Hareth Ben Hemmam erzählt:
Es trieb mich, seit ich die Kinder-Amulette abgebunden – und den männlichen Turban umgewunden, – ein Verlangen nach Bildung und Sitte, – die ich mit scharfem Ritte – ging suchen durch aller Länder Mitte, – daß sie mir würde zu einem Schmuck vor dem Volke, – vor Mittagsbrand zu einer Schattenwolke; – und so begierig war ich, auf ihrer Trift zu weiden – und mich in ihr Gewand zu kleiden, – daß ich fragte bei Hohen und Niedrigen, – Befreundeten und Widrigen, – wo ihre Spur mir möchte begegnen, – wo ihre Milde mich möchte segnen – mit Tröpfeln oder mit Regnen. – Und als ich nun kam nach Holwan – und hatte mich schon unter Menschen umgethan, – hatte gelernt, ihren Wert zu wägen – und sie zu erkennen nach ihren Geprägen; – fand ich daselbst den Abu Seid von Serug, der sich allerlei Stammbäume machte – und sich vielerlei Gewerbzweige erdachte, – bald sich gab für einen Sprößling von Sassan1), – bald für einen Schößling der Königswurzel, von Ghassan2), – heut im Gewand eines Poeten auftrat, – morgen den Mund eines Propheten aufthat, – hier erschien mit der Würde des Emirs – und dort mit der Bürde des Fakirs; – nur daß immer – in seinem wechselnden Farbenschimmer, – in seiner Verwandlungen Truggeflimmer – er sich zeigte sagenmundig, –redekundig, – witzig und bündig, – spitzig und fündig; – den nimmer ein Unfall brachte in Not, – dem immer ein Einfall stand zu Gebot; – der mit Reden jeden beschämte – und sich nach Gefallen allen bequemte. – Wegen seiner artigen Sitten – war er mit seinen Unarten wohl gelitten, – mit Eifer und mit Eifersucht, – von allen gesucht, – die seine Frucht einmal versucht; – und es scheute – jeder Gescheite – seines Blitzes Schläge – und kreuzte ihm nicht die Wege. – Ich hing an seines Mantels Saum, – berauscht von seiner Lippen süßem Schaum; – durch seine zauberhaften Eigenschaften – mußt' ich an ihm wie leibeigen haften.
Daß er lachte, war mein Licht, mir Aussicht war sein Angesicht; |
So blieben wir zusammen eine Frist – und er schuf jeden Tag eine neue Lust und eine neue List; – seine Bekanntschaft – war mir mehr als eine ganze Verwandtschaft; – so ward ich durch seinen Umgang belehrt, – meiner Kenntnisse Umfang vermehrt – und der Zweifel dunkler Umhang aufgeklärt. – Da fing er an, hier des Erwerbs zu mangeln, – er mußte gehn, am anderen Wasser zu angeln, – es trieb ihn der Ausgang der Nahrung – zu Auszug und Straßenbefahrung, – zu streichen in andern Strichen, – weil hier die Jagdzeit verstrichen – und sein Glücksstern erblichen; – er förderte die Abfahrt und entwich, – ließ mich und nahm mein Herz mit sich.
Mir gefiel, seit er mir fehlte, nichts, worauf mein Auge fiel; |
So war er mir eine Zeitlang verschwunden, – ich hatte von ihm keine Kunden – und keine Bekannten gefunden. – Doch nach Jahren, als ich nun wandersatt – heimkehrte zu meiner Vaterstadt, – besuchte ich ihre Bibliothek, den Weisheitsschatz, – den Sammel- und Tummelplatz – gebildeter Männer, auserkorner, – fremder und eingeborner. – Da trat ein Mann ein, dessen Bart gesträubt war – und dessen Kleid bestäubt war; – der grüßte mit blitzenden – Augen die Sitzenden – und setzte munterst – sich ganz zu unterst. – Dann fing er an, herauszurücken – und die Versammelten zu entzücken – durch Redeschmuck – und Gewandtheit im Ausdruck. – Er begann seinen Nachbar zu fragen: – Welches Buch hast du da aufgeschlagen? – Dieser sprach: Den Diwan des Abu Obade3) – der jetzt berühmt ist in hohem Grade. – Jener sprach: Und stießest du, so weit du lasest, auf etwas Rühmliches, – Neues, Blümliches? – Er sprach Ja! – der Vers da:
Gereihte Perlen decket auf dein Lächeln; |
Denn das ist neu gedacht – und schön gemacht. – Da rief jener: O Wunder! – so liegt die Kunst unter. – Siehest du Geschwulst an für Fettigkeit? – oder Abzehrung für Nettigkeit? – Hast du deinen Atem gestohlen, – daß du blasest in tote Kohlen? – Wo ist deine Belesenheit, – daß du nicht kennst das berühmte Beit,4) – das alle Gleichnisse von Mund und Zahn zusammenreiht? – Worauf er hersagte:
Ich bin das Opfer eines Zahns, der duftig glänzt, |
Da lobten sie bis zur Übertreibung, – baten um Wiederholung und Niederschreibung, – fragten: Lebt oder ist erblaßt, – der das hat verfaßt?– Bescheiden sprach darauf der Gast: –»Die Wahrheit soll man bezeugen – und vom Rechte nicht beugen; – es ist der Mann, der mit euch spricht.« – Doch, als glaubten sie ihm die Vaterschaft nicht, – und als müss' er sich wahren vor Gefährde – und abwälzen des Argwohns Beschwerde, – ließ er den Koranspruch los: – »Mancher Verdacht ist ruchlos.« – Dann sprach er: O ihr edlen Lichter! – Dichterverdienstes Richter, – des Echten und Falschen Sichter. – Der Schmelztiegel bringt dem Gold nur Gewinst, – die Hand der Wahrheit zerreißt des Irrtums Gespinst. – Uns ist von den Alten – der Spruch aufbehalten: – Des Mannes Wert – wird durch Prüfung bewährt. – Ich geb' euch mein Reisebündel zur Schätzung, – mein Verborgnes zur Auseinandersetzung. – Da trat hervor – einer aus dem Chor – und sprach: Ich weiß ein Beit, so feines ward nicht gesponnen, – so reines geschöpft aus keinem Bronnen, – so ungemeines nie ersonnen. – Vermagst du von Vergleichungen gleiche Fäden zu spinnen – und sinnreiche Sinnbilder zu ersinnen, – so magst du hier den Preis gewinnen. – Und er sagte her:
Aus der Narzisse 5)
Perlen regnend, nässet sie |
Da währte es keinen Augenwink, – und vortrug jener flink, – und sein Vortrag war nicht link:
Sie stand verhüllt vom Schleier feuerfarbnen Flors; |
Da staunten die Versammelten – und zu seinem Lobe sie stammelten. – Doch als er sah, daß er ihr Herz getroffen – und von ihnen könnte Ehre hoffen, – blickte er zu Boden und rief im Nu: – Da habt ihr noch zwei Verse dazu:
Der Abschied kam; sie stand im Schleier schwarzen Flors, |
Da erkannten sie an ohne Hadern – die Fülle seiner Quelladern; – ihre Zweifel waren entkräftigt, – und nur ihn zu ehren waren sie jetzt beschäftigt. – Sie wußten nicht seinen Ruhm genug zu verbrämen; – er mußte sich schon bequemen, – ein Ehrenkleid von ihnen anzunehmen.
Der Berichter dieser Geschichte spricht: Wie ich sah seines Feuers Funken, – seiner Glanzlichter Prunken; – sucht' ich seine Mienen zu unterscheiden – und ließ meinen Blick auf seinem Antlitz weiden. – Und siehe, es war von Serug unser Scheich,– den ich nicht hatte erkannt sogleich, – weil in der dunkeln Nacht von seinem Haar – inzwischen Mondlicht geworden war. – Da wünscht' ich mir Glück, daß ich ihn fand, – und reicht' ihm die Hand; – sprechend: Beim Herrn der Unendlichkeit! – Was hat dich so verwandelt bis zur Unkenntlichkeit? – Was hat deines Hauptes Wälder gelichtet – und deine Wangen in Felder geschichtet? – Hätt' ich dich nicht erkannt an der schlauen Art, – nimmer hätt' ich dich erkannt am grauen Bart. – Da hub er an:
Grau macht die Zeit, die greuliche; |
Da hemmt' er sein Wort – und räumte den Ort – und nahm die Herzen mit sich fort.