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Wenn du, gelehrter Freund, dem alten Komiker Kratinus1) glaubst, so können keine Verse lange gefallen oder leben, die von Wassertrinkern geschrieben worden. In der Tat ist nicht zu leugnen, daß, seitdem der Gott der Reben das schwärmerische Dichtervolk den Satyrn und Faunen zugesellt2), der Musen süßer Atem wohl gar frühmorgens schon nach Weine riecht. Homerus pries den Rebensaft zu gerna), um nicht der Weinsucht sehr verdächtig sich gemacht zu haben. Selbst der Vater Ennius sprang nie, als wohlbezecht, hervor, die Taten der Helden Roms zu singen. »Allen Nüchternen weis' ich den Marktplatz nebst dem Puteal des Libons3) an, und allen Finsterlingen soll, kraft dies, die Dichterei zu Rechten nieder- gelegt sein!« Seit ich dies Edikt im Scherz | Prisco si credis, Maecenas docte, Cratino, nulla placere diu nec vivere carmina possunt, quae scribuntur aquae potoribus. Ut male sanos adscripsit Liber Satyris Faunisque poetas, <5> vina fere dulces oluerunt mane Camenae. Laudibus arguitur vini vinosus Homerus; Ennius ipse pater numquam nisi potus ad arma prosiluit dicenda. »Forum, putealque Libonis mandabo siccis, adimam cantare severis«: | |
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ergehen ließ4),
ermangelten die Herren vom Handwerk nicht, von früh bis in die Nacht und wieder an den Morgen, in die Wette zu trinken und nach schlechtem Wein zu duften. Gerad als wenn sich einer dünken ließe, es brauche nur ein trotziges Gesicht, und ungekämmt, in einem kurzen Rocke von grobem Tuche, barfuß übern Markt einherzusteigen, um die Tugend und die Sitte des Cato darzustellen. Aber was gewann der Maure Cordus, da er, seine große Redseligkeit zu zeigen, über Kraft Gewalt sich antat, dem bewunderten Timagenes im Deklamieren nach- zueifern? Nichts als einen Bruch5). An einem guten Muster werden immer, das Leichteste, die Fehler nachgeahmt. Verlör' ich ungefähr einmal die Farbe, ich wette gleich, sie tränken Kümmelwasser, um blaß zu werden. O du leidige Nachahmer-Schar, zum Tragen und zum Folgen gebornes Vieh! wie oft hat euer Lärmen und Jahnen bald zum Lachen mich und bald zur Ungeduld gereizt! Ich habe meinen Weg | <10> hoc simul edixi, non cessavere poetae nocturno certare mero, putere diurno. Quid, si quis vultu torvo ferus et pede nudo exiguaeque togae simulet textore Catonem, virtutemne repraesentet moresque Catonis? <15> Rupit Iarbitam Timagenis aemula lingua, dum studet urbanus tenditque disertus haberi. Decipit exemplar vitiis imitabile; quod si pallerem casu, biberent exangue cuminum. O imitatores, servum pecus, ut mihi saepe <20> bilem, saepe iocum vestri movere tumultus! | |
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durch einen Strich des Helikons, wo kein Lateiner mir voranging, selbst gebahnt, nicht meinen Fuß in andrer Tritt gesetzt. Wer sichs nur zutraut, führt den ganzen Schwarm. Ich bin der erste, der die Jamben des Archilochus nach Latium gebracht; ich habe seine Versart, seinen Geist, nicht Wort' und Sachen, eigen mir gemacht6); auch wirst du meines Efeukranzes mich darum nicht minder würdig halten, weil ich mich gescheut, an seinem Rhythmus etwas abzuändern. Denn auch die feuervolle Sappho, auch Alcäus borget ihm sein Klangmaß ab, wiewohl vermischt mit andern, und an Inhalt verschieden; denn er sucht sich keinen Schwiegervater, um ihn mit schwarzen Versen anzuschmitzen, noch knüpft er durch ein schmacherfülltes Lied den Strick, womit sich seine Braut erdroßle. | Libera per vacuum
posui vestigia princeps, non aliena meo pressi pede; qui sibi fidit dux, regit examen. Parios ego primus iambos ostendi Latio, numeros animosque secutus <25> Archilochi, non res et agentia verba Lycamben. Ac ne me foliis ideo brevioribus ornes, quod timui mutare modos et carminis artem: temperat Archilochi musam pede mascula Sappho, temperat Alcaeus, sed rebus et ordine dispar, <30> nec socerum quaerit, quem versibus oblinat atris, nec sponsae laqueum famoso carmine nectit. | |
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Der ist
esb), den ich (was in
unsrer Sprache von keinem noch versucht war), als der erste Latein'sche Liederdichter, unserm Volke bekannt gemacht; und warum sollt' ichs nicht gestehn? Mir schmeichelts, wenn ich meine Lieder, durch den Reiz der Neuheit wenigstens zu Rom empfohlen, mit Lust gelesen seh', und in den Händen von allen finde deren Beifall ehrt. Fragst du mich aber, wie es komme, daß der undankbare Leser meine Kleinigkeiten zu Hause liest und liebt, hingegen auswärts die Achseln kritisch zuckt, und höchstens schweigt? Nichts ist begreiflicher. Ich gebe mir nicht die geringste Müh, die hohlen Stimmen des Pöbels unsrer leichten Dichterlinge und windichten Entscheider zu erjagen; wiewohl sie mir ein Abendessen, oder ein abgetragner Rock erkaufen könntec). Liest einer unsrer angesehenen | Hunc ego, non alio dictum prius ore,
Latinus vulgavi fidicen; iuvat immemorata ferentem ingenuis oculisque legi manibusque teneri. <35> Scire velis, mea cur ingratus opuscula lector laudet ametque domi, premat extra limen iniquus? Non ego ventosae plebis suffragia venor impensis cenarum et tritae munere vestis; non ego nobilium scriptorum auditor et ultor <40> grammaticas ambire tribus et pulpita dignor; | |
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Schriftsteller irgendwo mit großem Pomp ein neues Werk7), so weiß ich nichts davon, und bin nicht da, um mitzuklatschen, oder mich zu seinem Herold und Verfechter gegen den Zoilus dienstfreundlich aufzuwerfen; bin weder Haupt noch Glied von keinem Club, und würdige unsrer hochgelahrten Meister der freien Künste keinen, mich zu seinem Stuhl zu drängen, oder seinen Beifall zu brigieren8). Dies ist der Schlüssel zum Geheimnisd)! Sag' ich dann zu einem dieses Schlags: ich schäme mich vor einem großen Auditorium mit meinen Kleinigkeiten zu erscheinen, als dächt' ich mehr Gewicht, als solche Dinge in meinen Augen haben, drauf zu legen: so zieht der Mann das Maul und spricht: »Der Herr beliebt zu scherzen, wie ich merk', und spart für Jovise) Ohren seine Sachen auf; er denkt, der Musen Honig fließe nur | hinc illae lacrymae! Spissis
indigna theatris scripta pudet recitare et nugis addere pondus, si dixi: »Rides«, ait, »et Iovis auribus ista servas: fidis enim manare poetica mella | |
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von seinem Mund, und ist sich selber schön genug, um unsers Beifalls zu entbehren.« Was ist zu tun? Ihm eine spitz'ge Antwort zu geben wag' ich nicht, und winde mich, um seine Nägel nicht noch mehr zu fühlen, mit der Entschuldigung von ihm los, der Ort mißfalle mir und bitt' um Galgenfristf). In einen Kampf auf Witz mit diesen Leuten sich einzulassen, ist nicht ratsam. Erst ists bloßes Spiel; allmählich wird man warm, die Galle steigt, der Scherz wird immer bittrer, zuletzt erbost man sich und hört mit Schlachten auf. | <45> te
solum, tibi pulcher.« Ad haec ego naribus uti formido, et luctantis acuto ne secer ungui displicet iste locus, clamo, et diludia posco. Ludus enim genuit trepidum certamen et iram, ira truces inimicitias et funebre bellum. |
Merkur. Und Kratinus, der Weise, was macht denn der?
Trygäus. Der ist beim Einfall der LakonenII) gar gestorben.
Merkur. Woran denn?
Trygäus. An Kummer; das Herz brach ihm,
Da er einen Krug voll Weins zerschlagen sah.
Übrigens ist mit den sämtlichen Werken dieses alten komischen Dichters (wovon nur unbedeutende Fragmente übrig sind) auch die Stelle, auf welche Horaz hier anspielt, verloren gegangen: doch hat sie sich in einem artigen Epigramm eines Unbekannten erhalten, welches ich aus dem Bentley abschreibe und, so gut ich kann, verdolmetsche.
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OinoV toi carienti pelei tacuV ippoV aoidv, udwr de pinwn xchston ouden an tekoiV. Taut' elegein, Dionuse, kei epneen ouc enoV askou KRATINOS, alla pantoV wdodwV piJou. Toigarti stejanwn domoV ebruen, eice de kittv metwpon, oia kai su kekrokwmenon. |
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Wein ist dem fröhlichen Sänger das wahre Flügelpferd, wer Wasser trinkt, wird nie was Gutes machen! So rief Kratin, o Bacchus, nicht duftend etwa nur von einem Schlauch, er roch ein ganzes Faß: Drum wimmelt von Kränzen sein Haus, und seine Stirn ist, deiner gleich, von Efeu gelb gefärbt. |
Die Mühe, welche Horaz sich in dieser ganzen Stelle gibt, sich gegen den Vorwurf der
Nachahmung zu verteidigen und seine
Originalität unter den Lateinischen Dichtern zu behaupten, ist
einiger Erläuterung wert. Horaz hatte, wie es scheint (und wie es nicht anders zu erwarten
war), eine Menge Nachahmer oder Nachäffer von der Art, die er serva pecora nennt, die
sich nicht begnügten, auch lyrische Gedichte zu machen, nachdem er
ihnen gewiesen hatte, wie sie es ohngefähr angreifen müßten: sondern die ihm sogar
den Inhalt seiner Oden, seine Wendungen und
seine Ausdrücke stahlen, kurz, wie die Krähe in der Fabel, sich
mit seinen Federn schmückten und dann in den Chor der Vögel mischten, und auch als
Sänger mitflogen. Diese Leute, scheint es, glaubten sich damit zu rechtfertigen, wenn sie
sagten: Horaz sei ja selbst nur ein Nachahmer der Griechen
nämlich; denn daß er der erste lyrische Dichter der Römer
war (wenigstens der erste, der eine Vergleichung mit den griechischen aushalten konnte), war
unleugbar. Um nun dem römischen Publiko, das sich so gut durch Worte täuschen ließ,
als jedes andre, im Vorbeigehen den Unterschied zwischen Nachahmung und Nachahmung zu zeigen, beruft
er sich darauf, daß er nicht mehr Nachahmer des Archilochus sei, als
Alcäus und Sappho auch; daß er die
Versarten des Griechen (numeros) und seinen Geist, sein Feuer (animosque) sich eigen
gemacht, aber nicht ihm die Sachen und Worte (non res et verba) abgestohlen und für sein
gegeben habe. Verehrer des Horaz hätten vielleicht Ursache zu wünschen, daß
er sich zu einer solchen Apologie gar nicht herabgelassen haben möchte. Jeder wahre
Künstler ahmt, in gewissem Sinne, seine Vorgänger nach; aber Virgil ist, ungeachtet alles
dessen, was er vom Homer geborgt oder nachgeahmt, noch immer ein großer, und selbst durch die
Art der Nachahmung, ein originaler Dichter. Ein Pfuscher ohne alles Talent
könnte ein höchst elendes Werk von 56 Gesängen, der
Erfindung und ganzen Ausführung nach, aus
seinem eignen schalen Kopf gezogen und keinen Menschen nachgeahmt haben, und würde dadurch doch
weiter nichts als ein originaler Pfuscher sein: hingegen könnte ein
großer Dichter nicht nur das Süjet, sondern, wenn ers für gut fände, den ganzen
Plan seines Werkes von einem andern nehmen, und durch die Art der
Ausführung ein neues und vortreffliches aus einem schlechten erschaffen. Das, was den
wahren Meister macht, ist nicht die Erfindung eines unerhörten Süjets, unerhörter
Sachen, Charaktere, Situationen u. s. f., sondern der lebendige Odem und Geist, den er
seinem Werk einzuatmen, und die Schönheit und Anmut, die er darüber auszugießen
vermag. Es ist mit den Dichtern hierin, wie mit den Malern und andern Künstlern. Alle
vortreffliche Maler im christlichen Europa haben Marienbilder und
heilige Familien gemalt: der Inhalt ist der nämliche, die Charaktere
sind die nämlichen, die Farben auf dem Palet sinds auch: gleichwohl hat jeder ebendenselben
Gegenstand auf eine ihm eigne Art behandelt; und so viele vortreffliche
Madonnen schon da sind, so wird sich doch gewiß kein künftiger
großer Maler dadurch abschrecken lassen, auch die seinige
hinzuzutun. Es ist aber, selbst für einen Horaz, so schwer,
von seinen eignen Arbeiten mit dem Publiko zu sprechen, und es ist so gewöhnlich, in solchen
Fällen zu wenig oder zu viel zu sagen: daß die beste Partie, die man gegen den
Zoilus nehmen kann, immer die ist, gar nichts zu sagen, und das Werk
für sich selbst und seinen Meister sprechen zu lassen. Ist es gut, so legt es ein Zeugnis ab,
welches, wo nicht von den Zeitgenossen, doch gewiß von der Nachwelt gehört, verstanden
und bestätigt werden wird.