| 1. | |
| MEin Auge hat den alten Glantz verlohren / Ich bin nicht mehr / was ich vor diesem war / Es klinget mir fast stündlich in den Ohren: Vergiß der Welt / und denck auf deine Baar / Und ich empfinde nun aus meines Lebens Jahren / Das funfftzig schwächer sind als fünff und zwantzig waren. | |
| 2. | |
| Du hast / mein Gott / mich in des Vaters Lenden / Als rohen Zeug / genädig angeschaut / Und nachmahls auch in den verdeckten Wänden / Ohn alles Licht / durch Allmacht aufgebaut / Du hast als Steuermann und Leitstern mich geführet / Wo man der Wellen Sturm / und Berge Schrecken spüret. | |
| 3. | |
| Du hast den Dorn in Rosen mir verkehret / Und Kieselstein zu Cristallin gebracht / Dein Seegen hat den Unwerth mir verzehret / Und Schlackenwerck zu gleichem Ertzt gemacht. Du hast als Nulle mich den Zahlen zu gesellet / Der Welt Gepränge gilt nach dem es Gott gefället. | |
| 4. | |
| Ich bin zuschlecht / vor dieses Danck zusagen / Es ist zu schlecht was ich dir bringen kan. Nim diesen doch / den du hast jung getragen Als Adlern itzt auch in dem Alter an. Ach! stütze Leib und Geist / und laß bey grauen Haaren / Nicht grüne Sündenlust sich meinem Hertzen paaren. | |
| 5. | |
| Las mich mein Ampt mit Freudigkeit verwalten / Las Trauersucht nicht stören meine Ruh / Las meinen Leib nicht wie das Eys erkalten Und lege mir noch etwas Kräffte zu. Hielff das mich Siechthum nicht zu Last und Eckel mache / Der Morgen mich bewein / der Abend mich verlache. | |
| 6. | |
| Las mich die Lust des Feindes nicht berücken / Die Wermuth offt mit Zucker überlegt / Verwirr ihn selbst im Garne seiner Tücken / Das der Betrug nach seinem Meister schlägt. Las mich bey guter Sach ohn alles Schrecken stehen / Und unverdienten Haß zu meiner Lust vergehen. | |
| 7. | |
| Verjüng in mir des schwachen Geistes Gaben / Der ohne dich ohn alle Regung liegt / Las mit der Zeit mich diesen Nachklang haben: Das Eigennutz mich niemahls eingewiegt / Daß mir des Nechsten Gutt hat keinen Neid erwecket / Sein Ach mich nicht erreicht / sein Weinen nicht beflecket. | |
| 8. | |
| Hielff / das mein Geist zum Himmel sich geselle / Und ohne Seyd und Schmüncke heilig sey; Bistu doch / Herr / der gute reine Quelle; So mache mich von bösen Flecken frey. Wie leichtlich läst sich doch des Menschen Auge blenden! Du weist / wie schwach es ist / es kombt aus deinen Händen. | |
| 9. | |
| Denn führe mich zu der erwehlten Menge / Und in das Licht durch eine kurtze Nacht: Ich suche nicht ein grosses Leichgepränge / Aus Eytelkeit / und stoltzer Pracht erdacht. Ich wil kein ander Wort um meinen Leichstein haben / Als diß: Der Kern ist weg / die Schalen sind vergraben. | |