Den 11. Dezember 1767
Der Graf versetzt, daß die vollkommenste Liebe die sei, welche keine Belohnung erwarte; und Gegenliebe sei Belohnung. Sein Stillschweigen selbst mache sein Glück: denn solange er seine Liebe verschweige, sei sie noch unverworfen, könne er sich noch von der süßen Vorstellung täuschen lassen, daß sie vielleicht dürfe genehmiget werden. Der Unglückliche sei glücklich, solange er noch nicht wisse, wie unglücklich er sei.1) Die Königin widerlegt diese Sophistereien als eine Person, der selbst daran gelegen ist, daß Essex nicht länger darnach handle: und Essex, durch diese Widerlegung erdreistet, ist im Begriff, das Bekenntnis zu wagen, von welchem die Königin behauptet, daß es ein Liebhaber auf alle Weise wagen müsse; als Blanca hereintritt, den Herzog anzumelden. Diese Erscheinung der Blanca bewirkt einen von den sonderbarsten Theaterstreichen. Denn Blanca hat die Schärpe um, die sie dem Cosme abgenommen, welches zwar die Königin, aber nicht Essex gewahr wird.2)
»Essex. So sei es gewagt! - Frisch! Sie ermuntert mich selbst. Warum will ich an der Krankheit sterben, wenn ich an dem Hilfsmittel sterben kann? Was fürchte ich noch? - Königin, wann denn also, -Blanca. Der Herzog, Ihro Majestät, -
Essex. Blanca könnte nicht ungelegener kommen.
Blanca. Wartet in dem Vorzimmer, -
Die Königin. Ah! Himmel!
Blanca. Auf Erlaubnis, -
Die Königin. Was erblicke ich?
Blanca. Hereintreten zu dürfen.
Die Königin. Sag ihm - Was seh' ich! - Sag ihm, er soll warten. - Ich komme von Sinnen! - Geh, sag ihm das.
Blanca. Ich gehorche.
Die Königin. Bleib! Komm her! näher!
Blanca. Was befehlen Ihro Majestät? -
Die Königin. Oh, ganz gewiß! - Sage ihm - Es ist kein Zweifel mehr! - Geh, unterhalte ihn einen Augenblick, - Weh, mir! - Bis ich selbst zu ihm herauskomme. Geh, laß mich!
Blanca. Was ist das? - Ich gehe.
Essex. Blanca ist weg. Ich kann nun wieder fortfahren, -
Die Königin. Ha, Eifersucht!
Essex. Mich zu erklären. - Was ich wage, wage ich auf ihre eigene Überredung.
Die Königin. Mein Geschenk in fremden Händen! Bei Gott! - Aber ich muß mich schämen, daß eine Leidenschaft so viel über mich vermag!
Essex. Wenn denn also, - wie Ihre Majestät gesagt, und wie ich einräumen muß, - das Glück, welches man durch Furcht erkauft, - sehr teuer zu stehen kömmt; wenn man viel edler stirbt: - so will auch ich, -
Die Königin. Warum sagen Sie das, Graf?
Essex. Weil ich hoffe, daß, wann ich - Warum fürchte ich mich noch? - wann ich Ihro Majestät meine Leidenschaft bekannte, - daß einige Liebe -
Die Königin. Was sagen Sie da, Graf? An mich richtet sich das? Wie? Tor! Unsinniger! Kennen Sie mich auch? Wissen Sie, wer ich bin? Und wer Sie sind? Ich muß glauben, daß Sie den Verstand verloren. -«
Und so fahren Ihro Majestät fort, den armen Grafen auszufenstern, daß es eine Art hat! Sie fragt ihn, ob er nicht wisse, wie weit der Himmel über alle menschliche Erfrechungen erhaben sei? Ob er nicht wisse, daß der Sturmwind, der in den Olymp dringen wolle, auf halbem Wege zurückbrausen müsse? Ob er nicht wisse, daß die Dünste, welche sich zur Sonne erhüben, von ihren Strahlen zerstreuet würden? - Wer vom Himmel gefallen zu sein glaubt, ist Essex. Er zieht sich beschämt zurück und bittet um Verzeihung. Die Königin befiehlt ihm, ihr Angesicht zu meiden, nie ihren Palast wieder zu betreten und sich glücklich zu schätzen, daß sie ihm den Kopf lasse, in welchem sich so eitle Gedanken erzeugen können.3) Er entfernt sich; und die Königin geht gleichfalls ab, nicht ohne uns merken zu lassen, wie wenig ihr Herz mit ihren Reden übereinstimme.
Blanca und der Herzog kommen an ihrer Statt, die Bühne zu füllen. Blanca hat dem Herzog es frei gestanden, auf welchem Fuße sie mit dem Grafen stehe; daß er notwendig ihr Gemahl werden müsse, oder ihre Ehre sei verloren. Der Herzog faßt den Entschluß, den er wohl fassen muß; er will sich seiner Liebe entschlagen: und ihr Vertrauen zu vergelten, verspricht er sogar, sich bei der Königin ihrer anzunehmen, wenn sie ihr die Verbindlichkeit, die der Graf gegen sie habe, entdecken wolle.
Die Königin kommt bald, in tiefen Gedanken, wieder zurück. Sie ist mit sich selbst im Streit, ob der Graf auch wohl so schuldig sei, als er scheine. Vielleicht, daß es eine andere Schärpe war, die der ihrigen nur so ähnlich ist. - Der Herzog tritt sie an. Er sagt, er komme, sie um eine Gnade zu bitten, um welche sie auch zugleich Blanca bitte. Blanca werde sich näher darüber erklären; er wolle sie zusammen allein lassen: und so läßt er sie.
Die Königin wird neugierig, und Blanca verwirrt. Endlich entschließt sich Blanca, zu reden. Sie will nicht länger von dem veränderlichen Willen eines Mannes abhangen; sie will es seiner Rechtschaffenheit nicht länger anheimstellen, was sie durch Gewalt erhalten kann. Sie flehet die Elisabeth um Mitleid an: die Elisabeth, die Frau, nicht die Königin. Denn da sie eine Schwachheit ihres Geschlechts bekennen müsse: so suche sie in ihr nicht die Königin, sondern nur die Frau.4)