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Horaz
Trebaz | ||
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Horaz Es gibt Personen, denen ich zu scharf im Tadeln, und die Rechte der Satire weit über das Gesetz zu dehnen scheine: hingegen andre finden alles, was ich noch geschrieben, nervenlos, und meinen, solcher Verse wie diese könne man in einem Tag ein ganzes Tausend spinnen. Rate mir, Trebaz, was soll ich machen? Trebaz Ruhig sein. Hor. Gar keine Verse machen, meinst du? Tr. Allerdings. Hor. Ich will gehangen sein, wofern das nicht das beste wär'; allein, ich kann nicht schlafen. Tr. Wem fester Schlaf gebricht, dem fügen wir zu wissen, daß er, wohl mit Öl gesalbt, die Tiber dreimal durchzuschwimmen und die Kehle vor Schlafengehn mit altem Weine reichlich zu waschen habe1)! Oder, wenn dich ja die Schreibesucht so übel plagt, so wag' es | HOR. Sunt, quibus in satura videar nimis acer, et ultra legem tendere opus; sine nervis altera quicquid composui pars esse putat, similesque meorum mille die versus deduci posse. Trebati, <5> quid faciam praescribe. TREB. Quiescas. HOR. Ne faciam, inquis, omnino versus. TR. Aio. HOR. Peream male, si non optimum erat: verum nequeo dormire. TR. Ter, uncti, transnanto Tiberim, somno quibus est opus alto, irriguumque mero sub noctem corpus habento! <10> Aut si tantus amor scribendi te rapit, aude | |
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die Taten des unüberwundnen Cäsars zu singen; eine Mühe, die gewiß sich wohl belohnen würde. Hor. Gar zu gern, o Hochachtbarer, folgt' ich diesem Rate, nur sind die Kräfte nicht dem Willen gleich2). Denn Heere die von Speeren starren, oder den Gallier, mit abgebrochnem Pfeil im Busen in die Erde beißend, oder den Parther der vom Pferde sterbend sinkt, zu schildern, ist nicht eines jeden Sache. Tr. So konntest du, zum mindsten, wie der weise Lucilius dem Scipiadena) tat, in ihm den Großen und Gerechten singen. Hor. Ich will es bei Gelegenheit an mir nicht fehlen lassen. Denn der Augenblick muß wohl gewählt sein, wo Horazens Verse den Weg zu Cäsars Ohren offen finden sollen, der, wenn er ungeschickt gestreichelt wird, mit einem tüchtgen Schlage fühlen läßt, wie sicher er von allen Seiten ist3). Treb. Um wie viel klüger wär' es, als in leid'gen Versen | Caesaris invicti res dicere, multa laborum praemia laturus. HOR. Cupidum, pater optime, vires deficiunt; neque enim quivis horrentia pilis agmina, nec fracta pereuntes cuspide Gallos, <15> aut labentis equo describat vulnera Parthi. TREBAT. Attamen et iustum poteras et scribere fortem, Scipiadam ut sapiens Lucilius. HOR. Haud mihi dero, cum res ipsa feret: nisi dextro tempore Flacci verba per attentam non ibunt Caesaris aurem, <20> cui male si palpere, recalcitrat undique tutus. TREBAT. Quanto rectius hoc, quam tristi laedere versu | |
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»den Lecker Pantolab, den Prasser
Nomentan«,b) zu geißeln, wo für seine eigne Haut gleich jedem bang wird, und, wiewohl der Hieb ihn selbst verschonte, doch den Geißler haßt. Hor. Was soll ich machen? Tanzt Miloniusc) nicht, sobald der Wein ihm in den Kopf steigt, und die Lichter ihm doppelt scheinen? Kastor liebt die Pferde, und der mit ihm aus einem Ei hervorkrochd), den Kolbene): soviel Köpfe, soviel Sinne. Mir machts nun Freude, was ich denk' in Verse zu bringen, wie Lucil vor mir getan, der besser als wir beide war. Der Mann sah seine Schreibetafel an als seinen liebsten getreusten Freund; ihr wurde sein Geheimstes vertraut; es mocht ihm wohl, es mocht ihm übel ergangen sein, so lief er keinem andern | Pantolabum scurram Nomentanumque
nepotem! cum sibi quisque timet, quamquam est intactus, et odit. HORAT. Quid faciam? Saltat Milonius, ut semel icto <25> accessit furor capiti numerusque lucernis; Castor gaudet equis, ovo prognatus eodem pugnis; quot capitum vivunt totidem studiorum milia; me pedibus delectat claudere verba Lucili ritu, nostrum melioris utroque. <30> Ille velut fidis arcana sodalibus olim credebat libris; neque si male cesserat usquam | |
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als seinem Buche zu; auch kömmt daher, daß es, wie ein Votivgemälde, uns des guten Altenf) ganzes Leben darstellt4). Ihm (einem edeln Römer) folg' ich nun, ich, ob Lucaner, ob Apulier ist ungewiß, denn zwischen beiden pflügt der Venusinerg), der nach einer alten Sage aus Rom hieher verpflanzet ward, damit das Land den ausgetriebenen Samnitern nicht zum Einfall in das röm'sche offen stünde, falls die Lucaner oder Appuler die Stadt mit Krieg bedrohen würdenh). Aber dieser Griffel soll, ungereizt, ich schwör' es, keinem lebenden Geschöpfe furchtbar werden! soll mich bloß gleich einem Degen in der Scheide schützen. Wofür sollt' ich ihn ziehen, da ich nichts von Räubern zu besorgen habe? Laß, o Vater | decurrens alio,
neque si bene; quo fit ut omnis votiva pateat veluti descripta tabella vita senis. Sequor hunc, Lucanus an Appulus anceps, <35> nam Venusinus arat finem sub utrumque colonus, missus ad hoc pulsis, vetus est ut fama, Sabellis, quo ne per vacuum Romano incurreret hostis, sive quod Appula gens seu quod Lucania bellum incuteret violenta. Sed hic stilus haud petet ultro <40> quemquam animantem; et me veluti custodiet ensis vagina tectus, quem cur destringere coner | |
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und König Jupiter, die ungebrauchte Klinge vom Rost zerfressen werden, wenn ich, der den Frieden so herzlich liebt, nur selbst unangefochten zu bleiben hoffen kann! Doch, wer mich neckt, (ich rufe nicht vergebens euch zu wahren!) der wirds beweinen, wenn er, wider Willen berühmt, auf allen Gassen sich besingen hört5). Ein Cervius droht dem Beleidiger mit einem Halsprozeß, Canidia mit dem Säftchen womit Albuz sein liebes Ehgemahl kurierte, Turius mit einem strengen Urteil6): du siehst, ein jeder (so gebeut ihm die Natur) schreckt seinen Feind mit dem, wodurch er stark ist. Der Wolf packt mit den Zähnen an, der Stier Mit seinem Horn: warum, als weil ein innrer Trieb sie dazu anweist? Sei gewiß, die Mutter des Schlemmers Scäva lebt dir ewig, wenn sie nur von seinen frommen Händen sterben kann; (ein Wunder, just wie das, daß dir der Wolf nicht mit dem Hufe nachschlägt, und der Bulle dich | tutus ab
infestis latronibus? O pater et rex Iupiter, ut pereat positum rubigine telum, nec quisquam noceat cupido mihi pacis! At ille, <45> qui me commorit (melius non tangere clamo) flebit et insignis tota cantabitur urbe. Cervius iratus leges minitatur et urnam; Canidia, Albuti quibus est inimica venenum; grande malum Turius, si quid se iudice certes; <50> ut quo quisque valet suspectos terreat, utque imperet haec natura potens, sie collige mecum: dente lupus, cornu taurus petit, unde, nisi intus monstratum? Scaevae vivacem crede nepoti matrem, nil faciet sceleris pia dextera (mirum <55> ut neque calce lupus quemquam neque dente petit bos) | |
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nicht mit den Zähnen stößt) ein bißchen Schierling in einem Honigkuchen tuts ja auch7). Und also (daß ichs nicht zu lange mache) es sei nun daß ein ruhig Alter mich erwarte, es sei daß schon mit schwarzen Flügeln mich der Tod umflattre, arm und reich, zu Rom und, wenn's mein Schicksal will, von Rom verbannt, was meines Lebens Farbe sei, ich schreib' und werde schreiben! Treb. Armer Jung', ich fürchte, du wirsts nicht lange treiben! Denk' an mich! Der großen Freunde einer wird dich durch Verkältung aus der Welt befödern8)! Hor. Wie? Als einst Lucil Gedichte dieser Art zuerst zu schreiben sich vermaß, und jedem die schmucke Maske abzuziehn, worin er wohlgemut einherging, seinen Schalk verbergend, hielt sich Lälius, oder jener, der vom besiegten Africa den Namen trug, durch seinen Witz gefährdet? Oder ließen sie sichs schmerzen, den Metellus angestochen, | sed
mala tollet anum vitiato melle cicuta. Ne longum faciam: seu me tranquilla senectus expectat, seu mors atris circumvolat alis; dives, inops, Romae, seu fors ita iusserit, exsul, <60> quisquis erit vitae, scribam, color. TREB: O puer, ut sis vitalis, metuo, et maiorum ne quis amicus frigore te feriat. HOR. Quid? cum est Lucilius ausus primus in hunc operis componere carmina morem, detrahere et pellem, nitidus qua quisque per ora <65> cederet, introrsum turpis: num Laelius, et qui duxit ab oppressa meritum Carthagine nomen, ingenio offensi? aut laeso doluere Metello, | |
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den Lupus gar mit schmacherfüllten Versen bis an die Scheitel zugedeckt zu sehen9)? Und gleichwohl griff er ohne Scheu und Ausnahm Patrizier und Bürger zunftweis an, und stand durchaus mit niemand als der Tugend und ihren Freunden wohl. Man weiß sogar, daß Scipions Größe, Lälius milde Weisheit10), wenn sie vom Schauplatz sich ins Stille zog, sich nicht zu groß und weise dünkte, oft bei ihm die Zeit sich zu verkürzen, und, indes der Kohl am Feuer gar ward, Stand und Würde beiseitgesetzt, mit ihm ein Stündchen wegzuscherzen. Wie wenig oder viel ich sein mag, ganz gewiß an Geist wie an Geburt weit unter dem Lucil11) so wird doch, daß auch ich mit Großen gelebt, die Mißgunst selbst gestehen müssen, und, wenn sie in zerbrechlich Holz zu beißen glaubt, die Zähne unverhofft dahinten lassen. Wobei es denn verbleiben mag, wofern nicht etwa du, rechtskundiger Trebaz, von andrer Meinung bist? Treb. Ich finde nichts Erhebliches dagegen einzuwenden12). | famosisque
Lupo cooperto versibus? Atqui primores populi arripuit populumque tributim; <70> scilicet uni aequus virtuti atque eius amicis. Quin ubi se a vulgo et scaena in secreta remorant virtus Scipiadae et mitis sapientia Laeli, nugari cum illo et discincti ludere, donec decoqueretur olus, soliti. Quicquid sum ego, quamvis <75> infra Lucili censum ingeniumque, tamen me cum magnis vixisse invita fatebitur usque invidia, et fragili quaerens illidere dentem offendet solido Nisi quid tu, docte Trebati, dissentis? TREB. Equidem nihil hic defringere possum. | |
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indessen will ich dir wohlmeinend doch geraten haben, auf der Hut zu sein, daß nicht Unkundigkeit der schweren Strafgesetze in böse Händel dich verwickle. Denn so lautet das Gesetz: Wer schlimme Verse auf jemand macht, der muß zu Recht ihm stehen13). Hor. Gut, wenn er schlimme Verse macht14)! Doch wenn die Verse gut sind, wenn sie Cäsar selbst mit seinem Beifall ehrt, und wenn der Mann, der einen Schandewürdigen gezüchtigti), selbst ohne Vorwurf ist? Treb. Dann nimmt der Handel ein lachend End, und du gehst frei davon15). | <80>
Sed tamen, ut monitus, caveas, ne forte negoti incutiat tibi quid sanctarum inscitia legum: »Si mala condiderit in quem quis carmina, ius est iudiciumque.« HORAT. Esto, si quis mala: sed bona si quis iudice condiderit laudatus Caesare, si quis <85> opprobriis dignum laceraverit, integer ipse? TREBAT. Solventur risu tabulae, tu missus abibis. |
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Cum magnis vixisse invita fatebitur usque invidia, et fragili quaerens illidere dentem offendet solido Nisi quid tu, docte Trebati, dissentis? |
Es wäre also vielleicht am schicklichsten zu denken, Trebaz habe das Bild, dessen Horaz sich bediente, beibehalten, und scherzweise gesagt: ich, meines Orts, verlange nichts davon herabzubeißen und diesem zufolge wäre ja wohl defringere oder diffringere das rechte Wort? Ich habe es also, salvis melioribus, in meinen Text aufgenommen, in der Übersetzung aber bloß den Sinn, ohne Metapher, gegeben. Mit Beibehaltung der Metapher könnte man Trebazen lachend sagen lassen:
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Ich, meines Orts, verlange dir davon nichts abzuknapsen. |
Abknapsen ist ein bergmännisches Wort, welches (nach
Adelung) das Abschlagen eines Stücks von einem Stufenwerke bedeutet.