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Wie mild zu Velia der Winter sei, wie zu Salern die Luft1), und was das Land für eine Art von Menschen trage, wie der Weg dahin Doch, eh' ich weiter frage, mein lieber Vala, wisse, daß mir Musa Antonius2) das warme Bad zu Bajä3) so viel als unnütz hält und mit den Leuten dort mich ganz entzweit hat, die sich ordentlich ereifern, wenn sie mich zu dieser frost'gen Jahrszeit noch gar in kaltem Wasser baden sehn. Denn daß ein Kranker ihre Myrtenwäldchen verlassen, ihre weit und breit für Gicht und Podagra gepriesnen Schwefeldämpfe verachten, und ein solcher Waghals sein kann, den Quellen Clusiumsa) seinen Kopf und Magen zu unterstellen und das kalte Land der Gabierb) ihrem milden vorzuziehn, | Quae sit hiems Veliae, quod caelum,
Vala, Salerni, quorum hominum regio, et qualis via nam mihi Baias Musa supervacuas Antonius, et tamen illis me facit invisum gelida cum perluor unda <5> per medium frigus; sane myrteta relinqui dictaque cessantem nervis elidere morbum sulphura contemni, vicus gemit, invidus aegris, qui caput et stomachum supponere fontibus audent | |
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ist freilich eine Tat, worüber billig der ganze Flecken seufzet. Gleichwohl kanns nicht anders sein; wir müssen weiter reisen und bei den wohlbekannten Ruhestellen vorbei den Klepper lenken. »Nun, wohin? der Weg geht nicht nach Bajä oder Cumä«, wird dem widerspenst'gen mit dem linken Zügel der ungehaltne Reiter sagen; denn das Pferd hat seine Ohren im Gebiß. Um also, Freund, zurück zu meinen Fragen zu kommen, melde mir (denn deine Antwort wird meine Wahl entscheiden), wo von beiden besagten Orten sichs wohlfeiler lebt? Auch, ob sie Regenwasser trinken, oder lebend'ges Brunnenwasser? Nach dem Wein in dieser Gegend ist nicht Not zu fragen. Auf meinem Gute kann ich mich mit jedem behelfen: komm' ich aber an die Küste, da muß ich edle milde Weine haben, Wein, der den Spleen verjagt, mich, wie er durch die Adern rinnt, mit Mut und Hoffnung schwellt, und schwatzhaft mich und beim Lucanschen Mädchen | Clusinis,
Gabiosque petunt et frigida rura <10> Mutandus locus est; et diversoria nota praeteragendus equus. »Quo tendis? Non mihi Cumas est iter aut Baias«, laeva stomachosus habena dicet eques; sed equi frenato est auris in ore Maior utrum populum frumenti copia pascat? <15> collectosne bibant imbres puteosne perennes iugis aquae? Nam vina nihil moror illius orae. Rute meo possum quidvis perferre patique: ad mare cum veni generosum et lene requiro, quod curas abigat, quod cum spe divite manet <20> in venas animumque meum, quod verba ministret, quod me Lucanae iuvenem commendet amicae. | |
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zum Jüngling macht. Auch möcht' ich wissen, welche von beiden Gegenden mehr Hasen, welche mehr schwarzes Wildpret nährt, und wo die See an Fischen und an Austern reicher ist4)? Denn meine Absicht ist, hübsch glatt und als ein echter Phäazier von dort zurückzukommen. Zu Rom war ein gewisser Mänius, der, als er all sein Erbgut, mütterlichs und väterlichs, baldmöglichst durch die Kehle gejagt, für einen Mann von Witz und Laune und guten Tischfreund zu passieren anfing; ein Vagabund, der sich zu keiner eignen gewissen Krippe hielt, allein bei leerem Magen den Freund vom Feind nicht unterschied, und grimmig auf jeden losging, der gegessen hatte, die Scylla und Charybdis aller Fleischerbänke, was ihm in Wurf kam, stürzte, wie in einen grundlosen Strudel, stracks in seinen Bauch. Geschah's nun, daß er den gewöhnlichen Patronen solcher Vögelc) und den Furchtsamend) | Tractus
uter plures lepores, uter educet apros, utra magis pisces et echinos aequora celent, pinguis ut inde domum possim Phaeaxque reverti, <25> scribere te nobis, tibi nos accredere par est. Maenius, ut rebus maternis atque paternis fortiter absumptis, urbanus coepit haberi, scurra vagus, non qui certum praesepe teneret, impransus non qui civem dignosceret hoste, <30> quaelibet in quemvis opprobria fingere saevus, pernicies et tempestas barathrumque macelli, quicquid quaesierat ventri donabat avaro. | |
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nichts oder wenig abgejagt, so fraß er ganze Schüsseln voll Kaldaunen auf, und soviel altes Schaffleisch, daß drei Bären satt davon geworden wären; zog dabei, als wie ein zweiter Bestiuse), auf die Schlemmer los: man sollte, sprach er, allen solchen Buben ein glühend Eisen auf die Bäuche brennen! Doch eben dieser Mänius, wenn ihm irgend ein größrer Fisch einmal ins Garn gegangen und alles wieder flugs in Rauch und Asche verwandelt war »beim großen Herkules! mich nimmts nicht Wunder«, sprach er, »wenn ich Leute all ihr Vermögen essen seh; es geht doch in der Welt nichts über eine fette Drossel, nichts über einen guten Schwartenmagen!«5) So einer, lieber Vala, bin auch ich6). Gewöhnlich ist mein Wahlspruch: klein und sicher! und weil ich muß, so kann ich wie ein andrer bei Hausmannskost den Philosophen machen. | Hic ubi nequitiae fautoribus
et timidis nil aut paulum abstulerat, patinas cenabat omasi, <35> vilis et agninae, tribus ursis quod satis esset, scilicet ut ventres lamna candente nepotum diceret urendos corrector Bestius. Idem, si quid erat nactus praedae maioris, ubi omne verterat in fumum et cinerem, »non hercule! miror«, <40> aiebat, »si qui comedunt bona, cum sit obeso nil melius turdo, nil vulva pulchrius ampla.« Nimirum hic ego sum; nam tuta et parvola laudo, cum res deficiunt, satis inter vilia fortis: | |
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Doch stößt mir etwas Bessers auf, sogleich wird umgestimmt, und nun behaupt' ich laut, daß niemand weise sei und wohl zu leben verstehe, als ihr andern, deren wohl begründete fruchtbare Kapitale aus fetten Gütern uns entgegen glänzen. | verum ubi quid melius
contingit et unctius, idem <45> vos sapere et solos aio bene vivere, quorum conspicitur nitidis fundata pecunia villis. |
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Tu modo quam primum corruptas desere Baias! Multis ista dabunt litora discidium, litora quae fuerant castis inimica puellis. Ah! pereant Baiae, crimen amoris, aquae! |
| L. I. Eleg. XI. |
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Denn jede See ist nicht an edelm Schalfisch fruchtbar. Die schlechtste Muschel, im Lucrin genährt, ist besser als Bajansche Purpurschnecken. Am Kap der Circe gibts die schönsten Austern, die besten Wasser-Igel am Misenum, und stolz auf seine offnen Muscheln ist das weichliche Tarent |
wie der berühmte Professor der Küchen-Philosophie, Catius, in
Horazens vierter Satire des 2ten Buchs lehrt. Plinius sagt von der Küste des glückseligen
Campaniens: haec litora praeter cetera in toto mari conchylio et pisce nobili annotantur.
L. III. 5. Aber Horaz, der sich vorgesetzt hatte, diesen Winter durch ein recht
Phäazisches Leben zu führen, begnügte sich nicht an dem
allgemeinen guten Ruf dieser Gegenden; und weil er, außer der mehrern oder mindern Mildigkeit
des Klimas, keinen andern Grund hatte, sich für einen von den beiden in der Wahl stehenden
Orten zu bestimmen, als die Frage, wo man am besten esse? so erkundigt' er sich um so genauer nach
jedem Artikel des kulinarischen Teils ihrer Naturgeschichte.