| 1. | |
| DIe Wollust bleibet doch der Zucker dieser Zeit / Was kan uns mehr / denn sie / den Lebenslauf versüssen? Sie lässet trinckbar Gold in unsre Kehle fliessen / Und öffnet uns den Schatz beperlter Liebligkeit; In Tuberosen kan sie Schnee und Eiß verkehren / Und durch das gantze Jahr / die FrühlingsZeit gewehren. | |
| 2. | |
| Es schaut uns die Natur als rechte Kinder an / Sie schenckt uns ungespart den Reichthum ihrer Brüste / Sie öffnet einen Saal voll zimmetreicher Lüste / Wo aus des Menschen Wunsch Erfüllung quellen kan. Sie legt als Mutter uns / die Wollust in die Armen / Und läst durch Lieb und Wein den kalten Geist erwarmen. | |
| 3. | |
| Nur das Gesetze wil allzu Tyrannisch seyn / Es zeiget iederzeit ein widriges Gesichte / Es macht des Menschen Lust und Freyheit gantz zunichte / Und flöst vor süssen Most uns Wermuthtropffen ein; Es untersteht sich uns die Augen zuverbinden / Und alle Liebligkeit aus unser Hand zuwinden. | |
| 4. | |
| Die Ros' entblösset nicht vergebens ihre Pracht / Jeßmin wil nicht umsonst uns in die Augen lachen / Sie wollen unser Lust sich dienst- und zinsbar machen / Der ist sein eigen Feind / der sich zu Plagen tracht; Wer vor die Schwanenbrust ihm Dornen wil erwehlen / Dem muß es an Verstand und reinen Sinnen fehlen. | |
| 5. | |
| Was nutzet endlich uns doch Jugend / Krafft und Muth / Wenn man den Kern der Welt nicht reichlich wil genüssen / Und dessen Zuckerstrom läst unbeschifft verschüssen / Die Wollust bleibet doch der Menschen höchstes Guth / Wer hier zu Seegel geht / dem wehet das Gelücke / Und ist verschwenderisch mit seinem Liebesblicke. | |
| 6. | |
| Wer Epicuren nicht vor seinen Lehrer hält / Der hat den Weltgeschmack / und allen Witz verlohren / Es hat ihr die Natur als Stiefsohn ihn erkohren / Er mus ein Unmensch seyn / und Scheusaal dieser Welt; Der meisten Lehrer Wahn erregte Zwang und Schmertzen / Was Epicur gelehrt / das kitzelt noch die Hertzen. | |
| 1. | |
| DIe Tugend pflastert uns die rechte Freudenbahn / Sie kan den Nesselstrauch zu Lilgenblättern machen / Sie lehrt uns auf dem Eis und in dem Feuer lachen / Sie zeiget wie man auch in Banden herrschen kan / Sie heisset unsern Geist im Sturme ruhig stehen / Und wenn die Erde weicht / uns im Gewichte gehen. | |
| 2. | |
| Es giebt uns die Natur Gesundheit / Krafft und Muth / Doch wo die Tugend nicht wil unser Ruder führen / Da wird man Klippen / Sand und endlich Schifbruch spüren / Die Tugend bleibet doch der Menschen höchstes Gutt / Wer ohne Tugend sich zu leben hat vermessen / Ist einem Schiffer gleich / so den Compaß vergessen. | |
| 3. | |
| Gesetze müssen ja der Menschen Richtschnur seyn / Wer diesen Pharus ihm nicht zeitlich wil erwehlen / Der wird / wie klug er ist / des Hafens leicht verfehlen; Und läuffet in den Schlund von vielen Jammer ein / Wem Lust und Uppigkeit ist Führerin gewesen / Der hat vor Leitstern ihm ein Irrlicht auserlesen. | |
| 4. | |
| Diß / was man Wollust heist / verführt und liebt uns nicht / Die Küsse so sie giebt / die triffen von Verderben / Sie läst uns durch den Strang der zärtsten Seide sterben / Man fühlet wie Zibeth das matte Hertze bricht / Vergifter Hypocras wil uns die Lippen rühren / Und ein ambrirte Lust zu Schimpf und Grabe führen. | |
| 5. | |
| Die Tugend drückt uns doch als Mutter an die Brust / Ihr Gold und Edler Schmuck hält Farb und auch Gewichte / Es leitet ihre Hand uns zu dem grossen Lichte; Wo sich die Ewigkeit vermählet mit der Lust. Sie reicht uns eine Kost / so nach dem Himmel schmecket / Und giebt uns einen Rock / den nicht die Welt beflecket. | |
| 6. | |
| Die Wollust aber ist / als wie ein Unschlichtlicht / So helle Flammen giebt / doch mit Gestanck vergehet / Wer bey dem Epicur / und seinem Hauffen stehet / Der lernt wie diese Waar / als dünnes Glas zerbricht / Es kan die Drachenmilch uns nicht Artzney gewehren / Noch gelbes Schlangengift in Labsal sich verkehren. | |