Horaz Fundanius | ||
Horaz Wie ist dir das Soupee des glücklichen Nasidien bekommen? Denn, als ich dich gestern bitten lassen wollte, wurde mir gesagt, du schmausest schon seit Mittag dort. Fundan So daß in meinem Leben mir nie besser war. Horaz Entdecke mir, wofern dirs nicht beschwerlich ist, was war der erste Gang? Fundan Zu Anfang präsentierte sich ein Lucanisch Wildschwein, bei gelindem Südwind gefangen, wie der Herr des Gastmahls uns belehrte1). Ringsherum Radieschen, Rettiche, Salat, und was den schlaffen Magen sonst zu reizen fähig ist, Sardellen, Sellerie | HOR. Ut
Nasidieni iuvit te cena beati? Nam mihi quaerenti convivam, dictus here illic de medio potare die. FUND. Sic ut mihi numquam in vita fuerit melius. HOR. Da, si grave non est, <5> quae prima iratum ventrem placaverit esca. FUND. In primis Lucanus aper leni fuit austro captus, ut aiebat cenae pater; acria circum rapula, lactucae, radices, qualia lassum pervellunt stomachum, siser, halec, faecula Coa. | |
und Koische Tunke. Als dies abgetragen war, erschien ein hochgeschürzter Sklav und wischte den Tisch von Ahornholz mit einem rauhen Lappen von Purpur ab. Ein andrer las, was hie und da unnütz herumlag und den Gästen lästig sein konnte, auf. Und nun, so feierlich wie eine attische Korbträgerin der heil'gen Ceres, trat mit einem Korbe Cäcubschen Weins der kupferfarbige Hydaspesa), und mit Chier, dem das Meer was Unbekanntes war, ein andrer auf. Hier sprach der Hauspatron: Mäcen, wofern du Falerner oder auch Albaner lieber trinkst, wir haben beides. Horaz O der reichen Armut2)! Doch eh du fortfährst, laß mich wissen, lieber Fundanus, wer die andern Gäste waren, die diesen Schmaus so angenehm dir machten? | <10> His ubi sublatis puer alte cinctus acernam gausape purpureo mensam pertersit, et alter sublegit quodcumque iaceret inutile quodque posset cenantes offendere: ut Attica virgo cum sacris Cereris procedit fuscus Hydaspes <15> Caecuba vina ferens, Alcon Chium, maris expers. Hic herus: Albanum, Maecenas, sive Falernum te magis oppositis delectat, habemus utrumque. HORAT. Divitias miseras! Sed queis cenantibus una, Fundani, pulchre fuerit tibi nosse laboro. | |
Fundan Ich saß zu oberst, Viscus neben mir3) und, wo mir recht ist, Varius unter ihm; dann, neben Balatro, Vibidius, als Schatten, die Mäcenas mitgebracht4); zuletzt der Hausherr zwischen Nomentan und Porcius, der uns mit seiner Kunst, auf einmal ganze Fladen einzuschlingen, belustigte5). Der Nomentanus schien bloß da zu sein, falls etwa dies und jenes uns unbemerkt entginge, mit dem Zeigefinger es anzudeuten: denn wir übrigen wir aßen, was uns vorkam, Vögel, Muscheln, und Fische, ohne, was wir aßen, am Geschmacke zu erkennen; wie sich offenbarte, da Nomentan das leck're Eingeweid von einer Scholle und von einem Rhombus mir auf den Teller legte, Dinge, die ich nie | <20> FUND. Summus
ego, et prope me Viscus Thurinus, et infra, si memini, Varius; cum Servilio Balatrone Vibidius, quos Maecenas adduxerat umbras. Nomentanus erat super ipsumb). Porcius infra, ridiculus totas simul absorbere placentas. <25> Nomentanus ad hoc, qui si quid forte lateret indice monstraret digito: nam cetera turba nos, inquam, cenamus aves, conchylia, pisces, longe dissimilem noto celantia succum, ut vel continuo patuit, cum passeris atque <30> ingustata mihi porrexit ilia rhombi. | |
zuvor gekostet. Bald darauf belehrt' er mich, daß Quitten, in des Mondes erstem Viertel gelesen, rot sind. Was dies auf sich hat, wirst du am besten von ihm selbst erfragen. Jetzt flüsterte Vibid dem Balatro ins Ohr »Wir müssen mördrisch trinken, oder sterben ungerochen« und fodert größre Becher6). Leichenblaß wird bei dem furchtbarn Wort der arme Wirt, der nichts so sehr wie scharfe Zecher scheut, entweder weil sie sich nichts übel nehmen, oder weil feur'ger Wein dem Gaum das feinere Gefühl des Schmeckens raubt. Genug, Vibid und Balatro, und, ihrem Beispiel nach, wir andern lassen die großen Stutzerc) uns so fleißig füllen, daß alle Krüge, die den Schenktisch drücken, in kurzem auf dem Kopfe stehen. Nur die Gäste auf dem letzten Sitzed) taten den Flaschen ihres Gönners keinen Schaden. In einer großen Schüssel ausgestreckt | Post haec me docuit,
melimela rubere minorem ad lunam delecta: quid hoc intersit, ab ipso audieris melius. Tum Vibidius Balatroni: »Nos, nisi damnose bibimus, moriemur inulti!« <35> et calices poscit maiores. Vertere pallor tum parochi faciem, nil sic metuentis ut acres potores, vel quod maledicunt liberius, vel fervida quod subtile exsurdant vina palatum. Invertunt Aliphanis vinaria tota <40> Vibidius Balatroque, secutis omnibus; imi convivae lecti nihilum nocuere lagenis. | |
wird zwischen Hummern, die in Brühe schwimmen, nun eine mächtige Lamprete aufgetragen. Der Wirt berichtet uns, sie wäre trächtig gefangen worden, weil sie nach der Zeit am Fleische schlechter sei. »Die Brüh' ist aus dem besten Venafraner Öle) und Spanischer Makrelenlake, mit fünfjährigem inländ'schem Wein gekocht, nicht ohne weißen Pfeffer und Essig von Methymnaf). Chierwein wird nicht mit eingekocht; er muß beim Essen dazu getrunken werden7). Diese Soße mit frischem weißem Senf und Alant zu verbessern, ist, ohne Ruhm zu melden, meine eigene Erfindung; der Makrelenlake zieht jedoch Curtillus8) ungewaschene Meerigel vor.« Der edle Gastherr hatte seinen Kommentar | Affertur squillas inter murena
natantes, in patina porrecta. Sub hoc herus: »Haec gravida«, inquit, »capta est, deterior post partum carne futura. <45> His mixtum ius est: oleo, quod prima Venafri pressit cella, garo de succis piscis Iberi, vino quinquenni, verum citra mare nato, dum coquitur (cocto Chium sic convenit, ut non hoc magis ullum aliud) pipere albo, non sine aceto, <50> quod Methymnaeam vitio mutaverit uvam. Erucas virides, inulas ego primus amaras monstravi incoquere, inlutos Curtillus echinos, ut melius muria, quam testa marina remittit.« | |
noch kaum vollendet, als der Baldachin, mit einer dickern Wolke schwarzen Staubs, als je der Nordwind in Campaniens Feldern erregen kann, auf einmal in die Schüssel herunterplumpte9). Stelle dir im ersten Schrecken den Aufruhr vor! Doch wir, sobald wir merkten, dies sei das Ärgste, brachten uns bald wieder in Ordnung: nur den Wirt schlug dieser Zufall so ganz zu Boden, daß er, sein Gesicht aufs Küssen hingedrückt, wie auf die Leiche von seinem einz'gen Sohn, zu weinen anfing, und jetzt vielleicht noch weinte, wenn sein Freund, der weise Nomentan, ihn nicht in seinem Jammer mit diesem Trostspruch aufgerichtet hätte: O unbeständige Fortuna! welcher Gott spielt grausamer als du uns Armen mit? Daß du doch immer deine Freude d'ran hast, uns die unsern zu verkümmern! Varius konnte kaum mit dem Tellertuche vor dem Munde des Lachens sich erwehren. Leider ist dies das gemeine Los der Menschheit, spricht mit schelmisch aufgeworfner Nase Balatro: | Interea suspensa graves aulaea
ruinas <55> in patinam fecere, trahentia pulveris atri quantum non Aquilo Campanis excitat agris. Nos, maius veriti, postquam nihil esse pericli sensimus, erigimur. Rufus, posito capite, ut si filius immaturus obisset, flere. Quis esset <60> finis, ni sapiens sic Nomentanus amicum tolleret: heu, Fortuna! quis est crudelior in nos te deus? ut semper gaudes illudere rebus humanis! Varius mappa compescere risum vix poterat. Balatro, suspendens omnia naso, <65> haec est condicio vivendi, aiebat, eoque | |
Ich fürchte selbst, der Ruhm, um dessentwillen du soviel Aufwand machest, werde dir die Mühe nie bezahlen. Wie du dich zerquälen mußt, mich stattlich zu bewirten! Wie viele Sorgen! Daß das Tafelbrot nicht allzubraun gebacken, keine Soße falsch zubereitet sei, die Diener alle geputzt und zierlich aufgeschürzt ihr Amt mit Anstand tun! Und nun die Unglücksfälle noch obendrein! Als, wenn, zum Beispiel, wie gleich eben jetzt, der Himmel einfällt, oder ein Stallknecht einen Fehltritt tut und fallend die Schüssel von Majolika zerbricht10)! Indessen ists mit einem Gastherrn wie Mit einem Feldherrn: das Talent des einen, wie des andern, wird durchs Glück verdunkelt, und durch Unglück erst ins wahre Licht gestellt. O möchten dir die Götter geben, was dein Herz gelüstet, daß du ein so guter Mann und nachsichtvoller Tischgenosse bist, versetzt Nasidien, und fodert seine Pantoffelng). Sein Verschwinden aus dem Saale gibt | responsura tuo numquam est par fama
labori. Tene, ut ego accipiar laute, torquerier omni sollicitudine districtum? ne panis adustus, ne male conditum ius apponatur? ut omnes <70> praecincti recte pueri comptique ministrent? Adde hos praeterea casus, aulaea ruant si ut modo, si patinam pede lapsus frangat agaso. Sed convivatoris, uti ducis, ingenium res adversae nudare solent, celare secundae. <75> Nasidienus ad haec: tibi dii quaecumque preceris commoda dent: ita vir bonus es convivaque comis; | |
den Gästen Freiheit, sich durch Flüstern in des Nachbars Ohr ein wenig Luft zu machen. Horaz Ich kenne wahrlich kein Spektakel, das ich lieber hätte sehen mögen! Doch, ich bitte dich, was gabs noch mehr zu lachen? Fundan Vibidius erkundigt sich hierauf bei den Bedienten, ob der Baldachin die Flaschen etwa auch zerbrochen habe, daß er auf sein Begehren nichts zu trinken bekommen könne? Unterdessen man, um sich recht auszulachen, allerlei zum Vorwand nimmt, und Balatro dabei den andern Spötterh) treulich unterstützt, kommt mein Nasidien mit heitrer Stirne wieder zurück, die zu versprechen schien, durch Kunst Fortunens Fehler wieder gut zu machen. In einer tiefen Schüsseli) von zwei Sklaven | et soleas poscit. Tum in lecto quoque videres stridere secreta divisos aure susurros. HORAT. Nullos his mallem ludos spectasse! sed illa <80> redde, age, quae deinceps risisti. FUND. Vibidius dum quaerit de pueris, num sit quoque fracta lagena, quod sibi poscenti non dentur pocula, dumque ridetur fictis rerum, Balatrone secundo, Nasidiene, redis mutatae frontis, ut arte | |
getragen, folgt ihm ein zerstückter Krannich mit Salz und Semmelkrumen dicht bestreut, und Lebern weißer Gänse, die mit lauter Feigen gemästet wordenk), und von jungen Hasen die Schultern ohne Rückgrat, als auf diese Weise weit niedlicher; nicht minder sahen wir geschmorte Amseln, etwas angebrannt, und Tauben à la crapaudine kommen, und kurz, viel Gutes, wenn der Hausherr uns von jedem die Natur- und Kunstgeschichte nicht vordozierte; denn so blieb uns doch sonst keine Rache übrig, als von allem nicht einen Bissen anzurühren, gleich als ob Canidia mit ihrem Schlangenatem das ganze Gastmahl angeblasen hätte. | <85> emendaturus
fortunam: deinde secuti mazonomo pueri magno discerpta ferentes membra gruis, sparsi sale multo non sine farre; pinguibus et ficis pastum iecur anseris albi et leporum avulsos, ut multo suavius, armos, <90> quam si cum lumbis quis edit; tum pectore adusto vidimus et merulas poni et sine clune palumbes, suaves res, si non causas narraret earum et naturas dominus: quem nos sic fugimus ulti, ut nihil omnino gustaremus, velut illis <95> Canidia afflasset, peior serpentibus Afris. |
M bezeichnet die viereckigte Speisetafel. A das oberste, B das mittelste,
C das unterste Bette oder Kanapee. Auf jedem konnten drei Personen
sehr bequem Platz nehmen. Es waren also hier neun Plätze. Die sechs
ersten auf der obersten und mittelsten Lagerstelle wurden den Gästen
eingeräumt; das unterste blieb für den Hausherrn, und diejenigen die als seine
gewöhnliche Tischgenossen betrachtet wurden. Der sechste Platz, oder
der dritte auf dem mittlern Kanapee, wurde für den vornehmsten
gehalten, und hieß deswegen der konsularische. Alles dies
vorausgesetzt, sehen wir also die Gäste des Nasidienus in folgender Ordnung sitzen
1. Fundanus, der Erzähler. 2. Viscus. 3. Varius.
4. Balatro. 5. Vibidius. 6. Maecenas,
dem zu Ehren das Gastmahl angestellt war. 7. Nomentanus. 8. Nasidienus, der
Wirt selbst. 9. Porcius.