Fräulein
(im Heraustreten, als ob sie den
Major nicht gewahr würde). Der Wagen ist doch vor
der Türe, Franziska? - Meinen Fächer!
Tellheim
(auf sie zu). Wohin, mein Fräulein?
Fräulein
(mit einer affektierten Kälte). Aus,
Herr Major. - Ich errate, warum Sie sich nochmals herbemühet
haben: mir auch meinen Ring wieder zurückzugeben. -
Wohl, Herr Major; haben Sie nur die Güte,
ihn der Franziska einzuhändigen. - Franziska, nimm
dem Herrn Major den Ring ab! - Ich habe keine Zeit
zu verlieren. (Will fort.)
Tellheim
(der ihr vortritt). Mein Fräulein! - Ah,
was habe ich erfahren, mein Fräulein! Ich war so vieler
Liebe nicht wert.
Fräulein
So, Franziska? Du hast dem Herrn Major -
Franziska
Alles entdeckt.
Tellheim.
Zürnen Sie nicht auf mich, mein Fräulein.
Ich bin kein Verräter. Sie haben um mich in den
Augen der Welt viel verloren, aber nicht in den meinen.
In meinen Augen haben Sie unendlich durch diesen
Verlust gewonnen. Er war Ihnen noch zu neu; Sie
fürchteten, er möchte einen allzu nachteiligen Eindruck
auf mich machen; Sie wollten mir ihn vors erste verbergen.
Ich beschwere mich nicht über dieses Mißtrauen.
Es entsprang aus dem Verlangen, mich zu erhalten.
Dieses Verlangen ist mein Stolz! Sie fanden mich selbst
unglücklich; und Sie wollten Unglück nicht mit Unglück
häufen. Sie konnten nicht vermuten, wie sehr
mich Ihr Unglück über das meinige hinaussetzen würde.
Fräulein
Alles recht gut, Herr Major! Aber es
ist nun einmal geschehen. Ich habe Sie Ihrer Verbindlichkeit
erlassen; Sie haben durch Zurücknehmung des Ringes -
Tellheim
In nichts gewilliget! - Vielmehr halte
ich mich jetzt für gebundener als jemals. - Sie sind die
Meinige, Minna, auf ewig die Meinige. (Zieht den Ring
heraus.) Hier, empfangen Sie es zum zweiten Male,
das Unterpfand meiner Treue -
Fräulein
Ich diesen Ring wiedernehmen? diesen Ring?
Tellheim
Ja, liebste Minna, ja!
Fräulein
Was muten Sie mir zu? diesen Ring?
Tellheim
Diesen Ring nahmen Sie das erstemal
aus meiner Hand, als unser beider Umstände einander
gleich und glücklich waren. Sie sind nicht mehr glücklich,
aber wiederum einander gleich. Gleichheit ist immer
das festeste Band der Liebe. - Erlauben Sie, liebste
Minna! - (Ergreift ihre Hand, um ihr den Ring anzustecken.)
Fräulein
Wie? mit Gewalt, Herr Major? -
Nein, da ist keine Gewalt in der Welt, die mich zwingen
soll, diesen Ring wieder anzunehmen! -- Meinen
Sie etwa, daß es mir an einem Ringe fehlt? - Oh, Sie sehen
ja wohl (auf ihren Ring zeigend), daß ich hier noch
einen habe, der Ihrem nicht das geringste nachgibt? -
Franziska
Wenn er es noch nicht merkt! -
Tellheim
(indem er die Hand des Fräuleins fahren
läßt). Was ist das? - Ich sehe das Fräulein von
Barnhelm, aber ich höre es nicht. - Sie zieren sich, mein
Fräulein. - Vergeben Sie, daß ich Ihnen dieses Wort nachbrauche.
Fräulein
(in ihrem wahren Tone). Hat Sie dieses Wort beleidiget, Herr, Major?
Tellheim
Es hat mir weh getan.
Fräulein
(gerührt). Das sollte es nicht, Tellheim. -
Verzeihen Sie mir, Tellheim.
Tellheim
Ha, dieser vertrauliche Ton sagt mir,
daß Sie wieder zu sich kommen, mein Fräulein, daß
Sie mich noch lieben, Minna. -
Franziska
(herausplatzend). Bald wäre der Spaß
auch zu weit gegangen. -
Fräulein
(gebieterisch). Ohne dich in unser
Spiel zu mengen, Franziska, wenn ich bitten darf!
Franziska
(beiseite und betroffen). Noch nicht genug?
Fräulein
Ja, mein Herr, es wäre weibliche
Eitelkeit, mich kalt und höhnisch zu stellen. Weg damit!
Sie verdienen es, mich ebenso wahrhaft zu finden,
als Sie selbst sind. - Ich liebe Sie noch, Tellheim, ich
liebe Sie noch, aber demohngeachtet -
Tellheim
Nicht weiter, liebste Minna, nicht weiter!
(Ergreift ihre Hand nochmals, ihr den Ring anzustecken.)
Fräulein
(die ihre Hand zurückzieht). Demohngeachtet -
um so viel mehr werde ich dieses nimmermehr
geschehen lassen; nimmermehr! - Wo denken
Sie hin, Herr Major? - Ich meinte, Sie hätten an Ihrem
eigenen Unglücke genug. - Sie müssen hierbleiben; Sie
müssen sich die allervollständigste Genugtuung - ertrotzen.
Ich weiß in der Geschwindigkeit kein ander
Wort. - Ertrotzen - und sollte Sie auch das äußerste
Elend, vor den Augen Ihrer Verleumder, darüber verzehren!
Tellheim
So dacht' ich, so sprach ich, als ich nicht
wußte, was ich dachte und sprach. Ärgernis und verbissene
Wut hatten meine ganze Seele umnebelt; die
Liebe selbst in dem vollesten Glanze des Glückes konnte
sich darin nicht Tag schaffen. Aber sie sendet ihre
Tochter, das Mitleid, die, mit dem finstern Schmerze
vertrauter, die Nebel zerstreuet und alle Zugänge meiner
Seele den Eindrücken der Zärtlichkeit wiederum
öffnet. Der Trieb der Selbsterhaltung erwacht, da ich
etwas Kostbarers zu erhalten habe als mich und es
durch mich zu erhalten habe. Lassen Sie mich, mein
Fräulein, das Wort Mitleid nicht beleidigen. Von der
unschuldigen Ursache unsers Unglücks können wir es
ohne Erniedrigung hören. Ich bin diese Ursache; durch
mich, Minna, verlieren Sie Freunde und Anverwandte,
Vermögen und Vaterland. Durch mich, in mir müssen
Sie alles dieses wiederfinden, oder ich habe das Verderben
der Liebenswürdigsten Ihres Geschlechts auf
meiner Seele. Lassen Sie mich keine Zukunft denken,
wo ich mich selbst hassen müßte. - Nein, nichts soll
mich hier länger halten. Von diesem Augenblicke an
will ich dem Unrechte, das mir hier widerfährt, nichts
als Verachtung entgegensetzen. Ist dieses Land die
Welt? Geht hier allein die Sonne auf? Wo darf ich
nicht hinkommen? Welche Dienste wird man mir verweigern?
Und müßte ich sie unter dem entferntesten
Himmel suchen: folgen Sie mir nur getrost, liebste
Minna; es soll uns an nichts fehlen. - Ich habe einen
Freund, der mich gern unterstützet.