Wenn du auf Ruhebetten, die kein größrer Meister
als Archias geschnitzt hat1), dich behelfen kannst,
und eine mäßige Schüssel von dem ersten besten
Gemüse dich nicht abschreckt, werd' ich dich, Torquat,
vor Sonnenuntergang bei mir erwarten2).
Der Wein, von dem du trinken wirst, ist zwischen
dem sumpfigten Minturnä und Petrin
gewachsen, und (dir nichts zu bergen) erst
in Taurus zweitem Konsulat gefaßt3).
Hast du was Bessers, gut, so bin ich auch
dabei: wo nicht, so nimm mit mir vorlieb.
Schon lang ist Herd und Hausgerät auf dich
gescheurt und glänzend. Laß die luftigen Sorgen
der Ehrsucht ruhen, und die leidigen Fehden
um Mein und Dein, und den Prozeß des Moschus4).
Denn Cäsars Fest erlaubt uns, ungetadelt
die Sommernacht vertraulich wegzuplaudern,
und dann so viel vom Tage zu verschlafen,
   Si potes Archiacis conviva recumbere lectis,
nec modica cenare times olus omne patella,
supremo te sole domi, Torquate, manebo.
Vina bibes iterum Tauro diffusa, palustres
<5> inter Minturnas Sinuessanumque Petrinum.
Sin melius quid habes, arcesse, vel imperium fer.
Iam dudum splendet focus et tibi munda supellex.
Mitte leves spes et certamina divitiarum
et Moschi causam: cras nato Caesare festus
<10> dat veniam somnumque dies; impune licebit
als uns beliebt5). Was hälfe mir mein Glück,
wenn's zu genießen mir verboten wäre?
Wer seinen Erben an sich selber spart,
braucht, wenn er einen Toren sucht, nicht weit
zu gehn. Von nun an will ich, wie ein andrer,
mir gütlich tun, will zechen, und die Rosen
nicht sparen, müßt' ich auch deswegen mich
leichtsinnig schelten lassen. Denn, es geht doch, traun!
die Menschheit zu veredeln, in der Welt
nichts über Trunkenheit! Sie schließt das Herz
weit auf, bestätigt alles, was wir hoffen,
nimmt allen Kummer dem Betrübten ab,
und stürzt den Feigen mitten in die Feinde.
Wo ist die Tugend, wo die Kunst, wozu
der Wein uns nicht das Selbstvertrauen gibt?
Wen machen volle Becher nicht beredt?
und welcher Irus dünkt sich arm bei ihnen6)?
Was dich bei mir erwartet, ist nicht viel,
doch ists, was ich vermag und gerne gebe:
dafür ist wenigstens gesorgt, daß weder
aestivam sermone benigno tendere noctem.
Quo mihi fortunam, si non conceditur uti?
Parcus ob heredis curam nimiumque severus
assidet insano. Potare et spargere flores
<15> incipiam, patiarque vel inconsultus haberi!
Quid non ebrietas designat? Operta recludit,
spes iubet esse ratas, in proelia trudit inertem,
sollicitis animis onus eximit, addocet artes.
Fecundi calices quem non fecere disertum?
<20> contracta quem non in paupertate solutum?
Haec ego procurare et idoneus imperor et non
das Tischgeräte noch die Polsterdecken dir
die Nas' in Falten ziehn, und daß aus allen Kannen
und Schüsseln dir dein Bild entgegenspiegle;
auch daß sich gleich und gleich zusammenfinden
und was wir unter Freunden sprechen, kein
Verräter oder Schwätzer weiter trage.
Ich habe dir den Butra, den Septiz,
und, wenn er nicht versagt ist, oder ihn
ein Mädchen, das ihm mehr am Herzen liegt,
uns wegfischt, den Sabin dazu gebeten7);
auch ist für mehr als einen Schattena) Platz;
wiewohl das gar zu drang bei Tische sitzen
bekannte Ungemächlichkeiten mit sich führtb).
 
Du, schreibe doch zurück, wie zahlreich du
zu kommen denkst, und, daß dich ja nichts halte,
entschleiche dem Klienten, der im Vorhaus
auf seinem Posten steht, durchs Hintertürchen.
invitus, ne turpe toral, ne sordida mappa
corruget nares, ne non et cantharus et lanx
ostendat tibi te, ne fidos inter amicos
<25> sit qui dicta foras eliminet, ut coeat par
iungaturque pari. Butram tibi Septiciumque
et nisi cena prior potiorque puella Sabinum
detinet, assumam; locus est et pluribus umbris;
sed nimis arta premunt olidae convivia caprae.
<30> Tu quotus esse velis rescribe, et rebus omissis,
atria servantem postico falle clientem.


  1. So hießen scherzweise die ungeladenen Personen, die ein vornehmer Gast als seine guten Freunde mitbrachte. Zurück
     
  2. Horaz nennt die Sache deutlicher, wie die Römer in mehrern Fällen zu tun pflegten, wo unser strengerer Wohlstand nicht verzeihen würde, es ihnen nachzutun. Zurück


  1. Der Tischler Archias, den Horaz hier von ungefähr in die Nachwelt mit sich geschleppt hat, machte, wie es scheint, nur gemeine bürgerliche Arbeit. Freilich waren Tische und Ruhebetten von zierlichern Schnitzwerk mit silbernen oder elfenbeinernen Füßen u. s. w. in Rom sehr gewöhnlich; aber doch nur bei reichen, oder für reich gelten wollenden Leuten. Bei unserm Dichter war alles, wie es zu seinen Umständen paßte, und er schämte sich nicht,

    daß weder Elfenbein noch Gold
    in seinem Hause glänzte –
    Ode 18. im 2ten Buch.

    Zurück
     

  2. Die gewöhnliche Zeit der Mahlzeit, welche bei den Römern cena hieß, und die eigentliche Hauptmahlzeit war, zu welcher Freunde gebeten wurden, war post nonam, d. i. nach unsrer Art die Stunden zu zählen, nach drei oder vier NachmittagsI). Die Ursache, warum Horaz seinen vornehmen Gast erst mit Sonnen-Untergang erwartet, oder vielmehr bis dahin auf ihn warten will, scheint nicht (wie Baxter meint) von seiner besondern Frugalität herzukommen: sondern bloß daher, weil er ihm Zeit genug lassen wollte, seine Geschäfte vorher abzutun, und weil die ganze Nacht in geselliger Fröhlichkeit zugebracht werden sollte. Zurück

  1. Couture de la vie privée des Romains, Part. III. n. 1. Zurück

  1. Daß Horaz seinen Freund, um allen Irrtum zu verhüten, so genau unterrichtet, was er ihm für einen Wein vorsetzen werde, hat die Ausleger aufmerksam und zweifelhaft gemacht. Lambinus und Cruquius schließen sowohl aus der Gegend als dem Alter, daß der Wein wohl ziemlich schlecht gewesen sein möge: Baxter und Geßner bemerken dagegen, es sei doch wenigstens Falerner gewesen, der unter den edeln Weinen, die in Italien gebaut werden, damals noch die erste Stelle hatte. Denn wenn Sinuessa am Fuße des Berges Massicus (auch Falernus genannt) lag, und die ganze Gegend auf dieser Seite des Berges, gegen Minturnä hin, ager FalernusII) hieß, so konnte ein Wein, der zwischen Minturnä und Sinuessa gewachsen war, immer noch für Falerner gelten, wenn es gleich keiner vom ersten Rang war. Unsre chorographische Kenntnis von dieser Gegend ist nicht vollständig genug, daß sich diese wichtige önologische Frage genauer entscheiden ließe. Aber aus allen Umständen ist zu vermuten, daß Horaz sein Getränke nur deswegen so genau charakterisiert habe, damit sein Freund von der Mäßigkeit der Gerichte nicht etwa einen nachteiligen Schluß auf den Wein mache. Denn daß ein so feiner Mann, wie unser Dichter war, einem Manlius hätte zumuten können, sich mit ihm in schlechtem Weine zu berauschen, das soll uns kein Kommentator weis machen! Auch mit dem Alter des Weins stand es so übel nicht, als Lambinus und Cruquius wähnen. Denn, nach Horazens Angabe, war er unter dem zweiten Konsulat des Statilius Taurus, d. i. im Jahre 728, auf Krüge gezogen worden, folglich um die Zeit, da dieser Brief geschrieben wurde, wenigstens sechs Jahre alt; welches bei einem italienischen Wein, zumal aus dieser Gegend, ein hübsches Alter war. Zurück

  1. Cellar. Geogr. Ant. L. II. c. 9. p. 848. Zurück

  1. Dieser Moschus soll, nach der Versicherung eines alten Scholiasten, ein wohlberühmter Rhetor von Pergamus gewesen sein, der der Giftmischerei angeklagt worden, und dessen Sachwalter in diesem bösen Handel Asinius Pollio und unser Torquatus, als zwei der größten damaligen Redner, gewesen. Zurück
     
  2. Das Fest, dessen Vorabend Horaz mit einem fröhlichen Gastmahl feiern wollte, war der Geburtstag des vergötterten Julius Cäsars, der, nach der Versicherung eines alten Scholiasten, an den Idibus Juliis in Rom feierlich begangen wurde. An einem solchen Festtage ruheten alle Geschäfte, und Torquat konnte also ohne Bedenken mit seinem Freund eine Sommernacht bei kleinen sokratischen Bechern verplaudern. Denn daß es, ungeachtet der humoristischen Lobrede auf die Trunkenheit (in welcher, bei allem Scherz, viel Wahres ist), nicht auf ein Bachanal abgesehen gewesen sei, braucht wohl nicht erst bewiesen zu werden. Zurück
     
  3. Horaz scheint hier eine ähnliche scherzhafte Lobrede auf den Wein aus der ersten Szene in Aristophanes Rittern im Sinne gehabt zu haben:

    Was? du erfrechest dich den Wein zu schelten?
    Wo wolltest du mir einen rüstigern
    Geschäftsbefördrer finden, als den Wein?
    Siehst du, sobald die Leute trinken, wie sie gleich
    so reich und glücklich wie die Götter sind,
    wie ihnen alles leicht wird, alles gleich
    zu Stande kommt, wie ihre Freunde nur
    verlangen dürfen, was sie wollen, ihre
    Prozesse alle flugs gewonnen sind, u. s. w.

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  4. Die Gesellschaft, welche der Dichter seinem Freunde zu Ehren mitgeladen, kommt im Horaz sonst nirgends vor; daher um so glaublicher ist, daß er sie bloß als gute Freunde des Torquatus dazu genommen. Der Scholiast des Cruquius, der den Butra für ein Mädchen hält und Bruta nennt, und die Neuern, welche auch aus dem Septicius eine Septimia gemacht, haben ihrer Imagination zu viel erlaubt. Ich bin der Lesart der meisten Handschriften und dem Ansehen der verständigsten Ausleger gefolgt. Die Personen dieses Butra und Septiz sind unbekannt, die Namen nicht. Denn der letztere findet sich (nach Bentleys Anmerkung) in verschiedenen alten Schriftstellern, und der erste in einer Aufschrift beim Gruter. Ob der Sabinus Tiro, der dem Mäcenas ein Gedicht vom Gartenbau unter dem Namen Cepurica (Koipourika) zugeeignet, und dessen der einzige Plinius im 10ten Kap. des XIX. Buchs erwähnt, derjenige gewesen, von welchem hier die Rede ist, können wir nicht sagen; es ist zu vermuten. Aber wer er auch gewesen sein mag, dafür ist gesorgt, daß uns sein Charakter nicht unbekannt sei. Der einzige Vers: nisi prior cena potiorque puella Sabinum detinet, zeichnet ihn so gut, daß wir keine Mühe haben, uns den ganzen Menschen, wie er leibte und lebte, so lebendig vorzumalen, als ob wir selber beim Horaz mit ihm zu Nacht gegessen hätten. Zurück


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