| Obschon, Scäva, genug du für dich dir zu raten verstehest, Einsichtsvoll, wie man schicklich mit Größeren übe den Umgang; Lerne, was, selbst noch belehrbar, für ratsam achte das Freundlein. Sei's, daß der Blind' anzeige den Weg; doch schaue du, ob wohl | ||
| 5 | Wir auch ein Wort, das wert der Beherzigung scheine, dir
sagen.
Wenn behagliche Ruh und Schlaf bis zur Helle des Morgens | |
| 10 | Nicht hat übel gelebt, wer kam und ging
unbemerkbar. Wenn du das Glück willst bauen den Deinigen und dir auch selber Etwas gütlicher thun, dann, Nüchterner, nahe dem Satten.
»Wenn er an Kohl sich begnügte, so würde der Könige Umgang | |
| 15 | Ekel verschmähte den Kohl mein Tadeler.«
Welchem von beiden Wort du lobest und That, sag' an; sonst, Jüngerer, höre, Was für des Aristippus Gesinnung gebe den Ausschlag. Denn man erzählt, er entschlüpfte dem bissigen Cyniker also. »Ich hofschranze mir selber, dem Volk du: Besser fürwahr ist | |
| 20 | Dies und glänzender weit. Daß ein Roß
mich trag', und ein König Nähre, besorg' ich Dienst: du heischest dir ärmliche Brocken, Fröhnend dem Geber, wie stolz du dich hebst, als brauchtest du keinen.«
Wohl trug jegliche Farb' Aristippus, jegliches Glück auch, | |
| 25 | Doch wen in doppeltes Tuch einhüllt ausduldende
Weisheit, Wunder, wenn der auch trüge des Lebens Wechsel mit Anstand! Jener erharrt nicht lange die purpurschimmernde Kleidung; Frei in jeglicher Tracht durchwandelt er Menschengetümmel. Und wird beiderlei Roll' ein nicht Unfertiger spielen. | |
| 30 | Aber der andere flieht ein Gewand des milesischen
Webers Ärger wie Hund und wie Schlang'; er friert dir zu Tode, wo nicht du Wieder ihm reichst sein Tuch. Reich's hin und laß ihm die Narrheit.
Thaten vollziehn und Feind' im Triumph darstellen den Bürgern, | |
| 35 | Wert Vorragenden sein, ist auch nicht niedriges Lob
nur. Nicht ist jeglichem Manne die Reise vergönnt nach Korinthus. Still saß, welcher besorgt, ob ihm mißlänge die That. Gut. Aber wer ankam, übt' er beharrliche Männlichkeit? Nun denn, Dort ist, nirgend denn dort, was man sucht. Der meidet die Last scheu, | |
| 40 | Weil sie dem kleinlichen Mut und dem winzigen
Körper zu groß ist: Der tritt unter und trägt. Nur ein nichtiger Nam' ist die Tugend, Oder mit Recht siegpranget, wer mannhaft wagt und hinausführt.
Wer vor dem Schutzherrn schweigt von seiner Bedürftigkeit, wird mehr, | |
| 45 | Oder entraffst. Hier ist der Geheimnisse Born dir und
Urquell. »Mitgift fehlet der Schwester; das Mütterchen hilft sich genau durch; Weder veräußerlich ist mir das Gut, noch nähret es völlig.« Wer so redet, der schreit: »Gebt Brot!« Einstimmet der andre: »Mir auch schenket zum Trost vom geteilten Kuchen ein Stückchen!« | |
| 50 | Wenn doch der Rab' in der Stille sich sättigen
könnte, so hätt' er Mehr des Schmauses für sich, weit weniger Hader und Mißgunst. Wer nach Brundusium geht im Gefolg' und dem schönen Surrentum, Klagt er von holpriger Bahn, von bitterer Kälte, von Regen, Jammert er, daß man die Kist' ihm erbrach, sein Reisegepäck stahl; | |
| 55 | Auf nur frischt er die Ränke der Buhlerin, die um
des Kettleins, Um des Sandalienbandes Entwendungen weinet; daß endlich Gar kein Glaube für Schaden und wahre Bekümmernis nachbleibt. Einmal verlacht, wird keiner vom Weg' aufheben den Gauner, Brach ihm wirklich das Bein; ob noch so reichlich die Thrän' ihm | |
| 60 | Fließt, ob hoch er beschwört: »Beim
heiligen Namen Osiris! Glaubt doch, ich scherze ja nicht! Ihr Grausamen, hebet den Krüppel!« »Mache das Fremdlingen weiß!« schallt ringsum heiserer Zuruf. |