Franziska
(die ihm ernsthaft nachsieht). Ich verdiene
den Biß! - Ich bedanke mich, Just. Ich setzte die
Ehrlichkeit zu tief herab. Ich will die Lehre nicht vergessen. -
Ah! der unglückliche Mann! (Kehrt sich um
und will nach dem Zimmer des Fräuleins gehen, indem
der Wirt kömmt.)
Wirt
Warte Sie doch, mein schönes Kind.
Franziska
Ich habe jetzt nicht Zeit, Herr Wirt -
Wirt
Nun ein kleines Augenblickchen! - Noch
keine Nachricht weiter von dem Herrn Major? Das
konnte doch unmöglich sein Abschied sein! -
Franziska
Was denn?
Wirt
Hat es Ihr das gnädige Fräulein nicht erzählt? -
Als ich Sie, mein schönes Kind, unten in der
Küche verließ, so kam ich von ungefähr wieder hier
in den Saal -
Franziska
Von ungefähr, in der Absicht, ein wenig
zu horchen.
Wirt
Ei, mein Kind, wie kann Sie das von mir
denken? Einem Wirte läßt nichts übler als Neugierde.
- Ich war nicht lange hier, so prellte auf einmal die
Türe bei dem gnädigen Fräulein auf. Der Major stürzte
heraus, das Fräulein ihm nach, beide in einer Bewegung,
mit Blicken, in einer Stellung - so was läßt sich
nur sehen. Sie ergriff ihn, er riß sich los, sie ergriff ihn
wieder. "Tellheim!" - Fräulein, lassen Sie mich!" -
"Wohin?" - So zog er sie bis an die Treppe. Mir war
schon bange, er würde sie mit herabreißen. Aber er
wand sich noch los. Das Fräulein blieb an der obersten
Schwelle stehn, sah ihm nach, rief ihm nach, rang die
Hände. Auf einmal wandte sie sich um, lief nach dem
Fenster, von dem Fenster wieder zur Treppe, von der
Treppe in dem Saale hin und wider. Hier stand ich,
hier ging sie dreimal bei mir vorbei, ohne mich zu
sehen. Endlich war es, als ob sie mich sähe, aber, Gott
sei bei uns! ich glaube, das Fräulein sahe mich für Sie
an, mein Kind. "Franziska", rief sie, die Augen auf
mich gerichtet, "bin ich nun glücklich?" Darauf sahe sie
steif an die Decke und wiederum: "Bin ich nun glücklich?"
Darauf wischte sie sich Tränen aus dem Auge
und lächelte und fragte mich wiederum: "Franziska,
bin ich nun glücklich?" - Wahrhaftig, ich wußte nicht,
wie mir war. Bis sie nach ihrer Türe lief, da kehrte sie
sich nochmals nach mir um: "So komm doch, Franziska;
wer jammert dich nun?" - Und damit hinein.
Franziska
Oh, Herr Wirt, das hat Ihnen geträumt.
Wirt
Geträumt? Nein, mein schönes Kind, so
umständlich träumt man nicht. - Ja, ich wollte wieviel
drum geben - ich bin nicht neugierig - aber ich wollte
wieviel drum geben, wenn ich den Schlüssel dazu hätte.
Franziska
Den Schlüssel? zu unsrer Türe? Herr
Wirt, der steckt innerhalb; wir haben ihn zur Nacht
hereingezogen; wir sind furchtsam.
Wirt
Nicht so einen Schlüssel; ich will sagen,
mein schönes Kind, den Schlüssel, die Auslegung gleichsam,
so den eigentlichen Zusammenhang von dem, was
ich gesehen. -
Franziska
Ja so! - Nun, adieu, Herr Wirt. Werden
wir bald essen, Herr Wirt?
Wirt
Mein schönes Kind, nicht zu vergessen, was
ich eigentlich sagen wollte.
Franziska
Nun? aber nur kurz -
Wirt
Das gnädige Fräulein hat noch meinen
Ring; ich nenne ihn meinen -
Franziska
Er soll Ihnen unverloren sein.
Wirt
Ich trage darum auch keine Sorge; ich will's
nur erinnern. sieht Sie, ich will ihn gar nicht einmal
wiederhaben. Ich kann mir doch wohl an den Fingern
abzählen, woher sie den Ring kannte, und woher er
dem ihrigen so ähnlich sah. Er ist in ihren Händen am
besten aufgehoben. Ich mag ihn gar nicht mehr und
will indes die hundert Pistolen, die ich darauf gegeben
habe, auf des gnädigen Fräuleins Rechnung setzen.
Nicht so recht, mein schönes Kind?