| Ulysses Tiresias | ||
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Ulysses Du hast mir vieles da geoffenbaret, Tiresias: nun lehre mich, ich bitte, dies einz'ge noch, durch was für Weg' und Kniffe ich mein zertrümmertes Vermögen wieder ersetzen kann. Was lachst du? Tiresias Ists dem Schlaukopf nicht genug, nach Ithaka zurückgeführt zu werden, und seine väterlichen Götter wieder zu sehn? Ulysses O du, der keinem jemals log, du siehst, wie arm und nackt (nach deiner eigenen Weissagung) ich nach Hause kommen werde, wo die Sponsierer meines Weibes mir in Kammer, Stall und Keller wenig übrig gelassen haben. Sintemal nun ohne Vermögen, wie du weißt, Geschlecht und Tugend | ULYS. Hoc quoque, Tiresia, praeter narrata petenti responde: quibus amissas reparare queam res artibus atque modis. Quid rides? TIR. Iamne doloso non satis est, Ithacam revehi patriosque penates <5> aspicere? ULYS. O nulli quidquam mentite, vides ut nudus inopsque domum redeam, te vate, neque illic aut apotheca procis intacta est aut pecus: atqui | |
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nicht einen Pfifferling geachtet wird, so Tiresias Ohne Umschweif! Weil dein Abscheu vor der Armut doch so groß ist, wie ich sehe, so höre, wie du dich bereichern kannst. Kommt eine Kluppe Krammetsvögel, oder was sonst das Rarste in der Jahrszeit ist, dir vor die Hand, so laß es unverzüglich nach einem schönen großen Hause fliegen, wovon der Herr betagt ist. Ausgesuchte Früchte, das Beste was dein Feld und Garten trägt, soll, ehe noch dein Hausgott was davon gekostet, der begüterte Patron, dein wahrer Hausgott, schmecken1)! Dem hofiere auf jede Weise! Sei er ein so schlechter Mensch als immer möglich, von der niedrigsten Geburt, ein überwiesner Schelm, mit Bruderblut besudelt, ein dem Kreuz entlaufner Sklave, das soll dich nicht verhindern, ihm Cortege2) | et
genus et virtus, nisi cum re, vilior alga est. TIR. Quando pauperiem, missis ambagibus, horres, <10> accipe qua ratione queas ditescere. Turdus, sive aliud privum dabitur tibi, devolet illuc, res ubi magna nitet, domino sene; dulcia poma, et quoscumque feret cultus tibi fundus honores, ante Larem gustet venerabilior Lare dives: <15> qui quamvis periurus erit, sine gente, cruentus sanguine fraterno, fugitivusa): ne tamen illi | |
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zu machen, wo und wann ers fodert. Ulysses Was? Ich, einem Dama3), einem solchen Schurken, die Seite decken? Nein! so hab' ich mich vor Troja nicht betragen, wo ichs immer mit den Besten aufnahm! Tiresias Gut! So bleibst du arm. Ulysses Das will ich auch, wenn's sein muß! Hab' ich doch wohl Ärgers schon ertragen. Aber, da du doch ein Seher bist, was hält dich mir zu sagen, wo und wie ein tücht'ger Haufen Geld auf einmal zu erheben ist? Tiresias Ich hab' es dir gesagt, und sag' es wieder: Angle fleißig Vermächtnissen von reichen Greisen nach! mit deinem schlauen Kopfe kann es dir | tu comes exterior, si postulet,
ire recuses. UL. Utne tegam spurco Damae latus? Haud ita Troiae me gessi, certans semper melioribus. TIR. Ergo <20> pauper eris! UL. Fortem hoc animum tolerare iubebo, et quondam maiora tuli. Tu, protinus, unde divitias aerisque ruam, dic, augur, acervos! TIR. Dixi equidem et dico: captes astutus ubique testamenta senum; neu, si vafer unus et alter <25> insidiatorem praeroso fugerit hamo, | |
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nicht fehlen. Aber gib nicht gleich das Handwerk mit der Hoffnung auf, wenn etwa der ein' und andre, schlauer als du selbst, dem Hamen, mit der Flieg' im Maul', entschlüpfte. Kommt je ein großer oder kleiner Handel vor Gericht, und einer von den Streitenden ist reich und kinderlos, und hat den andern offenbar zur Ungebühr befehdet, diesem wirf dich zum Beschützer auf; hingegen, wem sein Ruf und die Gerechtigkeit gewonnen gibt, den fliehe, wenn er Erben, oder eine noch junge fruchtbare Gemahlin hat. Zu jenem sprichst du: »Quintus oder Publius, (denn weicheb) Ohren mögen gerne so4) sich streicheln lassen) dein Verdienst hat mich zu deinem Freund gemacht; ich bin im Rechte bewandert, weiß die mißlichsten Prozesse hinauszuführen; eher soll man mir die Augen aus dem Kopfe ziehn, als durch Schikane um eine taube Nuß dich ärmer machen. Daß dir dein Gegenteil nichts abgewinnen | aut spem deponas, aut
artem illusus omittas. Magna minorve foro si res certabitur olim, vivet uter locuples sine gnatis, improbus ultro qui meliorem audax vocet in ius: illius esto <30> defensor! fama civem causaque priorem sperne, domi si gnatus erit fecundave coniux. »Quinte«, puta, aut »Publi«, (gaudent praenomine molles auriculae) »tibi me virtus tua fecit amicum; ius anceps novi, causas defendere possum; <35> eripiet quivis oculos citius mihi, quam te contemptum quassa nuce pauperet. Haec mea cura est, | |
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und seinen Scherz nicht mit dir treiben soll, laß meine Sorge sein!« Kurz, heiß ihn ruhig nach Hause gehn und seines Felles pflegen; sei sein Agent, laß keine Gänge dich und keine Mühe dauren, sei es, daß des roten Hundsterns Glut unmündige Bildsäulen spalte, oder der von fetten Kutteln gedehnte Furiusc) mit grauem Schnee die Alpen überspeie5). Siehst du nicht, (wird einer dann, der ihm zur Seite steht, ihn mit dem Ellenbogen stupfend6) sagen) was sich der Mann für Müh' gibt! welch ein warmer und unverdroßner Freund von seinen Freunden er ist! Das wird dann immer größre Lachse herbeiziehn, und dein Fischbehälter wird sich wohl dabei befinden. Doch, mit alledem, (um dich nicht gar zu bloß zu geben, wenn du deine Freundschaft nur den Kinderlosen widmest) falls etwa einer zu beträchtlichem Vermögen nur einen Sohn von etwas schwächlicher Gesundheit hätte, magst du immer sachte | ne quid tu perdas neu sis
iocus.« Ire domum atque pelliculam curare iube. Fi cognitor ipse, persta atque obdura, seu rubra canicula findet <40> infantes statuas, seu pingui tentus omaso Furius hibernas cana nive conspuet Alpes. Nonne vides (aliquis cubito stantem prope tangens inquiet) ut patiens! ut amicis aptus! ut acer! Plures annabunt thunni, et cetaria crescent. <45> Si cui praeterea validus male filius in re praeclara sublatus aletur, ne manifestum | |
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mit deinen Diensten angekrochen kommen, in Hoffnung wenigstens zum zweiten Erben substituiert zu werden, und (wofern der Himmel etwa mit dem armen Jungen ein anders machte) seinen Platz zu füllen. Dies Spiel schlägt selten fehl. Wenn einer dir sein Testament zu lesen hinreicht, so vergiß mir ja nicht, dich zu sträuben, und die Tafeln mit Widerwillen von dir wegzuschieben, doch so, daß du mit einem schnellen Blick zuvor den zweiten Absatz auf der ersten7) durchlaufest, um zu sehn, ob du allein genennt bist, oder noch mit mehreren zu teilen hast. Denn oft geschieht es, daß ein alter ausgelernter Fuchs von einem Notar8) dem gier'gen Raben seine Beute vor dem Schnabel wegschnappt, und mit aller seiner List Nasica am Coran zum Esel wird. Ulysses Sprichst du im Paroxysmus, oder spottest meiner mit Vorsatz, daß du mir in Rätseln sprichst? | caelibis obsequium nudet te, leniter in spem adrepe officiosus, ut et scribare secundus heres, et si quis casus puerum egerit Orco, <50> in vacuum venias: perraro haec alea fallit. Qui testamentum tradet tibi cumque legendum, abnuere et tabulas a te removere memento; sic tamen ut limis rapias, quid prima secundo cera velit versu, solus, multisne coheres? <55> veloci percurre oculo. Plerumque recoctus scriba ex quinqueviro corvum deludet hiantem captatorque dabit risum Nasica Corano. ULYS. Num furis? an prudens ludis me obscura canendo? | |
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Tiresias O Laertiades, ein Mann wie ich, der die Prophetengabe vom Apoll empfing, mag sagen was er will, so sagt er immer was, das zutrifft oder nichtd). Ulysses Demungeachtet erkläre mir, wofern du anders darfst, was du mit dieser Prophezeiung meinest. Tiresias In jenen Tagen, wo ein junger Held, entsprossen von Äneens Götterstamme, zu Wasser und zu Lande groß und selbst den Parthern furchtbar ist9), wird ein Nasica, um den Coranus, dem er schuldig ist, nicht zu bezahlen, seine schöne Tochter dem alten Knasterbart beiliegen lassen10). Wie wird der schlaue Tochtermann sich aus der Schlinge ziehn? Er wird sein Testament dem Schwiegervater überreichen und | TIRES. O Laertiade, quicquid
dicam aut erit aut non: <60> divinare etenim magnus mihi donat Apollo. ULYS. Quid tamen ista velit sibi fabula, si licet, ede. TIR. Tempore quo iuvenis Parthis horrendus, ab alto demissum genus Aenea, tellure marique magnus erit, forti nubet procera Corano <65> filia Nasicae, metuentis reddere soldum. Tum gener hoc faciet: tabulas socero dabit atque | |
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ihn bitten, es zu lesen: dieser wird sich lange sperren, aber endlich doch es nehmen, es verstohlnerweise lesen, und finden daß ihm und den Seinen nichts vermacht ist, als die Freiheit, wenn sie wollen, sich aufzuhängen11). Eins noch will ich dir empfohlen haben: wenn dein alter Kindskopf von einem listgen Weibsstück oder einem Schalk von Freigelaßnen guverniert wird, daß du es mit ihnen hältst und immer vorteilhaft von ihnen sprichst, damit sie hinterm Rücken dich wieder loben. Helf was helfen kann! Doch immer ist und bleibt das Wichtigste, der Hauptperson dich gänzlich zu bemeistern. Macht er (zum Beispiel) Verse: lobe sie, wie platt sie immer sind! Ist er ein Freund von hübschen Weibern: warte ja nicht, bis ers selber an dich bringe; führ ihm deine Penelope von freien Stücken zu. Ulysses Wie? meinst du, eine Frau von ihrer Tugend und Keuschheit werde sich dazu bequemen? | ut legat orabit: multum Nasica
negatas accipiet tandem et tacitus leget, invenietque nil sibi legatum praeter plorare suisque. <70> Illud ad haec iubeo: mulier si forte dolosa libertusve senem delirum temperet, illis accedas socius, laudes, lauderis ut absens. Adiuvat hoc quoque. Sed vincit longe prius ipsum expugnare caput. Scribet mala carmina vecors? <75> laudato! scortator erit? cave te roget: ultro Penelopen facilis potiori trade! ULYS. Putasne, perduci poterit tam frugi tamque pudica, | |
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Sie, die so viele Freier nie vom rechten Wege verleiten konnten. Tiresias Gut! Das waren junge Leute, die just nicht viel daran spendieren wollten, und, weil die Küche ihnen näher lag, die Liebe nur als Nebensache trieben. So blieb Penelope ja wohl ein Tugendbild: Doch laß sie erst von einem reichen Alten gekostet und den klingenden Gewinn mit dir geteilet haben, Freund! kein Hund wird schwerer von fettem Leder abzuhalten sein! Noch ist ein großer Punkt, vor lauter Eifer der Sache nicht zuviel zu tun. Das folgende Geschichtchen ist zu meiner Zeit begegnet. Ein böses Stück von einer alten Frau zu Theben ließ, kraft ihres letzten Willens, ihr Gut dem Erben unter der ausdrücklichen Bedingung, daß der arme Mann (ich war | quam nequiere proci recto
depellere cursu? TIRES. Venit enim magnum donandie) parca iuventus, <80> nec tantum Veneris quantum studiosa culinae! Sic tibi Penelope frugi est: quae si semel uno de sene gustarit tecum partita lucellum, ut canis a corio numquam absterrebitur uncto. Me sene, quod dicam, factum est: anus improba Thebis | |
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ein Augenzeuge des Spektakels!) ihren mit fettem Öl gesalbten nackten Leichnam bei hellem Tag auf seinen bloßen Schultern zu Grabe tragen mußte um, wo möglich noch tot ihm zu entschlüpfen; ohnezweifel12), weil er im Leben gar zu unbescheiden ihr sich aufgedrungen hatte. Also sieh dich vor, in deinem Eifer nie zu lau, allein auch nicht zu heiß zu sein. Schwatzhaftigkeit, zum Beispiel, würde einem krittlichen Murrkater übel dich empfehlen: aber gar zu still taugt auch nichts. Laß, wie Davusf) im Lustspiel, wenn du vor ihm stehst, den Kopf, als aus Respekt, ein wenig vorwärts hängen. Hingegen in Attentionen kannst du nie zu viel tun. Geht die Luft ein wenig frisch, sogleich erinn're ihn, sein teures Haupt aus Vorsicht einzuhüllen. Im Gedränge schone, ihm Raum zu machen, deiner Schultern nicht. Ist er geschwätzig, halte stets dein Ohr ihm lauschend dargespitzt: Läßt er sich gern | <85> ex
testamento sic est elata: cadaver unctum oleo largo nudis humeris tulit heres, scilicet elabi si posset mortua: credo quod nimium institerat viventi. Cautus adito, neu desis operae, neve immoderatus abundes. <90> Difficilem et morosum offendes garrulus: ultra non etiam sileas. Davus sis comicus, atque stes capite obstipo multum similis metuenti. Obsequio grassare; mone, si increbuit aura, cautus uti velet carum caput; extrahe turba <95> oppositis humeris; aurem substringe loquaci. | |
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recht derb und schamlos ins Gesichte loben, mach' es so arg, und blase unermüdet den angeschwellten Schlauch so lange auf, bis er mit aufgehobnen Händen ruft: halt ein! Und wann nun endlich die erwünschte Stunde, die dich der langen Dienstbarkeit und Sorge entledigt, kommt, und du gewiß bist, wachend und deutlich dieses goldne Wort vernommen zu haben: »Ferner, meinem Freund Ulyß vermache ich ein Viertel meiner ganzen Verlassenschaft« dann überlaß dich deinem Schmerz! »So ist dann nun mein Freund, mein Dama, hin! Ich armer! O! wo werd' ich wieder einen so biedern, so getreuen finden!« rufe von Zeit zu Zeit, und, wenn du's möglich machen kannst, so laß mitunter auch ein Tränchen fallen! Ja keine Spur der Freude, die das Herz dir heimlich hüpfen macht, in deiner Miene! | Importunus amat
laudari? donec, ohe iam! ad caelum manibus sublatis dixerit, urgue; et crescentem tumidis infla sermonibus utrem. Cum te servitio longo curaque levarit; <100> et certum vigilans, »Quartae esto partis Ulysses« audieris »heres«: »Ergo nunc Dama sodalis nusquam est? Unde mihi tam fortem tamque fidelem!« sparge subinde, et, si paulum potes, illacrimare. Est | |
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Ist sein Begräbnis deiner Willkür überlassen, so richt' es ohne Kargheit aus: es lobe die ganze Nachbarschaft die prächt'ge Leiche! Ist unter deinen Erbgenossen etwa ein alter Herr, der ziemlich übel hustet: dem sage, wenn er Lust zu einem Grundstück zeigt, du werdest deinen Anteil mit Vergnügen ihm um ein Spottgeld lassen13). Doch, nichts mehr! Mich zieht die unerbittlich herrschende Proserpina hinunter Lebe wohl! | gaudia prodentem vultum
celareg).
Sepulcrum, <105> permissum arbitrio, sine sordibus exstrue; funus egregie factum laudet vicinia! Siquis forte coheredum senior male tussiet, huic tu dic, ex parte tua, seu fundi sive domus sit emptor, gaudentem nummo te addicere. Sed me <110> imperiosa trahit Proserpina vive valeque! |
| Iupiter hibernas cana nive conspuit Alpes, |
(welchen Horaz hier so beißend parodiert, indem er statt Jupiters den Dichter selbst Schnee speien läßt) als ein Beispiel einer harten Metapher an, ohne zu bemerken, daß sie, außer der Härte, noch unanständig und schmutzig ist. Die infantes statuae (vermutlich eben dieses Dichterlings) würde Swift, in seiner Klassifikation der verschiedenen Arten des dem Erhabnen entgegengesetzten Niedrigen (Bathos) ohne Zweifel in die kindische rangiert haben. Daß Bibaculus durch das Beiwort infantes frisch verfertigte hölzerne Statüen (die an Alter gleichsam noch Kinder seien) habe bezeichnen wollen, läßt sich daraus schließen, weil dergleichen Bilder durch die Sonnenhitze am ehesten Spalten bekommen. Übrigens hat uns GelliusIII) noch folgende aus einem Gedichte desselben ausgehobene Verse aufbehalten, die von seiner geschmacklosen Affektation, neu im Ausdruck zu sein und nach seltsamen Metaphern ohne Rücksicht auf ihre Schicklichkeit oder Unschicklichkeit zu jagen, starke Proben enthalten. Ich setze sie hieher, weil sie bis zum Überfluß beweisen können, daß Horaz einen so schalen Kopf mit gutem Grunde lächerlich gemacht habe.
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Sanguine diluitur tellus. Cava terra lutescit. Omnia noctescunt tenebris caliginis atrae. Increscunt animi. Virescunt vulnere vires. Spiritus Eurorum viridis quum purpurat undas etc. Hic fulica levis volitat super aequora classis. |