Karl Marx, Friedrich Engels
Statuten des Bundes der Kommunisten (1)
Statuten des Bundes der Kommunisten (1)
Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!
Abschnitt I
DER BUND
Art. 1.
Der Zweck des Bundes ist der Sturz der Bourgeoisie, die Herrschaft des Proletariats, die Aufhebungder alten, auf Klassengegensätzen beruhenden bürgerlichen Gesellschaft und dieGründung einer neuen Gesellschaft ohne Klassen und ohne Privateigentum.
Art. 2.
Die Bedingungen der Mitgliedschaft sind:
A. diesem Zweck entsprechende Lebensweise und Wirksamkeit;
B. revolutionäre Energie und Eifer der Propaganda;
C. Bekennung des Kommunismus;
D. Enthaltung der Teilnahme an jeder antikommunistischen politischen odernationalen Gesellschaft und Anzeige der Teilnahme an irgendwelcher Gesellschaft bei der vorgesetzten Behörde;
E. Unterwerfung unter die Beschlüsse des Bundes;
F. Verschwiegenheit über das Bestehen aller Angelegenheiten des Bundes;
G. einstimmige Aufnahme in eine Gemeinde.
Wer diesen Bedingungen nicht mehr entspricht , wird ausgeschlossen. (Siehe Abschnitt VIII.)
Art. 3.
Alle Mitglieder sind gleich und Brüder und als solche sich Hülfe in jeder Lageschuldig.
Art. 4.
Die Mitglieder führen Bundesnamen.
Art. 5.
Der Bund ist organisiert in Gemeinden, Kreisen, leitenden Kreisen, Zentralbehörde undKongresse.
Abschnitt II
DIE GEMEINDE
Art. 6.
Die Gemeinde besteht aus wenigstens drei und höchstens zwanzig Mitgliedern.
Art. 7.
Jede Gemeinde wählt einen Vorstand und einen Beistand. Der Vorstand leitet die Sitzung, derBeistand führt die Kasse und vertritt den Vorstand im Falle der Abwesenheit.
Art. 8.
Die Aufnahme neuer Mitglieder geschieht durch den Gemeindevorstand und das vorschlagendeMitglied unter vorheriger Zustimmung der Gemeinde.
Art. 9.
Gemeinden verschiedener Art sind sich gegenseitig unbekannt und führen keineKorrespondenz miteinander.
Art. 10.
Die Gemeinden führen unterscheidende Namen.
Art. 11.
Jedes Mitglied, welches seinen Wohnort verändert, hat zuvor seinen Vorstand davon inKenntnis zu setzen.
Abschnitt III
DER KREIS
Art. 12.
Der Kreis umfaßt wenigstens zwei und höchstens zehn Gemeinden.
Art. 13.
Die Vorstände und Beistände der Gemeinden bilden die Kreisbehörde. Diesewählt sich einen Vorsteher aus ihrer Mitte. Sie steht in Korrespondenz mit ihren Gemeindenund dem leitenden Kreise.
Art. 14.
Die Kreisbehörde ist die vollziehende Gewalt für sämtliche Gemeinden desKreises.
Art. 15.
Einzelstehende Gemeinden haben sich entweder an einen schon vorhandenen Kreisanzuschließen oder mit anderen einzelnen Gemeinden einen neuen Kreis zu bilden.
Abschnitt IV
DER LEITENDE KREIS
Art. 16.
Die verschiedenen Kreise eines Landes oder einer Provinz stehen unter einem leitenden Kreis.Art. 17.
Die Einteilung der Kreise des Bundes in Provinzen und die Ernennung der leitenden Kreise geschiehtvom Kongreß auf Vorschlag der Zentralbehörde.
Art. 18.
Der leitende Kreis ist die vollziehende Gewalt für sämtliche Kreise einer Provinz. Ersteht in Korrespondenz mit diesen Kreisen und mit der Zentralbehörde.
Art. 19.
Neu entstehende Kreise schließen sich dem nächsten leitenden Kreise an.
Art. 20.
Die leitenden Kreise sind provisorisch der Zentralbehörde und in letzter Instanz demKongreß Rechenschaft schuldig.
Abschnitt V
DIE ZENTRALBEHÖRDE
Art. 21.
Die Zentralbehörde ist die vollziehende Gewalt des ganzen Bundes und als solche demKongreß Rechenschaft schuldig.
Art. 22.
Sie besteht aus wenigstens fünf Mitgliedern und wird gewählt von derKreisbehörde des Ortes, an den der Kongreß ihren Sitz verlegt hat.
Art. 23.
Die Zentralbehörde steht in Korrespondenz mit den leitenden Kreisen. Sie stattet alle dreiMonate einen Bericht über den Zustand des ganzen Bundes ab.
Abschnitt VI
Gemeinsame Bestimmungen
Art. 24.
Die Gemeinden und Kreisbehörden sowie die Zentralbehörde versammeln sichwenigstens alle vierzehn Tage einmal.
Art. 25.
Die Mitglieder der Kreisbehörde und der Zentralbehörde sind auf ein Jahrgewählt, wieder wählbar und von ihren Wählern jederzeit absetzbar.
Art. 26.
Die Wahlen finden im Monat September statt.
Art. 27.
Die Kreisbehörden haben die Diskussionen der Gemeinden dem Zwecke des Bundesgemäß zu leiten.
Scheint der Zentralbehörde die Diskussion gewisser Fragen von allgemeinem undunmittelbarem Interesse, so hat sie den ganzen Bund zur Diskussion derselben aufzufordern.
Art. 28.
Einzelne Bundesmitglieder haben in wenigstens dreimonatlicher, einzelne Gemeinden in wenigstensmonatlicher Korrespondenz mit ihrer Kreisbehörde zu bleiben.
Art. 29.
Jede Bundesbehörde ist verpflichtet, die für die Sicherheit und das kräftigeWirken des Bundes gehörigen Maßregeln innerhalb der Statuten unter ihrerVerantwortlichkeit und unter sofortiger Anzeige an die höhere Behörde zu treffen.
Abschnitt VII
DER KONGREß
Art. 30.
Der Kongreß ist die gesetzgebende Gewalt des ganzen Bundes. Alle Vorschlägeüber Abänderung in den Statuten werden der Zentralbehörde durch die leitendenKreise zugesandt und von ihr dem Kongreß vorgelegt.
Art. 31.
Jeder Kreis sendet einen Abgeordneten.
Art. 32.
Jeder einzelne Kreis unter 30 Mitgliedern sendet einen Abgeordneten, unter 60 zwei, unter 90 dreiusw. Die Kreise können sich durch Bundesmitglieder, die ihren Lokalitäten nichtangehören, vertreten lassen. In diesem Fall haben sie aber ihrem Deputierten einausführliches Mandat zu übersenden.
Art. 33.
Der Kongreß versammelt sich im Monat August jedes Jahres. In dringenden Fällenberuft die Zentralbehörde einen außerordentlichen Kongreß.
Art. 34.
Der Kongreß bestimmt jedesmal den Ort, an dem die Zentralbehörde für daskommende Jahr ihren Sitz haben soll, und den Ort, an dem der Kongreß sich zunächstversammeln wird.
Art. 35.
Die Zentralbehörde hat im Kongreß Sitz, aber keine entscheidende Stimme.
Art. 36.
Der Kongreß erläßt nach jeder Session außer seinem Rundschreiben einManifest im Namen der Partei.
Abschnitt VIII
Vergehen gegen den Bund
Art. 37.
Wer die Bedingungen der Mitgliedschaft verletzt (Art.2.), wird, je nach den Umständen, ausdem Bunde entfernt oder ausgestoßen. Die Ausstoßung schließt dieWiederaufnahme aus.
Art. 38.
Über Ausscheidung entscheidet nur der Kongreß.
Art. 39.
Einzelne Mitglieder kann der Kreis oder die einzeln stehende Gemeinde unter sofortige Anzeige andie höhere Behörde entfernen. Der Kongreß entscheidet auch hierüber inletzter Instanz.
Art. 40.
Die Wiederaufnahme entfernter Mitglieder geschieht durch die Zentralbehörde auf Antrag desKreises.
Art. 41.
Über Verbrechen gegen den Bund richtet die Kreisbehörde und sorgt fürVollstreckung des Urteils.
Art. 42.
Die entfernten und ausgestoßenen Individuen, sowie verdächtige Subjekteüberhaupt, sind von Bundes wegen zu überwachen und unschädlich zu machen.Umtriebe solcher Individuen sind sofort der betreffenden Gemeinde anzuzeigen.
Abschnitt IX
BUNDESGELDER
Art. 43.
Der Kongreß setzt für jedes Land ein Minimum des Beitrages fest, welches jedesMitglied zahlen muß.
Art. 44.
Dieser Beitrag geht zur Hälfte an die Zentralbehörde, die andere Hälfte bleibt inder Kreis- oder Gemeindekasse.
Art. 45.
Die Fonds der Zentralbehörde werden verwandt:
1. zur Deckung der Korrespondenz- und Verwaltungskosten;
2. zum Druck und zur Verbreitung propagandistischer Flugschriften;
3. zur Aussendung von Emissären der Zentralbehörde zu bestimmtenZwecken.
Art. 46.
Die Fonds der Lokalbehörden werden verwandt:
1. zur Deckung der Korrespondenzkosten;
2. zum Druck und zur Verbreitung propagandistischer Flugschriften;
3. zur Aussendung von gelegentlichen Emissären.
Art. 47.
Den Gemeinden und Kreisen, die sechs Monate lang ihre Beiträge für dieZentralbehörde nicht entrichtet haben, wird von der Zentralbehörde die Entfernung ausdem Bunde angezeigt.
Art. 48.
Die Kreisbehörden haben längstens alle drei Monate ihren Gemeinden Rechenschaftüber Ausgabe und Einnahme vorzulegen. Die Zentralbehörde legt dem KongreßRechnung ab über die Verwaltung der Bundesgelder und den Bestand der Bundeskasse. JedeVeruntreuung der Bundesgelder wird mit der strengsten Strafe verfolgt.
Art. 49.
Außerordentliche und Kongreßkosten werden durch außerordentlicheBeiträge bestritten.
Abschnitt X
AUFNAHME
Art. 50.
Der Gemeindevorstand liest dem Aufzunehmenden Art. 1 bis 49 vor, erläutert sie, hebt mitbesonderem Nachdruck in einer kurzen Anrede die Verpflichtungen hervor, die der eintretendeübernimmt, und legt ihm hierauf die Frage vor: "Willst Du nun in diesen Bund eintreten?"Beantwortet der sie mit "Ja!", so nimmt der Vorstand ihm sein Ehrenwort ab, daß er dieVerpflichtungen eines Bundesmitgliedes erfüllen will, erklärt ihn zum Mitglied desBundes und führt ihn in der nächsten Sitzung in die Gemeinde ein.
London, den 8. Dezember 1847
Im Namen des zweiten Kongresses vom Herbste 1847.
Der Sekretär
gez. Engels
Der Präsident
gez. Karl Schapper
Fußnote:
1 Die Statuten des Bundes der Kommunisten, an deren Abfassung Marx und Engels aktiv beteiligtwaren, wurden auf dem 1. Bundeskongreß Juni 1847 ausgearbeitet. Nach der Diskussion inden Bundesgemeinden wurden sie auf dem 2. Londoner Kongreß, der vom 29. November bis8. Dezember dauerte, "nochmals durchberaten und von ihm definitiv am 8. Dezember 1847angenommen" (Engels)