Jüngst, da ich, wie mein Brauch ist, auf der heiligen
Straße1) spazieren ging, und irgend eine Kleinigkeit im Kopf herumtrieb, ganz darin vertieft, begegnet mir ein Quidam, den ich bloß von Namen kenne, nimmt mich bei der Hand und spricht: »Wie gehts, mein Bester?«2) »Leidlich gut, so wie es geht; zu dienen.« Da ich ihn zur Seite schlendern sehe, frag' ich: »Willst du noch weiter was von mir?« »Du wirst« (erwidert er) »Mich kennen lernen, ich bin ein Gelehrter.« »Desto höher steigt dein Wert bei mir«, ist meine Antwort. Unruhvoll versuch' ich von ihm los zu kommen; laufe behender, bleibe wieder stehen, flüstre dem Diener was ins Ohr, indes der Angstschweiß mir bis auf die Fersen rinnt. »O glücklicher Bollan! Wer deine Tollheit hätte!«3) murml' ich bei mir selbst, da jener, was ihm vor den Mund kam, plapperte, | Ibam forte
via sacra, sicut meus est mos, nescio quid meditans nugarum, totus in illis: occurrit quidam notus mihi nomine tantum, arreptaque manu, »quid agis, dulcissime rerum?« <5> »Suaviter ut nunc est«, inquam, »et cupio omnia quae vis.« Cum assectaretur, »numquid vis?« occupo. At ille, »noris nos«, inquit, »docti sumus.« Hic ego, »pluris hoc«, inquam, »mihi eris.« Misere discedere quaerens ire modo ocius, interdum consistere, in aurem <10> dicere nescio quid puero; cum sudor ad imos manaret talos, »o te, Bollane, cerebri felicem!« aiebam tacitus, cum quidlibet ille | |
und endlich gar aus Not die Straßen und die Stadt zu loben anfing. Wie nun keine Antwort erfolgen wollte, fuhr er fort: »Ich merke schon lange, daß du für dein Leben gern entwischen möchtest: aber daraus wird nun nichts4), ich halte fest. Wohin gedenkst du dann vorerst?« »Es ist nicht nötig dich so umzutreiben; ich gehe jemand zu besuchen, den du schwerlich kennst, er wohnt jenseits der Tiber, bei Cäsars Gärten.«5) »Schön! Ich habe nichts zu tun, und träge bin ich auch nicht; ich begleite dich.« Wer wie ein übellaunig Müllertierchen, dem ein zu schwerer Sack den Rücken drückt, die Ohren sinken ließ, war ich. »Ich müßte nur« (fing jener wieder an), »mich selbst nicht kennen, oder ich bin dein Mann so gut als Varius und Viscus6). Denn wer macht schneller Verse und in größrer Menge als ich? Wer tanzt mit mehr Geschmeidigkeit? Und eine Lunge hab' ich dir zum Singen, die ein Hermogenes beneiden möchte!«7) Hier fand ich endlich Raum, ihm beizukommen. | garriret, vicos, urbem
laudaret. Ut illi nil respondebam, »misere cupis«, inquit, »abire; <15> iamdudum video, sed nil agis, usque tenebo, persequar. Hinc quo nunc iter est tibi?« »Nil opus est te circumagi, quendam volo visere non tibi notum; trans Tiberim longe cubat is, prope Caesaris hortos.« »Nil habeo quid agam et non sum piger, usque sequar te.« <20> Demitto auriculas ut iniquae mentis asellus, cum gravius dorso subiit onus. Incipit ille: »Si bene me novi, non Viscum pluris amicum, non Varium facies: nam quis me scribere plures aut citius possit versus? Quis membra movere <25> mollius? Invideat quod et Hermogenes ego canto.« | |
»Ist deine Mutter noch am Leben? Hast du Anverwandte, denen viel an dir gelegen ist?« »Nicht eine Seele mehr! Hab' alle beigesetzt!«8) »Die Glücklichen! nun ist an mir die Reihe! Nur geschwinde! Laß mich nicht zu lange leiden! Denn das Los geht in Erfüllung, das die alte Marsische Wahrsagerin für mich in meiner Kindheit aus ihrem Topfe zog9). Den Knaben, sprach sie, rafft nicht Feindes Schwert, nicht Gift noch Seitenstich, nicht Schwindsucht weg, noch träges Zipperlein; ein Schwätzer wird dereinst den Rest ihm geben; vor Schwätzern, wenn er klug ist, hüt' er sich, sobald er in die Jünglingsjahre tritt!« Wir hatten Vestaa) nun erreicht; ein Viertel vom Tage war verflossen, und es fügte sich, daß mein Gefährt' in Bürgschaftssachen gleich vor Amt erscheinen sollte, oder den Prozeß verloren hatte. »Willst du«, sprach er, »nicht | Interpellandi locus hic erat: »Est tibi mater, cognati, queis te salvo est opus?« »Haud mihi quisquam, omnes composui.« »Felices! Nunc ego resto. Confice! Namque instat fatum mihi triste, Sabella <30> quod puero cecinit divina mota anus urna: Hunc neque dira venena, nec hosticus auferet ensis, nec laterum dolor aut tussis, nec tarda podagra: Garrulus hunc quando consumet cumque; loquaces, si sapiat, vitet, simulatque adoleverit aetas« <35> Ventum erat ad Vestae, quarta iam parte diei praeterita; et, casu, tunc respondere vadato debebat, quod ni fecisset, perdere litem. | |
zur Freundschaft mit mir gehn und Beistand sein? Es ist in einem Augenblick vorbei.« »Ich bin des Todes wenn ich stehen kann, noch mich aufs bürgerliche Recht verstehe! Zudem so eil' ich über Hals und Kopf wohin du weißt.« »Was soll ich tun?« spricht jener, »dich fahren lassen, oder den Prozeß?« »O, mich, ich bitte sehr!« »Nein«, spricht er, »in der Tat, ich tu' es nicht«, und geht voran. Ich armer ergebe (weil mit einem Stärkern nicht zu hadern ist) mich in Geduld, und folge. »Wie steht Mäcen mit dir?« beginnt er wieder10). »Er ist nun just kein Mann für einen jeden, ein sehr gesunder Kopf; noch niemand wußte ein großes Glück so gut wie er zu tragen.« »Du solltest einen tücht'gen Nebenmann zur zweiten Rolle bei ihm haben, wenn du meine Wenigkeit empfehlen wolltest. Mich soll das Wetter! wenn du nicht in kurzem die andern alle ausgestochen hättest!«11) »Da irrst du dich; wir leben nicht auf solchen Fuß | »Si
me amas«, inquit, »paulum hic ades.« »Inteream, si aut valeo stare, aut novi civilia iura! <40> et propero quo scis.« »Dubius sum quid faciam,« inquit, »tene relinquam an rem.« »Me, sodes!« »Non faciam«, ille et praecedere coepit. Ego, ut contendere durum est cum victore, sequor. »Maecenas quomodo tecum?« hinc repetit. »Paucorum hominum et mentis bene sanae; <45> nemo dexterius fortuna est usus.« »Haberes magnum adiutorem, posset qui ferre secundas, hunc hominem velles si tradere; dispeream, nicht summosses omnes.« »Non isto vivimus illic | |
in diesem Hause; keines in der Stadt ist reiner von dergleichen Unrat. Nie gereicht es mir zum Nachteil, daß ein andrer reicher oder gelehrter ist als ich; ein jeder steht auf seinem eignen Platze.« »Was du sagst! Es ist kaum glaublich!« »Und doch ist es so.« »Du machst mich desto ungeduldiger recht nah an ihn zu kommen.«12) »O! du darfst nur wollen; ein Talent wie deines wird unfehlbar ihn erobern, und er ist ein Mann der sich erobern läßt, doch just deswegen hälts mit dem ersten Zutritt etwas schwer.« »Was das betrifft, da soll's an mir nicht fehlen; ich weiß die Schliche; will den Pförtner und die Kammerdiener schon auf meine Seite kriegen; nicht, wenn ich abgewiesen werde, gleich den Mut verlieren; die gelegnen Zeiten belauren; will in allen Straßen ihm entgegen kommen, ihn nach Haus begleiten! Den Sterblichen wird ohne große Mühe nichts in der Welt zu Teil.« Indem der Kerl so schnattert, siehe, da begegnet uns | quo tu rere modo; domus hac nec
purior ulla est, <50> nec magis his aliena malis: nil mi officit umquam ditior hic aut est quia doctior; est locus uni- cuique suus.« »Magnum narras, vix credibile.« »Atqui sic habet.« »Accendis, quare cupiam magis illi proximus esse.« »Velis tantummodo, quae tua virtus, <55> expugnabis, et est qui vinci possit; eoque difficiles aditus primos habet.« »Haud mihi dero; muneribus servos corrumpam; non, hodie si exclusus fuero, desistam; tempora quaeram; occurram in triviis, deducam. Nil sine magno <60> vita labore dedit mortalibus.« Haec dum agit, ecce | |
Fuscus
Aristius13),
der liebsten einer von meinen Freunden, und der jenen trefflich kannte. Wir bleiben stehn. Woher? wohin? ist beiderseits die erste Frag' und Antwort. Ich beginne den Mann zu zupfen, zieh' ihn was ich kann beim boshaft zähen Arme, wink' und drehe mir beinah die Augen aus dem Kopfe, daß er mich erlösen soll. Umsonst, der lose Vogel lächelt und tut als merk' er nichts. Mich fängt die Galle zu brennen an »Du hattest ja ich weiß nicht was Geheimes mir zu sagen?« »Ich erinnre michs ganz wohl, es soll ein andermal geschehn; heut geht's nicht an; es ist ein Neumonds-Sabbat14); du wirst doch, um das bißchen Haut zu wenig, die guten Juden nicht so schmählich halten und ihren Sabbat schänden wollen?« »O darüber mach' ich mir keinen Skrupel!« »Aber ich! In solchen Dingen bin ich etwas schwach, vom großen Haufen einer; um Verzeihung! ein andermal!« Damit entwischt der Schalk, und läßt mich unterm Messer. Daß die Sonne heute | Fuscus Aristius occurrit, mihi carus et illum qui pulchre nosset. Consistimus. Unde venis? et quo tendis? rogat, et respondet. Vellere coepi et prensare manu lentissima bracchia, nutans, <65> distorquens oculos, ut me eriperet: male salsus ridens dissimulare; meum iecur urere bilis. »Certe nescio quid secreto velle loqui te aiebas mecum?« »Memini bene; sed meliori tempore dicam; hodie tricesima sabbata: vin tu <70> curtis Iudaeis oppedere?« »Nulla mihi«, inquam, »relligio est.« »At mi! sum paulo infirmior, unus multorum; ignosces, alias loquar.« Hunccine solem | |
so schwarz mir aufgegangen sein soll! Doch, zum Glück, begegnet meinem Mann sein Widerpart. »Wohin, du Schurke«, schreit er laut ihn an, und gleich an mich sich wendend: »Darf ich dich zum Zeugen nehmen?« Denkt wie hurtig ich das Ohr ihm hinbot15)! Kurz, er schleppt ihn vor Gericht; auf beiden Teilen viel Geschrei, von allen Seiten Zusammenlauf. So rettete Apollo mich16). | tam
nigrum surrexe mihi! Fugit improbus ac me sub cultro linquit. Casu venit obvius illi <75> adversarius, et »quo tu, turpissime?« magna inclamat voce, et »licet antestari?« Ego vero oppono auriculam. Rapit in ius; clamor utrimque, undique concursus. Sic me servavit Apollo! |
ton d' exhrpaxen 'Apollwn. |
Iliad. XX. 443. |
oder (wie Cruquius meint) auf die Bildsäule des Apollo, die im Foro Augusti stand; und
warum nicht auf beides?