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Es ist ein eignes Laster aller Sänger, daß sie, ersucht, sich unter Freunden hören zu lassen, immer keine Stimme haben; hingegen wenn kein Mensch sie hören mag, des Singens gar nicht müde werden können. Tigell, der Sarder1), hatte diese Mucke. Wenn Cäsara), der ihn zwingen konnte, ihn bei seines Vatersb) Freundschaft und bei seiner eignen beschworen hätt', es half nichts! Kam hingegen die Fantasie ihn an, so ließ er euch sein Jo Bacchec)! von den Eiern an bis zu den Äpfelnd), ohne Maß noch Ziel durch alle Töne um die Ohren gellen. Nichts war sich selbst an diesem Menschen gleich: bald lief er auf der Straße wie vorm Feinde, bald ging er wie die Körbeträgerinnen2) | Omnibus hoc vitium est cantoribus, inter amicos ut numquam inducant animum cantare rogati, iniussi numquam desistant. Sardus habebat ille Tigellius hoc. Caesar, qui cogere posset, <5> si peteret per amicitiam patris atque suam, non quicquam proficeret: si collibuisset, ab ovo usque ad mala citaret »Io Bacche!« modo summa voce, modo hac resonat quae fidibus ima. Nil aequale homini fuit illi: saepe velut qui <10> currebat fugiens hostem, persaepe velut qui | |
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an Junons Feste. Heute wimmelte sein ganzes Haus von Sklaven, morgen ließ er sich an zehn begnügen: hatte bald den Mund voll Potentaten und Tetrarchen, da war ihm nichts zu groß; bald hieß es: »Laßt mir nur ein schlichtes Tischchen auf drei Füßen, mit einer Muschel reinen Salzes drauf, und einen Rock, so grob gewebt er sei, der mich vor Kälte schützt, was brauch ich mehr?« Nun, hättst du diesem mit so wenigem Zufriednen eine Million gegeben, in minder als sechs Tagen war davon kein Heller übrig. Wenn die ganze Welt sich schlafen legte, ward es Tag bei ihm; hingegen ging er, wie der Morgen graute, zu Bett', und schnarchte den ganzen langen Tag. Mehr mit sich selbst in Widerspruch war nie ein Mensch als dieser. Nun fragt jemand mich vielleicht: »Und du, der andrer spottet, hast du etwa keine Fehler?« Allerdings, nur andere und kleinere vielleicht. Als der bekannte Mänius3) einst von einem gewissen Novius hinter seinem Rücken | Iunonis sacra ferret; habebat saepe ducentos, saepe decem servos: modo reges atque tetrarchas, omnia magna loquens; modo: »Sit mihi mensa tripes et concha salis puri, et toga quae defendere frigus, <15> quamvis crassa, queat.« Decies centena dedisses huic parco paucis contento; quinque diebus nil erat in loculis. Noctes vigilabat ad ipsum mane, diem totum stertebat; nil fuit umquam sic impar sibi. Nunc aliquis dicat mihi: »Quid tu? <20> Nullane habes vitia?« Immo alia et fortasse minora. Maenius absentem Novium cum carperet: »Heus tu«, | |
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unglimpflich sprach, fiel jemand ihm ins Wort: »Und du, seit wenn bist du dir selbst so fremd geworden? Oder glaubst du uns als unbekannt was weis zu machen?« »O, das ist was anders«, versetzte Mänius, »mir nehm' ich nichts vor übel!« So eine unverschämte Art sich selbst zu lieben ist freilich ahndungswürdig. Wie? du hast für deine Fehler immer trübe Augen, und nur für andrer ihre siehst du schärfer als Falk' und Schlange? Nun, so rechne drauf, daß wir auch dir nichts übersehen werden. Was ists nun mehr, wenn einer deiner Freunde leicht über Kleinigkeiten aufbraust oder für die feinen Nasen dieser Herr'n zu schlicht ist, sein Haar zu bäurisch um die Ohren hängt, sein Rock nicht zierlich sitzt, sein Schuh nicht knapp genug am Fuße schließt? Er ist dafür ein Biedermann, so daß du einen bessern vergebens suchtest, ist dein Freund, und unter der plumpen Außenseite steckt ein großer Geist. Und endlich schüttle doch ein jeder nur sich selber aus; er wird wohl manchen Fehl | quidam ait, »ignoras
te? An ut ignotum dare nobis verba putas?« »Egomet mi ignosco«, Maenius inquit. Stultus et improbus hic amor est, dignusque notari! <25> Cum tua pervideas oculis mala lippus inunctis, cur in amicorum vitiis tam cernis acutum quam aut aquila aut serpens Epidaurius? At tibi contra evenit, inquirant vitia ut tua rursus et illi. Iracundior est paulo? minus aptus acutis <30> naribus horum hominum? rideri possit eo quod rusticius tonso toga defluit, et male laxus in pede calceus haeret? At est bonus, ut melior vir non alius quisquam, at tibi amicus; at ingenium ingens inculto latet hoc sub corpore. Denique te ipsum | |
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entdecken, den entweder die Natur ihm eingepflanzt hat, oder er sich selbst durch böse Angewohnheit zugezogen. Denn ungebautes Land wird, wenn die Flamme nicht dem Unkraut wehrt, gar bald von Heide strotzen. Der Punkt, auf den hier alles ankommt, ist: Wer wahrhaft liebt, hat keine Augen für die Mängel der Geliebten; oder wird er sie zuletzt gewahr, so wandelt sie der Liebe süßer Wahn in neue Reize, und ihn ergötzt, was andern Ekel macht, wie Hagnas Polypus den zärtlichen Balbin. Wie glücklich, wenn wir in der Freundschaft uns auf gleiche Weise täuschten, und die Tugend mit einem schönen Namen diesen Irrtum deckte! Wir sollten es hierin mit unsern Freunden, wie Väter es mit ihren Kindern, halten; der Knabe sei so schielend als er will, krummbeinig, höckricht, oder zwergiger als der unzeit'ge Sisyphus es war4), stets wird die Vaterlieb' ein mildernd Wort | <35> concute, num qua
tibi vitiorum inseverit olim natura, aut etiam consuetudo mala; namque neglectis urenda filix innascitur agris. Illuc praevertamur: amatorem quod amicae turpis decipiunt caecum vitia, aut etiam ipsa haec <40> delectant, veluti Balbinum polypus Hagnae, vellem in amicitia sic erraremus, et isti errori nomen virtus posuisset honestum. At pater ut gnati, sic nos debemus amici si quod sit vitium non fastidire: strabonem <45> appellat paetum pater; et pullum, male parvus si cui filius est, ut abortivus fuit olim | |
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für sein Gebrechen
finden5). Lebt dir
einer zu kärglich? nenn' ihn einen guten Wirt. Macht jener sich zu wichtig, drängt sich auf? nenn's Eifer, seinen Freunden sich gefällig zu zeigen. Ist der Mann, im Gegenteil, ein Polterer, und nimmt sich mehr heraus als Höflichkeit und guter Ton erlauben? heiß' es Geradheit, Stärke, Biedersinn! Ist er zu rasch, zu hitzig? zähle ihn den Feuergeistern zu. Dies, denk ich, ists, was Freunde knüpft und fest zusammenhält. Wir machens umgekehrt. Wir kehren selbst die Tugenden von unsern Freunden um, und suchen sie, gleich einem lauteren Gefäß, mit einem Lack zu überziehn, der, was hineingegossen wird, verfälscht. Gutherzig heißt uns schwach, bedächtlich stumpf. Ist einer, der in einer Lage lebt, wo Mißgunst und Verleumdung auf ihn lauern, stets wohl auf seiner Hut, damit er nie der Bosheit eine nackte Seite zeige, | Sisyphus; hunc varum distortis
cruribus; illum balbutit scaurum, parvis fultum male talis. Parcius hic vivit? frugi dicatur. Ineptus <50> et iactantior hic paulo est? concinnus amicis postulat ut videatur. At est truculentior atque plus aequo liber? simplex fortisque habeatur. Caldior est? acres inter numeretur. Opinor, haec res et iungit, iunctos et servat amicos. <55> At nos virtutes ipsas invertimus, atque sincerum cupimus vas incrustare. Probus quis nobiscum vivit? multum est demissus homo; illi tardo cognomen pingui damus. Hic fugit omnes insidias, nullique malo latus obdit apertum: | |
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und tut damit nichts mehr als jedem klugen, nicht unvorsicht'gen Manne ziemt) uns heißt er falsch und ränkevoll. Ein andrer, der seiner Bonhommie (was mir, Mäcenas, gern mit dir begegnet) falls er etwa dich bei einem Buche oder in Gedanken antrifft, ganz unbekümmert daß er dir vielleicht beschwerlich fallen könnte, mit dem ersten was in den Mund ihm kömmt, dich unterbricht: Dem, sagt man, fehlt's sogar an Menschensinn. So rasch sind wir, zu unserm eignen Schaden ein wenig billiges Gesetz zu geben! Denn wer von uns wird fehlerlos geboren? Der ist der Beste, den die kleinsten drücken. Es wäg' ein Freund, wie billig ist, mein Gutes an meine Fehler, und schlägt jenes vor, so neige seine Liebe sich dorthin. Gefällt es ihm auf diesen Fuß von mir geliebt zu sein, so werd' ich ihn auf gleicher Waage wägen. Verzeihe selbst, wenn du Verzeihung brauchst, | <60> (cum genus hoc
inter vitae versetur, ubi acris invidia atque vigent ubi crimina) pro bene sano ac non incauto, fictum astutumque vocamus. Simplicior quis, et est qualem me saepe libenter obtulerim tibi, Maecenas, ut forte legentem <65> aut tacitum impellat quovis sermone, molestus: communi sensu plane caret, inquimus. Eheu, quam temere in nosmet legem sancimus iniquam! Nam vitiis nemo sine nascitur: optimus ille est qui minimis urguetur. Amicus dulcis, ut aequum est, <70> cum mea compenset vitiis bona, pluribus hisce, (si modo plura mihi bona sunt) inclinet. Amari si volet hac lege, in trutina ponetur eadem. | |
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und soll ich deinen Höcker übersehen, so halte meine Warzen mir zugut. Wofern uns aber nebst den übrigen Gebrechen unsres albernen Geschlechts der Zorn nicht gänzlich ausgeschnitten werden kann: warum bedienet die Vernunft dabei sich ihres Maßes, ihrer Waage nicht, und ahndet jegliches Vergehen nur so viel die Sache wert ist, und nicht mehr? Wenn jemand seinen Knecht, der aus der Schüssel, die abzutragen ihm befohlen war, die halbgegeßnen Fische samt der lauen Brühe verschlungen hätte, gleich dafür ans Kreuz zu schlagen befähle, würde wer bei Sinnen ist ihn nicht wahnsinniger als Labeo nennen6)? Und doch, wie viel wahnsinniger, einen Freund, weil ers in einer Kleinigkeit versah, die nur ein Mensch, mit dem gar nicht zu leben ist, ihm nicht verzeihen konnte, gleich dafür zu hassen und zu fliehen7), wie den Ruso | Qui ne tuberibus propriis offendat amicum postulat, ignoscet verrucis ipsius. Aequum est <75> peccatis veniam poscentem reddere rursus. Denique, quatenus excidi penitus vitium irae cetera item nequeunt stultis haerentia: cur non ponderibus modulisque suis ratio utitur, ac res ut quaeque est, ita suppliciis delicta coercet? <80> Si quis eum servum, patinam qui tollere iussus semesos pisces tepidumque ligurrierit ius, in cruce suffigat, Labeone insanior inter sanos dicatur. Quanto hoc furiosius atque maius peccatum est paulum deliquit amicus <85> quod nisi concedas habeare insuavis, acerbus odisti et fugis ut Rusonem debitor aeris; | |
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sein Schuldner flieht; der, wenn die traurigen Kalenden gekommen sind, entweder Hauptgut oder Intressen (komm' es nun woher es wolle) herbeizuquälen, oder seinen Hals wie ein Gefangener den bitterbösen Geschichten, die er vorliest, darzurecken genötigt ist8). Ein Freund hat trunknerweise was Menschliches begangen, hat vielleicht ein Näpfchen, von Euanders Hand gedreht9), vom Tisch herabgestoßen: soll er mir deswegen, oder weil er etwa hungernd ein Hühnchen aus der Schüssel sich gelangt das mir vorüberlag soll er darum mir minder lieb sein? Nun, was könnt' ich tun, wenn er gestohlen oder vor Gericht mir seine Handschrift abgeleugnet hätte? Die Herren, die an Gleichheit aller Sünden Belieben tragen, finden, wenn's um Wahrheit gilt, viel Schwierigkeit: Gefühl und Sitten stehn entgegen; ja selbst das Nützliche, das als die Mutter von Recht und Billigkeit gewissermaßen betrachtet werden kann10). Als aus dem neu- | qui, nisi cum tristes misero venere Calendae mercedem aut nummos unde unde extricat, amaras porrecto iugulo historias, captivus ut, audit. <90> Comminxit lectum potus, mensave catillum Euandri manibus tritum deiecit; ob hanc rem, aut positum ante mea quia pullum in parte catini sustulit esuriens, minus hoc iucundus amicus sit mihi? Quid faciam, si furtum feccrit? aut si <95> prodiderit commissa fide? sponsumve negarit? Queis paria esse fere placuit peccata, laborant, cum ventum ad verum est: sensus, moresque repugnant, atque ipsa utilitas, iusti prope mater et aequi. | |
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erwärmten Erdenschlamm die ersten Menschentiere, ein stummes ungestaltes Vieh, hervor gekrochen kamen11), kämpften sie um Eichelmast und um ein Lager erst mit Faust und Klauen, mit Knitteln dann, hernach mit andern Waffen, womit Gebrauch und Kunstfleiß sie versah: bis sie zuletzt, statt wilder Töne, Worte, und zu Bezeichnung dessen was sie fühlten die Sprach' erfanden. Nun begannen sie vom Kriegen abzulassen, und in friedlicher Gemeinschaft Städte zu befesten, und Gesetze zu geben, die dem Diebstahl und dem Ehbruch wehrten. Denn lange vor Helenen war ein Weibchen der Gegenstand und Zunder wilder Fehden; (nur daß, sie zu besingen, kein Homer sich damals fand.) Sie fielen namenlos, die, wenn (nach andrer wilden Tiere Art) erhitzte Brunst sie wiehernd auf die erste die beste Sie, die ihnen aufstieß, sprengte, der Stärkere, gleich dem Stier in einer Herde, zu Boden stieß. Zieht die Annalen nur | Cum prorepserunt primis
animalia terris, <100> mutum et turpe pecus, glandem atque cubilia propter unguibus et pugnis, dein fustibus, atque ita porro pugnabant armis, quae post fabricaverat usus; donec verba, quibus voces sensusque notarent, nominaque invenere. Dehinc absistere bello, <105> oppida coeperunt munire, et ponere leges, ne quis fur esset neu latro neu quis adulter. Nam fuit ante Helenam cunnus taeterrima belli causa: sed ignotis perierunt mortibus illi, quos, Venerem incertam rapientes more ferarum, <110> viribus editior caedebat, ut in grege taurus. | |
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der ersten Welt zu Rat, ihr werdet mir gestehen müssen, daß die Furcht vor Unrecht das Recht erfand. Wenn also die Natur allein uns nicht, so wie was gut und böse, was zu meiden, was zu begehren ist, so auch in jedem Falle das Recht vom Unrecht unterscheiden lehrt; und die subtilste Dialektik nie uns überzeugen wird, daß einen Kohlstrunk in eines andern Garten abzubrechen und einen Tempel nächtlich auszurauben gleich große Sünden sind: so braucht es doch wohl einer Vorschrift, die auf jede Sünde nach Billigkeit gemeßne Strafen setze; damit du den mit Geißeln nicht zerfleischest, der kaum der mildern Peitsche würdig war. Denn daß du je die Rute statt des Beils ergreifest, ist von dir nicht zu besorgen, du, welcher Dieberei und Straßenmord in eine Reihe stellst, und groß und klein mit gleicher Sense niederhiebest, wenn die Menschen dich regieren lassen wollten. | Iura inventa metu iniusti
fateare necesse est, tempora si fastosque velis evolvere mundi. Nec natura potest iusto secernere iniquum, dividit ut bona diversis, fugienda petendis: <115> nec vincet ratio hoc, tantundem ut peccet idemque, qui teneros caules alieni fregerit horti et qui nocturnus divum sacra legerit. Adsit regula, peccatis quae poenas irroget aequas: ne scutica dignum, horribili sectere flagello. <120> Nam ut ferula caedas meritum maiora subire verbera, non vereor, cum dicas esse pares res furta latrociniis, et magnis parva mineris | |
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Wiewohl, was brauchtest du zu wünschen was du hast? Denn, wenn der Weise, als ein solcher, reich, ein guter Schuster, und alleine schön ist, warum nicht auch ein König? »Wie ich sehe (erwidert er) verstehst du schlecht was Vater12) Chrysippus sagt: wenn gleich der Weise nie sich Stiefeln machte, noch die Schuhe sich besohlte, ist der Weise doch ein Schuster.« Wie so? »Gerade wie Hermogenese) auch wenn er schweigt ein großer Sänger ist, und wie der pfiffige Alfen13), nach weg- geworfnem Bartzeug und geschloßner Bude doch Barbier war: eben so ist auch allein der Weise Meister jeder Kunst, mithin auch König.« O gewiß! nur Schade, daß die Gassenjungen nichts von deinem Rechte zu wissen scheinen, wenn sie, ohne Scheu, auf offner Straße dich beim Barte zupfen, und, wie du auch dich sträubst und um dich bellstf), | falce
recisurum simili te, si tibi regnum permittant homines. Si dives qui sapiens est, <125> et sutor bonus et solus formosus, et est rex, cur optas quod habes? »Non nosti, quid pater (inquit) Chrysippus dicat: Sapiens crepidas sibi numquam nec soleas fecit, sutor tamen est sapiens.« Quo? »Ut quamvis tacet Hermogenes, cantor tamen atque <130> optimus est modulator: ut Alfenus vafer, omni abiecto instrumento artis clausaque taberna, tonsor erat: sapiens operis sic optimus omnis est opifex solus, sic rex.« Vellunt tibi barbam lascivi pueri; quos tu nisi fuste coerces, | |
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dich so zusammendrücken, daß du bersten möchtest, und ihrer los zu werden, deine Majestät den Knotenstock zuletzt erheben muß. Doch, laß uns enden. Du, Herr König, ohne Hof, und von dem Plaudermatz Crispin14) allein begleitet, geh und laß im nächsten Bade dich um einen Quadransg) scheuern: ich will unterdessen so oft ich was aus Torheit fehle, wie bisher, auf meiner Freunde Nachsicht rechnen, wie auch sie hinwieder auf die meine zählen können; und hoffe besser mich als ein gemeiner Mann dabei zu stehn, wie du bei deinem Königreiche. | <135>
urgueris turba circum te stante, miserque rumperis, et latras, magnorum maxime regum. Ne longum faciam, dum tu quadrante lavatum rex ibis, neque te quisquam stipator, ineptum praeter Crispinum sectabitur: et mihi dulces <140> ignoscent, si quid peccaro stultus, amici, inque vicem illorum patiar delicta libenter, privatusque magis vivam te rege beatus. |
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Si quis forte mihi posset praestare locanti, audi quem puerum, Flave, locare velim. Niliacis primum puer hic nascetur in oris: Nequitias tellus scit dare nulla magis. |
Ich mußte diese historische Notiz, welche alles enthält was wir von der Lebensgeschichte dieses berühmten Rechtsgelehrten wissen, vorausschicken, um die Leser in den Stand zu setzen, die Frage: ob wohl der Labeo, von welchem Horaz hier als einem notorischen Tollhäusler spricht, und dieser M. Antistius Labeo eine und eben dieselbe Person sein könne? auf einen Blick zu entscheiden.
Der alte Scholiast, (dessen geringes Ansehen schon mehrmal bemerkt worden ist) sagt ganz dreiste
ja, und versichert: »weil M. Antistius Labeo, gewesener
Prätor, und ICtus, der Freiheit, worin er geboren war, eingedenk, sich (wie man sage)
ziemlich viel gegen den August in Worten und Werken herausgenommen; so habe ihn Horaz,
um Augusten seine Cour dadurch zu machen, wahnsinnig genannt.«
Unzählige gelehrte Männer, und unter diesen alle Kommentatoren des Horaz, und beinahe alle
Biographen der alten römischen Rechtsgelehrten, haben dies dem unbekannten Notenschmierer ohne
mindestes Bedenken nachgesagt; und der Verfasser der Mémoires de la Cour
d'AugusteVII)
macht unserm Dichter »eine so niederträchtige Schmeichelei oder Gefälligkeit gegen
den Usurpator« zu einem desto größern Verbrechen, da er selbst so gut wie
Labeo ehmals für die gute Sache gefochten habe. Der gelehrte und
scharfsinnige Bentley ist, meines Wissens, der einzige unter den
Kommentatoren, dem es auffiel, daß Horaz auf das bloße Wort eines elenden Scholiasten
einer so niedrigen Handlung beschuldiget werden sollte, und dem es unerträglich war, diese
Verleumdung auf ihm ersitzen zu lassen. Er wendet alles an, um zu zeigen, daß es moralisch
unmöglich sei, daß unser Dichter, auch nur als ein Mann von Welt und Lebensart,
fähig gewesen sein sollte, die Achtung, die er einer Person von Labeons Geburt, Würde,
Ansehen und Verdiensten schuldig war, so gröblich aus den Augen zu setzen. Es wäre, meint
er, nicht nur unedel, sondern selbst unpolitisch gewesen, dem August auf eine so schändliche
Art den Hof machen zu wollen: kurz, Horaz müßte selbst toller als
toll gewesen sein, um eine Person von solchem Charakter und Ansehen einen Tollkopf zu
schelten. Und warum? Um dem August zu schmeicheln, der sich doch durch die edle und keinesweges
unanständige Freiheit, welche Labeo sich zuweilen gegen ihn erlaubte, so wenig beleidigt fand,
daß er ihm vielmehr die Prätur, das Prokonsulat des Narbonensischen
GalliensVIII) und
eine Stelle unter den dreißig Senatoren, denen er die Besetzung des Senats auftrug, als eben
so viele Beweise seiner Achtung und seines Vertrauens erteilte. Mich dünkt, man
müßte ganz außerordentlich an der schlimmen Reputation hangen, die unserm Dichter
von seinen naseweisen Scholiasten und von Gelehrten, deren einer immer der Nachhall eines andern
ist, gemacht worden, um über diesen Punkt nicht Bentleys Meinung zu sein. Indessen gestehe ich,
daß ich noch einen von ihm nicht berührten Grund habe, warum ich überzeugt bin,
daß der tolle Labeo des Horaz nicht der ICtus
M. Antistius Labeo sein kann: und dieser ist, daß dieser weder
ein Vir Prätorius, noch einer von den
dreißig Wählern des neuen reformierten Senats vom
Jahre 735, noch ein in hohem Ansehen stehender und verdienstvoller Mann, sondern noch ein sehr
junger Mensch war, als Horaz diese Satire schrieb. Wir wissen zwar weder das eigentliche Jahr, wann
er geboren wurde, noch wann er gestorben ist. Aber als sein Vater bei Philippi umkam, hatte er noch
nicht einmal das Alter, worin ein junger Römer die ersten Kriegsdienste tat; oder wer
könnte glauben, daß er seinen Vater, der unter den Häuptern der republikanischen
Partei war, bei einer solchen Gelegenheit nicht begleitet haben würde? Daß er dies aber
nicht getan habe, ist aus dem Stillschweigen des Dion, bei der umständlichen Beschreibung, die
er von dem Tode Labeons, des Vaters, macht, mehr als nur wahrscheinlich. Das Alter, das ich
unserm Labeo gebe, bestätigt sich auch aus dem Umstande, daß
vor dem Jahre 735 gar keine Erwähnung von ihm geschieht. Wahrscheinlicherweise war er mit
seinem Rival Capito ungefähr von gleichem Alter;
Capito aber, wiewohl er beim August ganz vorzüglich in Gnaden stund,
gelangte erst im Jahre 758 zur konsularischen Würde, und lebte bis ins Jahr 774. Man
kann also sicher annehmen, daß die glänzende Periode dieser beiden Männer in die
dreißig letzten Regierungsjahre des Augustus fällt; und daß Labeo, wenn er auch bei
seiner Ernennung zu einem von den Wählern des neuen Senats bereits 40 Jahre gehabt
hätte, doch nicht viel eher als um das Jahr 696 geboren sein konnte, und also zur Zeit, da
Horaz diese Satire schrieb (d. i. um das Jahr 715 oder 16) noch viel zu jung war, um
unter den damaligen Umständen, und nach der gänzlichen Unterdrückung der Partei,
für welche sein Vater gestorben war, den Titel eines Tollkopfes durch sein öffentliches
Betragen im Staate zu verdienen. Daß er ihn aber durch andere Jugend-Ausschweifungen verdient
haben könnte, ist mit dem Charakter, den er in der Folge behauptete, eben so
unverträglich, als mit Horazens Denkart, einen noch unbedeutenden jungen Mann bloß
deswegen öffentlich zu beschimpfen, weil er vielleicht der Sache des Octavius Cäsar, die
ihm das Leben seines Vaters kostete, weniger günstig war. Nimmt man nun alles dieses zusammen,
so ist, deucht mich, wahrscheinlich genug, daß die Note des alten Scholiasten keine
Aufmerksamkeit verdiene, und daß der tolle Labeo, von welchem Horaz
spricht, irgend einer von den andern Labeonen gewesen sein müsse, deren es damals eine Menge
gab. Denn Labeo war ein Beiname sehr vieler römischen Familien, die einander nichts angingen;
und außer der Familie Antistia, von welcher ein jüngerer Zweig
sich durch diesen Beinamen (Labeo) von den Antistiis Veteribus unterschied,
finden sich Ateii oder Atinii, Asconii, Cethegi, Cornelii,
Fabii, Pomponii und Segutii, welche alle den Beinamen
Labeo führten. Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Labeo, von
welchem hier die Rede ist, physisch toll, oder toll zum Anbinden; und es
war ohnezweifel eine so notorische Sache, daß Horaz sogleich einem jeden verständlich
war, indem er sagt: Wenn einer seinen Sklaven, wegen einer solchen Kleinigkeit, ans Kreuz schlagen
ließe, würden ihn alle Leute, die bei ihren Sinnen sind, für toller als den Labeo,
d. i. für einen Unsinnigen, der ins Tollhaus gehört,
halten. Wäre dieser Labeo nur ein moralischer Narr gewesen, so
könnte, deucht mich, nichts frostiger sein als dies Labeone insanior, da von einer
Handlung die Rede ist, deren man keinen seiner Sinne mächtigen Menschen fähig halten kann.