Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich spürte, da ich am Wanderstabe – kam nach Sawe1) – an mir Herzenshärtigkeit – und Unbußfertigkeit; – und ich befolgte den Rat des besten der Ratgeber, – der den Gläubigen dagegen empfahl den Besuch der Gräber. – Als ich nun gekommen war zur Einkehr der Särge – und der Totengebeine Herberge, – um mein Herz zu heilen von der Verstockung – und meine Sinne von der weltlichen Lockung, – sah ich eine Versammlung um ein Grab, das man grub, – und einen Aufgebahrten, den man begrub. – Und ich gesellte mich zu ihnen, der Heimkehr denkend – und Thränen den Heimgegangenen meines Stammes schenkend. – Als nun der Tote bestattet war, – und die Klag' um ihn ermattet war; – bestieg eine Erhöhung am Grab – ein Scheich mit Pilgertasch' und Stab, – sein Haupt mit dem Mantel verhüllend, – und sprach mit Eifer erfüllt und mit Andacht erfüllend:
Sehet und handelt danach, o ihr Handelnden! – und wendet euch, o ihr sorglos Wandelnden. – Raffet euch auf, o ihr Vergessenen, – und ermesset recht, o ihr Vermessenen. – Was ist euch? Fühlet ihr keine Betrübnis – bei Freundesbegräbnis? – könnet ihr sehn ohne hellen Jammer – euern Kameraden eingehn in die dunkle Kammer? – und erwachet euch im Herzen kein kurzer Kummer, – wenn ihr euern Freund übergebt dem langen Schlummer? – Atmet ihr ohne Schaudern die Moderlüfte – und schaut ohne Furcht die Furchen der Grüfte? – Vergesset ihr eurer Vorfahren, – oder denket nicht, daß ihr ihnen müsset nachfahren? – Lasset ihr nicht die Schicksale eurer Gespielen – euch geschickt sein zu Beispielen? – und gewahret nicht das Los eurer Gefährten, – um euch zu wahren vor Gefährden? – Doch weinende Augen mögt ihr nicht schauen, – und euer Ohr mag nicht hören die Klagefrauen. – Ihr begleitet die Bahre – und denkt dabei an das Bare; – ihr legt den Toten zur Ruhe, – und im Sinne liegt euch die Truhe; – ihr senkt ins Grab sein Gedächtnis – und denkt nur an sein Vermächtnis. – Euren Gesellen gesellt ihr dem stummen Wurme zum Schmaus – und schmauset bei Lautenklang in eurem Haus. – Ihr verschmerzt den Verlust eines Genossen – leichter, als den Verlust eines Groschen, – und beklagt einen zerbrochenen Hausscherben – schwerer, als eurer Verwandtschaft Aussterben. – Ihr fürchtet eurer Gewerbe Fall, – aber keinen Erb- und Sterbefall. – Ihr schreitet zwischen Gräberreihen – wie zum Reihen, – und wandelt auf den harten Betten – wie in Gartenbeeten; – lacht auf Schädel und Leichensteine, – als lachten euch an reiche Edelsteine, – und denkt bei einem Totenbein – nicht an die Todespein, – noch an die Totenpein; – gleich als hättet ihr einen Gewährmann – gegen des Grabes Fährmann, – oder eine Sicherschreibung – gegen des Schicksals Schuldeintreibung. – Habt ihr etwa gestellt einen Bürgen, – der sich für euch läßt würgen, – oder gedungen einen Beschwörer – gegen den alten Zerstörer? – Nein, sondern Thorheit ist euer Wahn, – und die Augen werden euch aufgethan – einst, wann ihr die Augen zugethan. – Drauf hub er an:
Der du dich nennst verständig, |
Dann streckte er aus seine Hände – und empfing der Gläubigen Spende; – und als die milden Gaben nicht mehr rannen, – begnügte er sich und zog von dannen.
Der Erzähler spricht: Seines Vortrags reiche Zierde – erweckte in mir neben der Andacht die Neugierde, – daß ich ihm nachfolgte auf den Fuß – bis außer der Menschen Zusammenfluß; – da zog ich, um ihn anzuhalten, von hinten an seines Mantels Falten. – Er wandte sich um dienstfertig – und grüßte, wie eines Geschenks gewärtig; – ich aber sah, es war Abu Seid, – und es that mir leid. – Ich sprach:
O Abu Seid, wie lange |
Er aber antwortete ohne Bangen – und unbefangen:
Mach dir mit Gottes Schutze |
So ließ er mich stehn betroffen – und ging, wo ihm die Welt stand offen.