Tellheim
So in Gedanken, Werner?
Werner
Da sind Sie ja! ich wollte eben gehen und Sie
in Ihrem neuen Quartiere besuchen, Herr Major.
Tellheim
Um mir auf den Wirt des alten die Ohren
vollzufluchen. Gedenke mir nicht daran.
Werner
Das hätte ich beiher getan; ja. Aber eigentlich
wollte ich mich nur bei Ihnen bedanken, daß Sie
so gut gewesen und mir die hundert Louisdor aufgehoben.
Just hat mir sie wiedergegeben. Es wäre mir
wohl freilich lieb, wenn Sie mir sie noch länger aufheben
könnten. Aber Sie sind in ein neu Quartier gezogen,
das weder Sie noch ich kennen. Wer weiß, wie's
da ist. Sie könnten Ihnen da gestohlen werden, und Sie
müßten mir sie ersetzen; da hülfe nichts davor. Also
kann ich's Ihnen freilich nicht zumuten.
Tellheim
(lächelnd). Seit wenn bist du so vorsichtig, Werner?
Werner
Es lernt sich wohl. Man kann heutezutage mit
seinem Gelde nicht vorsichtig genug sein. - Darnach
hatte ich noch was an Sie zu bestellen, Herr Major;
von der Rittmeisterin Marloff; ich kam eben von ihr
her. Ihr Mann ist Ihnen ja vierhundert Taler schuldig
geblieben; hier schickt sie Ihnen auf Abschlag hundert
Dukaten. Das übrige will sie künftige Woche schicken.
Ich mochte wohl selber Ursache sein, daß sie die
Summe nicht ganz schickt. Denn sie war mir auch ein
Taler achtzig schuldig; und weil sie dachte, ich wäre
gekommen, sie zu mahnen - wie's denn auch wohl
wahr war -, so gab sie mir sie und gab sie mir aus dem
Röllchen, das sie für Sie schon zurechtgelegt hatte. -
Sie können auch schon eher Ihre hundert Taler ein acht
Tage noch missen als ich meine paar Groschen. - Da
nehmen Sie doch! (Reicht ihm die Rolle Dukaten.)
Tellheim
Werner!
Werner
Nun? Warum sehen Sie mich so starr an? -
So nehmen Sie doch, Herr Major! -
Tellheim
Werner!
Werner
Was fehlt Ihnen? Was ärgert Sie?
Tellheim
(bitter, indem er sich vor die Stirne
schlägt und mit dem Fuße auftritt). Daß es - die vierhundert
Taler nicht ganz sind!
Werner
Nun, nun, Herr Major! Haben Sie mich denn
nicht verstanden?
Tellheim
Eben weil ich dich verstanden habe! -
Daß mich doch die besten Menschen heut am meisten
quälen müssen!
Werner
Was sagen Sie?
Tellheim
Es geht dich nur zur Hälfte an! - Geh,
Werner! (Indem er die Hand, mit der ihm Werner die
Dukaten reichet, zurückstößt.)
Werner
Sobald ich das los bin!
Tellheim
Werner, wenn du nun von mir hörst,
daß die Marloffin heute ganz früh selbst bei mir gewesen ist?
Werner
So?
Tellheim
Daß sie mir nichts mehr schuldig ist?
Werner
Wahrhaftig?
Tellheim
Daß sie mich bei Heller und Pfennig
bezahlt hat: was wirst du denn sagen?
Werner
(der sich einen Augenblick besinnt). Ich werde
sagen, daß ich gelogen habe, und daß es eine hundsfött'sche
Sache ums Lügen ist, weil man drüber ertappt
werden kann.
Tellheim Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim Werner Tellheim
Und wirst dich schämen?
Sei nicht verdrießlich, Werner! Ich erkenne
dein Herz und deine Liebe zu mir. Aber ich
brauche dein Geld nicht.
Sie brauchen es nicht? Und verkaufen lieber
und versetzen lieber und bringen sich lieber in der
Leute Mäuler?
Die Leute mögen es immer wissen, daß
ich nichts mehr habe. Man muß nicht reicher scheinen
wollen, als man ist.
Aber warum ärmer? - Wir haben, solange
unser Freund hat.
Es ziemt sich nicht, daß ich dein Schuldner bin.
Ziemt sich nicht? - Wenn an einem heißen
Tage, den uns die Sonne und der Feind heiß machte,
sich Ihr Reitknecht mit den Kantinen verloren hatte,
und Sie zu mir kamen und sagten: "Werner, hast du
nichts zu trinken?" und ich Ihnen meine Feldflasche
reichte, nicht wahr, Sie nahmen und tranken? - Ziemte
sich das? - Bei meiner armen Seele, wenn ein Trunk
faules Wasser damals nicht oft mehr wert war als alle
der Quark! (Indem er auch den Beutel mit den Louisdoren
herauszieht und ihm beides hinreicht.) Nehmen
Sie, lieber Major! Bilden Sie sich ein, es ist Wasser.
Auch das hat Gott für alle geschaffen.
Du marterst mich; du hörst es ja, ich
will dein Schuldner nicht sein.
Erst ziemte es sich nicht; nun wollen Sie nicht?
Ja, das ist was anders. (Etwas ärgerlich.) Sie wollen
mein Schuldner nicht sein? Wenn Sie es denn aber schon
wären, Herr Major? Oder sind Sie dem Manne nichts
schuldig, der einmal den Hieb auffing, der Ihnen den
Kopf spalten sollte, und ein andermal den Arm vom
Rumpfe hieb, der eben losdrücken und Ihnen die Kugel
durch die Brust jagen wollte? - Was können Sie
diesem Manne mehr schuldig werden? Oder hat es mit
meinem Halse weniger zu sagen als mit meinem Beutel? -
Wenn das vornehm gedacht ist, bei meiner
armen Seele, so ist es auch sehr abgeschmackt gedacht!
Mit wem sprichst du so, Werner? Wir
sind allein; jetzt darf ich es sagen; wenn uns ein Dritter
hörte, so wäre es Windbeutelei. Ich bekenne es mit
Vergnügen, daß ich dir zweimal mein Leben zu danken
habe. Aber, Freund, woran fehlte mir es, daß ich bei
Gelegenheit nicht ebensoviel für dich würde getan
haben? He!
Nur an der Gelegenheit! Wer hat daran gezweifelt,
Herr Major? Habe ich Sie nicht hundertmal
für den gemeinsten Soldaten, wenn er ins Gedränge
gekommen war, Ihr Leben wagen sehen?
Also!
Aber -
Warum verstehst du mich nicht recht?
Ich sage: es ziemt sich nicht, daß ich dein Schuldner
bin; ich will dein Schuldner nicht sein. Nämlich in den
Umständen nicht, in welchen ich mich jetzt befinde.
So, so! Sie wollen es versparen bis auf bessre
Zeiten; Sie wollen ein andermal Geld von mir borgen,
wenn Sie keines brauchen, wenn Sie selbst welches
haben und ich vielleicht keines.
Man muß nicht borgen, wenn man nicht
widerzugeben weiß.
Einem Manne wie Sie kann es nicht immer
fehlen.
Du kennst die Welt! - Am wenigsten
muß man sodann von einem borgen, der sein Geld
selbst braucht.
O ja, so einer bin ich! Wozu braucht' ich's
denn? - Wo man einen Wachtmeister nötig hat, gibt
man ihm auch zu leben.
Du brauchst es, mehr als Wachtmeister
zu werden, dich auf einer Bahn weiterzubringen, auf
der ohne Geld auch der Würdigste zurückbleiben kann.
Mehr als Wachtmeister zu werden? Daran
denke ich nicht. Ich bin ein guter Wachtmeister und
dürfte leicht ein schlechter Rittmeister und sicherlich
noch ein schlechtrer General werden. Die Erfahrung
hat man.
Mache nicht, daß ich etwas Unrechtes
von dir denken muß, Werner! Ich habe es nicht gern
gehört, was mir Just gesagt hat. Du hast dein Gut verkauft
und willst wieder herumschwärmen. Laß mich
nicht von dir glauben, daß du nicht sowohl das Metier
als die wilde, liederliche Lebensart liebest, die unglücklicherweise
damit verbunden ist. Man muß Soldat
sein für sein Land oder aus Liebe zu der Sache, für die
gefochten wird. Ohne Absicht heute hier, morgen da
dienen, heißt wie ein Fleischerknecht reisen, weiter
nichts.
Nun ja doch, Herr Major, ich will Ihnen folgen.
Sie wissen besser, was sich gehört. Ich will bei
Ihnen bleiben. - Aber, lieber Major, nehmen Sie doch
auch derweile mein Geld. Heut oder morgen muß Ihre
Sache aus sein. Sie müssen Geld die Menge bekommen.
Sie sollen mir es sodann mit Interessen wiedergeben.
Ich tu es ja nur der Interessen wegen.
Schweig davon!
Bei meiner armen Seele, ich tu es nur der
Interessen wegen! - Wenn ich manchmal dachte: Wie
wird es mit dir aufs Alter werden? wenn du zuschanden
gehauen bist? wenn du nichts haben wirst? wenn
du wirst betteln gehen müssen? so dachte ich wieder:
Nein, du wirst nicht betteln gehn; du wirst zum Major
Tellheim gehn; der wird seinen letzten Pfennig mit
dir teilen; der wird dich zu Tode füttern; bei dem
wirst du als ein ehrlicher Kerl sterben können.
(indem er Werners Hand ergreift). Und,
Kamerad, das denkst du nicht noch?
Nein, das denk ich nicht mehr. - Wer von
mir nichts nehmen will, wenn er's bedarf, und ich's
habe, der will mir auch nichts geben, wenn er's hat,
und ich's bedarf. - Schon gut! (Will gehen.)
Mensch, mache mich nicht rasend! Wo
willst du hin? (Hält ihn zurück.) Wenn ich dich nun
auf meine Ehre versichere, daß ich noch Geld habe;
wenn ich dir auf meine Ehre verspreche, daß ich dir es
sagen will, wenn ich keines mehr habe; daß du der
erste und einzige sein sollst, bei dem ich mir etwas
borgen will: - bist du dann zufrieden?
Muß ich nicht? - Geben Sie mir die Hand
darauf, Herr Major.
Da, Paul! - Und nun genug davon. Ich
kam hieher, um ein gewisses Mädchen zu sprechen -