Aber Leukothea sah ihn, die schöne Tochter des Kadmos, Ino, einst ein Mädchen mit heller melodischer Stimme, | |
335 |
Nun in den Fluten des Meers der göttlichen Ehre genießend. Und sie erbarmete sich des umhergeschleuderten Mannes, Kam wie ein Wasserhuhn empor aus der Tiefe geflogen, Setzte sich ihm auf den Floß, und sprach mit menschlicher Stimme: Armer, beleidigtest du den Erderschüttrer Poseidon, |
340 |
Daß er so schrecklich zürnend dir Jammer auf Jammer bereitet? Doch verderben soll er dich nicht, wie sehr er auch eifre! Tu nur, was ich dir sage; du scheinst mir nicht unverständig. Ziehe die Kleider aus, und lasse den Floß in dem Sturme Treiben; spring in die Flut, und schwimme mit strebenden Händen |
345 |
An der Phäaken Land, allwo dir Rettung bestimmt ist. Da, umhülle die Brust mit diesem heiligen Schleier, Und verachte getrost die drohenden Schrecken des Todes. Aber sobald du das Ufer mit deinen Händen berührest, Löse den Schleier ab, und wirf ihn ferne vom Ufer |
350 |
In das finstere Meer, mit abgewendetem Antlitz.
Also sprach die Göttin, und gab ihm den heiligen Schleier; |
355 |
Tiefaufseufzend sprach er zu seiner erhabenen Seele:
Weh mir! ich fürchte, mich will der Unsterblichen einer von neuem |
360 |
Also will ich es machen, denn dieses scheint mir das Beste! Weil die Balken noch fest in ihren Banden sich halten, Bleib' ich hier, und erwarte mit duldender Seele mein Schicksal. Aber wann mir den Floß die Gewalt des Meeres zertrümmert, Dann will ich schwimmen; ich weiß mir ja doch nicht besser zu raten! |
365 |
Als er solche Gedanken im zweifelnden Herzen bewegte, |
370 |
Also zerstreute die Flut ihm die Balken. Aber Odysseus Schwung sich auf einen, und saß, wie auf dem Rosse der Reiter; Warf die Kleider hinweg, die ihm Kalypso geschenket, Und umhüllte die Brust mit Inos heiligem Schleier. Vorwärts sprang er hinab in das Meer, die Hände verbreitet, |
375 |
Und schwamm eilend dahin. Da sah ihn der starke Poseidon, Schüttelte zürnend sein Haupt, und sprach in der Tiefe des Herzens: So, durchirre mir jetzo, mit Jammer behäuft, die Gewässer, |
380 |
Also sprach er, und trieb die Rosse mit fliegender Mähne, Aber ein Neues ersann Athene, die Tochter Kronions. |
385 |
Und ließ stürmen den Nord, und brach vor ihm die Gewässer: Bis er zu den Phäaken, den ruderliebenden Männern, Käme, der edle Odysseus, entflohn dem Todesverhängnis. Schon zween Tage trieb er und zwo entsetzliche Nächte |
390 |
Als nun die Morgenröte des dritten Tages emporstieg, Siehe da ruhte der Wind; von heiterer Bläue des Himmels Glänzte die stille See. Und nahe sah er das Ufer, Als er mit forschendem Blick von der steigenden Welle dahinsah. So erfreulich den Kindern des lieben Vaters Genesung |
395 |
Kommt, der lange schon an brennenden Schmerzen der Krankheit Niederlag und verging, vom feindlichen Dämon gemartert; Aber ihn heilen nun zu ihrer Freude die Götter: So erfreulich war ihm der Anblick des Landes und Waldes. Und er strebte mit Händen und Füßen, das Land zu erreichen. |
400 |
Aber so weit entfernt, wie die Stimme des Rufenden schallet, Hört' er ein dumpfes Getöse des Meers, das die Felsen bestürmte, Graunvoll donnerte dort an dem schroffen Gestade die hohe Fürchterlich strudelnde Brandung, und weithin spritzte der Meerschaum. Keine Buchten empfingen, noch schirmende Reeden, die Schiffe; |
405 |
Sondern trotzende Felsen und Klippen umstarrten das Ufer. Und dem edlen Odysseus erzitterten Herz und Kniee; Tiefaufseufzend sprach er zu seiner erhabenen Seele: Weh mir! nachdem mich Zeus dies Land ohn' alles Vermuten |
410 |
Öffnet sich nirgends ein Weg aus dem dunkelwogenden Meere! Zackichte Klippen türmen sich hier, umtobt von der Brandung Brausenden Strudeln, und dort das glatte Felsengestade! Und das Meer darunter ist tief; man kann es unmöglich Mit den Füßen ergründen, um watend ans Land sich zu retten! |
415 |
Wagt' ich durchhin zu gehn, unwiderstehliches Schwunges Schmetterte mich die rollende Flut an die zackichte Klippe! Schwimm' ich aber noch weiter herum, abhängiges Ufer Irgendwo auszuspähn und sichere Busen des Meeres; Ach dann fürcht' ich, ergreift der Orkan mich von neuem, und schleudert |
420 |
Mich Schwerseufzenden weit in das fischdurchwimmelte Weltmeer! Oder ein Himmlischer reizt auch ein Ungeheuer des Abgrunds Wider mich auf, aus den Scharen der furchtbaren Amphitrite! Denn ich weiß es, mir zürnt der gewaltige Küstenerschüttrer! Als er solche Gedanken im zweifelnden Herzen bewegte, |
425 |
Warf ihn mit einmal die rollende Wog' an das schroffe Gestade. Jetzo wär' ihm geschunden die Haut, die Gebeine zermalmet, Hätte nicht Pallas Athene zu seiner Seele geredet. Eilend umfaßte der Held mit beiden Händen die Klippe, Schmiegte sich keuchend an, bis die rollende Woge vorbei war. |
430 |
Also entging er ihr jetzt. Allein da die Woge zurückkam, Raffte sie ihn mit Gewalt, und schleudert' ihn fern in das Weltmeer. Also wird der Polyp dem festen Lager entrissen; Kiesel hängen und Sand an seinen ästigen Gliedern: Also blieb an dem Fels von den angeklammerten Händen |
435 |
Abgeschunden die Haut; und die rollende Woge verschlang ihn. Jetzo wäre der Dulder auch wider sein Schicksal gestorben, Hätt' ihn nicht Pallas Athene mit schnellem Verstande gerüstet. Aber er schwung sich empor aus dem Schwalle der schäumenden Brandung, Schwamm herum, und sah nach dem Land', abhängiges Ufer |
440 |
Irgendwo auszuspähn und sichere Busen des Meeres. Jetzo hatt' er nun endlich die Mündung des herrlichen Stromes Schwimmend erreicht. Hier fand er bequem zum Landen das Ufer, Niedrig und felsenleer, und vor denn Winde gesichert. Und er erkannte den strömenden Gott, und betet' im Herzen: |
445 |
Höre mich, Herrscher, wer du auch seist, du Sehnlicherflehter! |
450 |
Herrscher, erbarme dich mein, der deiner Gnade vertrauet!
Also sprach er. Da hemmte der Gott die wallenden Fluten, |
455 |
Alles war ihm geschwollen, ihm floß das salzige Wasser Häufig aus Nas' und Mund; der Stimme beraubt und des Atems, Sank er in Ohnmacht hin, erstarrt von der schrecklichen Arbeit. Als er zu atmen begann, und sein Geist dem Herzen zurückkam, Löst' er ab von der Brust den heiligen Schleier der Göttin, |
460 |
Warf ihn eilend zurück in die salzige Welle des Flusses; Und ihn führte die Welle den Strom hinunter, und Ino Nahm ihn mit ihren Händen. Nun stieg der Held aus dem Flusse, Legte sich nieder auf Binsen, und küßte die fruchtbare Erde; Tiefaufseufzend sprach er zu seiner erhabenen Seele: |
465 |
Weh mir Armen, was leid' ich, was werd' ich noch endlich erleben! |
470 |
Aber klimm' ich hinan zum waldbeschatteten Hügel, Unter dem dichten Gesträuche zu schlafen, wenn Frost und Ermattung Anders gestatten, daß mich der süße Schlummer befalle: Ach dann werd' ich vielleicht den reißenden Tieren zur Beute! Dieser Gedanke schien dem Zweifelnden endlich der beste, |
475 |
Hinzugehn in den Wald, der den weitumschauenden Hügel Nah am Wasser bewuchs. Hier grüneten, ihn zu umhüllen, Zwei verschlungne Gebüsche, ein wilder und fruchtbarer Ölbaum. Nimmer durchstürmte den Ort die Wut naßhauchender Winde, Ihn erleuchtete nimmer mit warmen Strahlen die Sonne, |
480 |
Selbst der gießende Regen durchdrang ihn nimmer: so dicht war Sein Gezweige verwebt. Hier kroch der edle Odysseus Unter, und bettete sich mit seinen Händen ein Lager, Hoch und breit; denn es deckten so viele Blätter den Boden, Daß zween Männer darunter und drei sich hätten geborgen |
485 |
Gegen den Wintersturm, auch wann er am schrecklichsten tobte. Freudig sahe das Lager der herrliche Dulder Odysseus, Legte sich mitten hinein, und häufte die rasselnden Blätter. Also verbirgt den Brand in grauer Asche der Landmann; |
490 |
Hegt er den Samen des Feuers, um nicht in der Ferne zu zünden: Also verbarg sich der Held in den Blättern. Aber Athene Deckt' ihm die Augen mit Schlummer, damit sie der schrecklichen Arbeit Qualen ihm schneller entnähme, die lieben Wimper verschließend. |