Witziger Anhang
Ein guter Schriftsteller will allemal mehr sagen als er in der
That weis, und wird mehr aus seinem Kopfe herauszupressen suchen,
als darin sein mag; wie bei einem, der sich erbricht, die Anstrengung
der Natur, etwas gut Verdauetes von sich zu geben, auch
noch fortwähret, wenn er gar nichts mehr darinnen hat.
Man kann es in unsern Tagen nicht zu oft wiederholen, daß
da die Augen des Goldarbeiters nicht mehr vom Glanze des Goldes
und Feuers leiden, als die Augen einer Dame vom Glanze
der Nebenbuhlerin, nicht nur die Goldarbeiter, um ihre Augen zu
erholen, fast iede Stunde in den Spiegel sehen sollen,
sondern auch die Damen.
Ohne Aussinnung ganz besonderer Unglücksfälle kann man
wahrhaftig weder einen angenehmen Roman noch einen angenehmen
Bankerut zu machen begehren.
Unser Jahrhundert, das sonst gar nicht unkaufmännisch ist,
gehet wie das elektrische Feuer doch gern den Metallen nach.
Leute, die ein gedrücktes Leben führen und iede Freude
dem Schicksale erst mit sauerm Kampfe abgewinnen musten, sind,
wenn nicht kriechend doch gebükt, wie solche
die in bergigten Gegenden wohnen, immer mit gebognen
Rücken gehen.
Die Gelehrsamkeit wird in Köpfen und die französischen
Weine in Bouteillen zu Schanden, die damit nicht ganz bis an den
Kork gefüllet sind.
Von Genies sollte eine gewisse Sanftheit, Bescheidenheit und auf
geringfügige Dinge angewante Menschenfreundlichkeit (das
ist wahre Lebensart) noch seltener geschieden sein als von mittelmäßigen
Menschen, wie (nach der Frau de la Roche) Menschen von grosser
Statur das Tanzen nöthiger ist als Leuten von
mitlerer Größe, weil die Bewegungen der erstern stärker,
abgebrochener, eckigter und mithin misfälliger sind, als
der leztern ihre. Diese Menschenfreundlichkeit ist die Decke
Mosis auf dem stralenden Angesicht und eine Art von Menschenwerdung,
die uns an ihnen so erquickend thut als mir in meiner Jugend an
der Sonne das ihr eingemalte Menschengesicht im Kalender.
Wenn der kleine Fürst bei einem größern ist: so
spielet er vor denen, die ihn sonst anbeteten, eine heruntergesezte
Rolle, er ist alsdann ein Aposteltag, der in einen Sonntag fället
und den man über diesen ganz vergisset.
»Der Superintendent ist der beste Mensch unter der Sonne
und den übrigen Sternen, sobald er etwas besoffen ist.«
So sagt auch der Pöbel und schon Epiphanius von den Schlangen,
daß sie so lange ihren Gift wegsetzen, als sie saufen.
Die Natur pflanzte dem Herrn von Grossing iene edle Art von Stolz
und Aufblasung ein, die vielleicht der beste Panzerrock gegen
die unzähligen Schläge ist, womit ihn die Rezensenten
im Zorne überhäufen. So hat auch der Dachs (nach Plinius)
das Vermögen, sich dermassen aufzublähen, daß
kein Biß und Schlag viel wider ihn verfängt.
Um gewisse Menschen von edler und stolzer Denkungsart zu bezwingen
und zu entwafnen, thut man wol, wenn man sich ihnen durchaus von
der schlechtesten Seite zeiget: sie mögen sich dann nicht
besudeln und springen ab. So sollen (nach Dapper) auch die Dienstmägde
über die afrikanischen Löwen glücklich dadurch
siegen, daß sie den Rock aufheben und ihnen gewissermassen
den H- weisen.
Wenn einige Schönen die Religion und Liebe in einander giessen
und von Gott und dem Liebhaber in Einem Athem reden, so thun sie
so wenig etwas lächerliches, daß sie vielmehr ganz
den Skarabeis (gewissen geschnittenen Steinen) gleichen, auf deren
vertiefter Seite eine Gottheit und auf deren erhabener
ein getroffener Käfer eingeschnitten steht.
Gemeine Leute scheidet das Konsistorium erst von Tisch und Bett,
wenn sie einander geehlicht: aber die Vornehmern trennt der Priester
von Nachttisch und Gastbett schon dadurch, daß
er sie kopulirt.
Eh' iunge Edelleute oder gar Fürsten aufpacken lassen und
die grosse Tour durch Europa machen, so füllen sie sich vorher
mit allen den Kenntnissen an, die sie dazu so nöthig haben;
so wie die Bienen, eh sie aus ihrem Bienenstock nach Honig ausfliegen,
vorher auf dem Flugbrete ihre Augen säubern und heller machen.
Der sonderbare Mensch ist im Buche der Natur der lange ---
Gedankenstrich.
Es ist nicht genug, daß einer, der an irgend einer Hand
aus dem Staube seiner Geburt aufkam, einen Stammbaum machen lässet
und fremde Väter, wie ein anderer fremde Kinder adoptiret:
es sollte auch durch Gesetze dafür gesorget sein, daß
- so wie nur Leute, die keine eigene Kinder haben, fremde an Kindesstatt
erkiesen dürfen - auch nur solche Personen fremde Väter
adoptiren dürften die keinen eigenen haben.
Es wird mich niemals reuen, wenn ich so gut es mit guten Gleichnissen möglich ist, hier ieden lehre, was diese Welt eigentlich ist. Sie kann gar wol das Sakgäsgen in der großen Stadt Gottes sein oder eine blosse Provinzialstadt in Vergleichung mit andern Planeten. Sie ist der Gängel- oder Laufwagen der Menschheit, um sie aufschreiten zu lehren. Sie ist - das scheint eine strenge Folge aus den vorhergehenden Gleichnissen zu sein - die Kulisse und Anziehstube für eine andere Welt, in der wir erst unsere Rollen nicht ohne Beifall machen. Sie ist eine dunkle Kammer, (camera obscura) in die ein Stral umgewendete und zusammengezogene Bilder einer schönern trägt und malt; in der Rücksicht wäre freilich das Schönste auf ihr, um das schon Plato daher die sogenannten Gänsefüsse aus der Druckerei herum schrieb, irgend wo anders her entlehnt. Sie ist die Küste zur Schöpfung Gottes: sie ist ein dunstvoller Hof um eine bessere Sonne; sie ist der Zähler zu einem noch unsichtbaren Nenner; wahrhaftig ich sage, sie ist fast gar nichts.