo Freud' ist / da sind Klagen.

Wer schöne Rosen siht / siht Dornen nur dabey;

Kein Stand /kein Ort / kein Mensch ist seines Creutzes frey.

Wer lacht; fühlt wenn er lacht im Hertzen tausend Plagen.

Wer hoch in Ehren sitzt / muß hohe Sorgen tragen.

Wer ist / der Reichthumb acht'/ und loß von Kummer sey

Wo Armut ist; ist Noth. Wer kennt wie mancherley

Traur-würmer uns die Seel und matte Sinnen nagen?

Ich red' es offenbahr / so lang als Titans Licht

Vom Himmel ab bestralt / mein bleiches Angesicht /

Ist mir noch nie ein Tag / der gantz ohn Angst / bescheret

O Welt du Thränen Thal! recht selig wird geschätzt;

Der eh er einen Fuß / hin auff die Erden setzt /

Bald aus der Mutter Schoß ins Himmels Lusthauß fähret.