Den 11. März 1768
Wie sie darauf ziele, sagt Aristoteles, dieses habe ich schon längst an der Komödie deutlich gezeigt: Epi men oun thV kwmwdiaV hdh touto dhlon gegonen· susthsanteV gar ton muJon dia tvn eikotwn, outw ta tuconta onomata epitiJeasi, kai ouc wsper oi iambopoioi peri tvn kaJ' ekaston poiousin. Ich muß auch hiervon die Übersetzungen des Dacier und Curtius anführen. Dacier sagt: C'est ce qui est déjà rendu sensible dans la comédie, car les poètes comiques, après avoir dressé leur sujet sur la vraisemblance, imposent après cela à leurs personnages tels noms qu'il leur plaît, et n'imitent pas les poètes satyriques, qui ne s'attachent qu'aux choses particulières. Und Curtius: »In dem Lustspiele ist dieses schon lange sichtbar gewesen. Denn wenn die Komödienschreiber den Plan der Fabel nach der Wahrscheinlichkeit entworfen haben, legen sie den Personen willkürliche Namen bei und setzen sich nicht, wie die jambischen Dichter, einen besondern Vorwurf zum Ziele.« Was findet man in diesen Übersetzungen von dem, was Aristoteles hier vornehmlich sagen will? Beide lassen ihn weiter nichts sagen, als daß die komischen Dichter es nicht machten wie die jambischen, (das ist, satirischen Dichter) und sich an das Einzelne hielten, sondern auf das Allgemeine mit ihren Personen gingen, denen sie willkürliche Namen, tels noms qu'il leur plaît, beilegten. Gesetzt nun auch, daß ta tuconta onomata dergleichen Namen bedeuten könnten: wo haben denn beide Übersetzer das outw gelassen? Schien ihnen denn dieses outw gar nichts zu sagen? Und doch sagt es hier alles: denn diesem outw zufolge legten die komischen Dichter ihren Personen nicht allein willkürliche Namen bei, sondern sie legten ihnen diese willkürliche Namen so, outw, bei. Und wie so? So, daß sie mit diesen Namen selbst auf das Allgemeine zielten: ou stocazetai h poihsiV onomata epitiJemenh. Und wie geschah das? Davon finde man mir ein Wort in den Anmerkungen des Dacier und Curtius!
Ohne weitere Umschweife: es geschah so, wie ich nun sagen will. Die Komödie gab ihren Personen Namen, welche, vermöge ihrer grammatischen Ableitung und Zusammensetzung oder auch sonstigen Bedeutung die Beschaffenheit dieser Personen ausdrückten: mit einem Worte, sie gab ihnen redende Namen; Namen, die man nur hören durfte, um sogleich zu wissen, von welcher Art die sein würden, die sie führen. Ich will eine Stelle des Donatus hierüber anziehen. Nomina personarum, sagt er bei Gelegenheit der ersten Zeile in dem ersten Aufzuge der »Brüder«, in comoediis duntaxat, habere debent rationem et etymologiam. Etenim absurdum est, comicum aperte argumentum confingere: vel nomen personae incongruum dare vel officium quod sit a nomine diversum.1) Hinc servus fidelis Parmeno: infidelis vel Syrus vel Geta: miles Thraso vel Polemon: juvenis Pamphilus: matrona Myrrhina, et puer ab odore Storax: vel a ludo et a gesticulatione Circus: et item similia. In quibus summum poetae vitium est, si quid e contrario repugnans contrarium diversumque protulerit, nisi per antijrasin nomen imposuerit joculariter, ut Misargyrides in Plauto dicitur trapezita. Wer sich durch noch mehr Beispiele hiervon überzeugen will, der darf nur die Namen bei dem Plautus und Terenz untersuchen. Da ihre Stücke alle aus dem Griechischen genommen sind: so sind auch die Namen ihrer Personen griechischen Ursprungs und haben, der Etymologie nach, immer eine Beziehung auf den Stand, auf die Denkungsart oder auf sonst etwas, was diese Personen mit mehrern gemein haben können; wenn wir schon solche Etymologie nicht immer klar und sicher angeben können.
Ich will mich bei einer so bekannten Sache nicht verweilen: aber wundern muß ich mich, wie die Ausleger des Aristoteles sich ihrer gleichwohl da nicht erinnern können, wo Aristoteles so unwidersprechlich auf sie verweiset. Denn was kann nunmehr wahrer, was kann klärer sein, als was der Philosoph von der Rücksicht sagt, welche die Poesie bei Erteilung der Namen auf das Allgemeine nimmt? Was kann unleugbarer sein, als daß epi men thV kwmwdiaV hdh touto dhlon gegonen, daß sich diese Rücksicht bei der Komödie besonders längst offenbar gezeigt habe? Von ihrem ersten Ursprunge an, das ist, sobald sie die jambischen Dichter von dem Besondern zu dem Allgemeinen erhoben, sobald aus der beleidigenden Satire die unterrichtende Komödie entstand: suchte man jenes Allgemeine durch die Namen selbst anzudeuten. Der großsprecherische feige Soldat hieß nicht wie dieser oder jener Anführer aus diesem oder jenem Stamme: er hieß Pyrgopolinices, Hauptmann Mauerbrecher. Der elende Schmarutzer, der diesem um das Maul ging, hieß nicht, wie ein gewisser armer Schlucker in der Stadt: er hieß Artotrogus, Brockenschröter. Der Jüngling, welcher durch seinen Aufwand, besonders auf Pferde, den Vater in Schulden setzte, hieß nicht, wie der Sohn dieses oder jenes edeln Bürgers: er hieß Phidippides, Junker Sparroß.
Man könnte einwenden, daß dergleichen bedeutende Namen wohl nur eine Erfindung der neuern griechischen Komödie sein dürften, deren Dichtern es ernstlich verboten war, sich wahrer Namen zu bedienen; daß aber Aristoteles diese neuere Komödie nicht gekannt habe und folglich bei seinen Regeln keine Rücksicht auf sie nehmen können. Das letztere behauptet Hurd;2) aber es ist ebenso falsch, als falsch es ist, daß die ältere griechische Komödie sich nur wahrer Namen bedient habe. Selbst in denjenigen Stücken, deren vornehmste, einzige Absicht es war, eine gewisse bekannte Person lächerlich und verhaßt zu machen, waren, außer dem wahren Namen dieser Person, die übrigen fast alle erdichtet, und mit Beziehung auf ihren Stand und Charakter erdichtet.