Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich lebte in Kati'at Elrebi, – als der Frühling der Welt neuen Glanz verlieh, – mit einer Gesellschaft von Jünglingen, deren Angesichter – heller waren als seine Lichter, – und deren Sinn und Gemüte – holder als seine Blum' und Blüte; – deren Anmut süßer als der Morgen taute, – und deren Gespräch entbehrlich machte Flöt' und Laute. – Wir hatten aber geschworen, in treuer Gemeinschaft zu weiden, – jede Trennung zu meiden – und keine Sonderung zu leiden, – sodaß keiner ein Körnlein des Genusses für sich genösse, – noch die andern von einem Tröpflein der Lust ausschlösse. – Da beschlossen wir an einem Tage, dessen Jugend loderte – und dessen Frühglanz zum Frühtrunk auffoderte, – auszuwandeln auf der Freude Spuren – zu einer der grünen Fluren, – daß wir unsere Blicke klärten – an den verklärten Gärten, – und glätteten der Gemüter Falt' und Bruch – durch Regenduft und Blumenruch. – Wir zogen, den Monden gleich an Zahl, – den Trinkgenossen des Gadhime1) gleich an Wahl, – zu einem Geheg', das seinen Schmuck hatte angelegt – und den Glanz seiner Farben angeregt; – und mit uns zog der Kastanienbraune2), – geführt von Schenken guter Laune, – samt dem Sänger, der erweitert des Hörers Brust – und jedes Ohr bewirtet mit Lust. – Als sich mit uns nun niedergelassen die Wonnen – und die Schalen hatten ihren Kreislauf begonnen, – kam uns ein Gast, ein ungebetner, – unumwundner, unbetretner, – vor dessen bejahrtem Mantel wir empfanden ein Grauen, – wie schwarzgelockte Mädchen vor einem Grauen, – und fanden getrübt die Lauterkeit unseres Tags – durch die Einmischung dieses Schattenschlags. – Doch er grüßte mit Annehmlichkeit – und setzte sich mit Bequemlichkeit, – öffnete lächelnden Gesichts – Würzeschachteln der Red' und des Gedichts; – und that nicht, als ob es ihm nicht behagte, – daß niemand Rede stand, wo er fragte, – und wo er nieste, niemand Gott helf sagte3). – Doch wir kamen seiner Freimütigkeit nicht entgegen – und gedachten schon seiner Freiheit das Handwerk zu legen, – als unser Sänger den Laut aufschlug und mit Gesang die Laute schlug:
Wie lang verschmähst du meinen Bund,
So'ad4)? |
Da ward von uns der Zitherschläger gefragt, – warum er erst »dünkt es dir,« dann »dünkt es mich« gesagt? – Doch er schwor bei seinen Eltern im Grabe, – daß er es so von seinem Lehrmeister habe. – Da teilten sich die Stimmen der Gemeinde – und stritten für die zwei Kasus wie Feinde; – die einen behaupteten in beiden Fällen den Dativ, – die andern erlaubten an beiden Stellen nur den Accusativ. – Und es erhitzte sich die Kampflust der Streiter; – da lächelte unser Eingedrungener wie ein Eingeweihter, – ohne daß er die Lippe machte zur Rede weiter; – bis daß nun das Kampfgetöne des kriegerischen Geschlechts verstummt war – und das Waffengedröhne des Wortgefechts versummt war; – da sprach er: Mein Volk, laß dir verkündigen – die Regeln, die bindenden, bündigen, – gegen welche die Sinnigen nicht sündigen. – Der Dativ ist hier statuiert – und der Accusativ sanktioniert; – beide stehn in voller Eintracht und vollkommener Einheit – mit der grammatischen Reinheit; – doch zwischen beiden ist eines Unterschiedes Feinheit, – die sich nicht läßt erfassen von eines Gesetzes Allgemeinheit. – Sprach's, da wurden eins die Entzweiten, – um in Masse gegen ihn zu streiten; – da rief er, bedrängt von allen Seiten: – Heran, wenn ihr im Schilde führet Witze, – denn ich führ in der Rechten Blitze; – wer löst die grammatischen Rätsel, die ich besitze? – Zuerst hört und wenn ihr's wißt, – laßt mich hören, was das ist:
1. |
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Das gestern war und heut gewesen, | |
Nur ratet vereint, – was dieses meint: | |||
2. |
Weil es eins ist, das zerfällt in vieles, | ||
Nun saget genau, – was ist das für ein Bau: | |||
3. |
Höher wird's nicht, aber edler, | ||
Nun erkläret geschwind, – was die zwei Worte sind: | |||
4. |
Wo die Lüfte des Frühlings hauchen, | ||
Nun zeiget an, – wo man das finden kann: | |||
5. |
Es verändert die Farbe nicht, | ||
Nun suchet gelinde, – wo sich dieses finde: | |||
6. |
Es ist der Name einer Frucht, | ||
Nun versuchet kecke, – wie dieses schmecke: | |||
7. |
Wenn's in einer Schale ist, | ||
Nun sprechet meisterhaft, – was ist das für eine Eigenschaft: | |||
8. |
Vom Roß und sich rühmt's der Araber, | ||
Nun fasset weise – und löset leise: | |||
9. |
Welch Wort verliert, wenn ihm ein Un | ||
Nun alle herbei, – sinnet, was dieses sei: | |||
10. |
Da meist es ist dem Fuß verbunden, | ||
Nun wer ergründet, – was das verkündet: | |||
11. |
Mit einer Silb' ist's abgethan; | ||
Doch wer dieses weiß, – dem geb' ich den Preis: | |||
12. |
Zwei Wörter weiß ich, in jedem Worte |
Hier hab' ich euch nun gegeben zwölf Rätsel nach eurer Zahl, – zu eurer Qual; – und wollt ihr mehr, so steht's in eurer Wahl. – Der Erzähler spricht: Unser Scharfsinn stand stutzend – vor seinem Rätseldutzend; – wir wußten seine Hehre nicht zu erklimmen – und in seinem Meere nicht zu schwimmen. – Statt der früheren Beschwerung über seinen Besuch, – beschworen wir nun ihn um Belehrung über seinen Spruch; und der vorigen Verunehrung zum Widerspruch, – unterstützen wir mit Verehrung unser Gesuch. – Und endlich war geschlossen der Kauf, – wir thaten die Hand und er den Sinn uns auf.5) – Als er nun, was er wollte, erbeutet – und, was er sollte, uns gedeutet; da bereuten wir vor seines Geistes Glanz – erst unsres Sinnes Verblendung ganz; – wir reichten ihm, zur Versöhnung ob unserer Verhöhnung, die Schale, – und räumten für unseren Vorwitz ihm den Vorsitz beim Mahle. – Doch er bog sich zurück – und zog sich zurück, – wog das Haupt und zog den Atem lang, – schnob einen Seufzer und erhob den Gesang:
Das Alter hat mich abgemahnt, daß ich mich zugeselle |
So sprach er, dann entwand er sich, wie sich eine Schlang' entwindet, – und verschwand, wie eine Sommerwolke verschwindet; – ich aber wußte, daß es war der serugische Ehrenpreis, – der poetische Mond, der durchwandelt den Sphärenkreis. – Und unseres Mahles letzte Frucht – war Betrübnis über seine Flucht; worauf unsere Lust sich zerstreute, – indem unser Verlust uns reute.
Die Dichter berufen sich auf diesen Namen, wenn sie den Unbestand aller irdischen Verbindungen
beklagen. Denn auch diese vierzigjährigen Trinkgenossen des Gadhime wurden zuletzt vom Tode
getrennt, und nur jene beiden verabschiedeten, die Ferkadan am Himmel, sind noch beisammen; wo sie
es denn jedem neuen Gadhime erlauben, der ihnen eine Schale zutrinken will; denn sie sind ihrer
Sache gewiß, jeden Trinkgenossen niederzutrinken.