Franziska
Herr Major -
Tellheim
Liebe Franziska, ich habe dich noch
nicht willkommen heißen können.
Franziska
In Gedanken werden Sie es doch schon
getan haben. Ich weiß, Sie sind mir gut. Ich Ihnen
auch. Aber das ist gar nicht artig, daß Sie Leute, die
Ihnen gut sind, so ängstigen.
Werner
(vor sich). Ha, nun merk ich. Es ist richtig!
Tellheim
Mein Schicksal, Franziska! - Hast du
ihr den Brief übergeben?
Franziska
Ja, und hier übergebe ich Ihnen - (Reicht
ihm den Brief.)
Tellheim
Eine Antwort?-
Franziska
Nein, Ihren eignen Brief wieder.
Tellheim
Was? Sie will ihn nicht lesen?
Franziska
Sie wollte wohl, aber - wir können Geschriebenes
nicht gut lesen.
Tellheim
Schäkerin!
Franziska
Und wir denken, daß das Briefschreiben
für die nicht erfunden ist, die sich mündlich miteinander
unterhalten können, sobald sie wollen.
Tellheim
Welcher Vorwand! Sie muß ihn lesen.
Er enthält meine Rechtfertigung - alle die Gründe und
Ursachen -
Franziska
Die will das Fräulein von Ihnen selbst
hören, nicht lesen.
Tellheim
Von mir selbst hören? Damit mich jedes
Wort, jede Miene von ihr verwirre; damit ich in jedem
ihrer Blicke die ganze Größe meines Verlusts empfinde? -
Franziska
Ohne Barmherzigkeit! - Nehmen Sie!
(Sie gibt ihm den Brief.) Sie erwartet Sie um drei
Uhr. Sie will ausfahren und die Stadt besehen. Sie
sollen mit ihr fahren?
Tellheim
Mit ihr fahren?
Franziska
Und was geben Sie mir, so laß ich Sie
beide ganz allein fahren? Ich will zu Hause bleiben.
Tellheim
Ganz allein?
Franziska
In einem schönen verschloßnen Wagen.
Tellheim
Unmöglich!
Franziska
Ja, ja; im Wagen muß der Herr Major
Katz aushalten; da kann er uns nicht entwischen. Darum
geschieht es eben. - Kurz, Sie kommen, Herr Major;
und Punkte drei. - Nun? Sie wollten mich ja auch
allein sprechen. Was haben Sie mir denn zu sagen? -
Ja so, wir sind nicht allein. (Indem sie Wernern ansieht.)
Tellheim
Doch, Franziska, wir wären allein.
Aber da das Fräulein den Brief nicht gelesen hat, so
habe ich dir noch nichts zu sagen.
Franziska
So? wären wir doch allein? Sie haben
vor dem Herrn Wachtmeister keine Geheimnisse?
Tellheim
Nein, keine.
Franziska
Gleichwohl, dünkt mich, sollten Sie welche
vor ihm haben.
Tellheim
Wie das?
Werner
Warum das, Frauenzimmerchen?
Franziska
Besonders Geheimnisse von einer gewissen
Art. - Alle zwanzig, Herr Wachtmeister? (Indem
sie beide Hände mit gespreizten Fingern in die
Höhe hält.)
Werner
St! st! Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen!
Tellheim
Was heißt das?
Franziska
Husch ist's am Finger, Herr Wachtmeister?
(Als ob sie einen Ring geschwind ansteckte.)
Tellheim
Was habt ihr?
Werner
Frauenzimmerchen, Frauenzimmerchen, Sie
wird ja wohl Spaß verstehn?
Tellheim
Werner, du hast doch nicht vergessen,
was ich dir mehrmal gesagt habe, daß man über einen
gewissen Punkt mit dem Frauenzimmer nie scherzen muß?
Werner
Bei meiner armen Seele, ich kann's vergessen
haben! - Frauenzimmerchen, ich bitte -
Franziska
Nun, wenn es Spaß gewesen ist; dasmal
will ich es Ihm verzeihen.
Tellheim
Wenn ich denn durchaus kommen muß,
Franziska: so mache doch nur, daß das Fräulein den
Brief vorher noch lieset. Das wird mir die Peinigung
ersparen, Dinge noch einmal zu denken, noch einmal
zu sagen, die ich so gern vergessen möchte. Da, gib ihr
ihn! (Indem er den Brief umkehrt und ihr ihn zureichen
will, wird er gewahr, daß er erbrochen ist.)
Aber sehe ich recht? Der Brief, Franziska, ist ja erbrochen.
Franziska
Das kann wohl sein. (Besieht ihn.) Wahrhaftig,
er ist erbrochen. Wer muß ihn denn erbrochen
haben? Doch gelesen haben wir ihn wirklich nicht,
Herr Major, wirklich nicht. Wir wollen ihn auch nicht
lesen, denn der Schreiber kömmt selbst. Kommen Sie
ja; und wissen Sie was, Herr Major? Kommen Sie
nicht so, wie Sie da sind, in Stiefeln, kaum frisiert. Sie
sind zu entschuldigen, Sie haben uns nicht vermutet.
Kommen Sie in Schuhen, und lassen Sie sich frisieren. -
So sehen Sie mir gar zu brav, gar zu preußisch aus!
Tellheim
Ich danke dir, Franziska.
Franziska
Sie sehen aus, als ob Sie vorige Nacht
kampiert hätten.
Tellheim
Du kannst es erraten haben.
Franziska
Wir wollen uns gleich auch putzen und
sodann essen. Wir behielten Sie gern zum Essen, aber
Ihre Gegenwart möchte uns an dem Essen hindern;
und sehen Sie, so gar verliebt sind wir nicht, daß uns
nicht hungerte.
Tellheim
Ich geh! Franziska, bereite sie indes ein
wenig vor, damit ich weder in ihren noch in meinen
Augen verächtlich werden darf. - Komm, Werner, du
sollst mit mir essen.
Werner
An der Wirtstafel hier im Hause? Da wird
mir kein Bissen schmecken.
Tellheim
Bei mir auf der Stube.
Werner
So folge ich Ihnen gleich. Nur noch ein Wort
mit dem Frauenzimmerchen.
Tellheim
Das gefällt mir nicht übel! (Geht ab.)