Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich ward vom ungestümen Ritte – und vom Unglück, das verhängt war über meine Schritte, – verschlagen in einer Wüste Mitte, – worin ein Spürhund irre ging – und einen Schnapphahn wirre Furcht umfing. – Da empfand ich, was ein einsamer Verirrter empfindet, – und sah, wovor einem die Sehlust schwindet; – nur daß ich mein Herz ermutigte, das beengte, – und mein Tier antrieb, das angestrengte, – und ritt wie ein Mann auf Tod und Leben, – in die Hand des Geschicks gegeben. – Und ich ließ nicht nach mit Trott und Trab – und ritt eine Meile nach der andern ab, – bis der Tag löschte sein Licht, – und die Sonne verhüllte ihr Angesicht; – da schauderte ich, in die Nacht verloren, – unter dem Hereinbruch des Heers der Mohren:1) – Ich wußte nicht, sollt' ich in der Oede rasten, – oder durch die finstre Nacht hintasten. – Während ich so zweifelnd überlegte – und den Entschluß hin und wieder bewegte, – gewahrt' ich zwischen Busch und Fels – wie den Schatten eines Kamels. – Gleich dacht' ich, daß es sein könnt' ein Reittier, – dem freie Weide gönnte sein schlafender Reiter hier; – und behutsam und keck – wandt' ich mich hin nach dem Fleck. – Siehe da, mein Traum war ein Wahrsager, – es war eine Kamelstute derb und hager, – und daneben ihres Herrn Lager, – dem der Mantel umfaltete die Glieder – und der Schlummer salbte die Augenlider. – Da saß ich nieder zu Häupten – des vom Schlummer Betäubten; – bis er im Schlafe sich rührte, – das Augenband entschnürte – und meinen Überfall spürte. – Er zog sich scheu zurück – und rief: Glück oder Unglück? – Ich sprach: kein andrer – als ein verirrter Nachtwandrer. – Ich bringe dir keine Gefährde, – bringe du mir keine Beschwerde. – Er sprach: Gutes Muts, Freund. – Gutfreund ist besser als Blutsfreund! – ein Mensch findet manchen Bruder, – den nicht geboren seine Mutter.2) – Worauf aus meinem Herzen die Unruh' wich – und mein Auge Schlaflust beschlich. – Doch er sprach: Am Morgen lobt man die Nachtreise; – willst du dich bequemen meiner Weise? – Ich sprach: Ich stehe dir zu Gebot wie der Stern seinem Pole, – oder wie seinem Fuß die Sohle. – Da pries er laut meine Freundschaft – und jauchzte ob meiner Gemeinschaft. – Dann sattelten wir unverdrossen – und brachen zur Nachtfahrt auf entschlossen. – Und wir ließen nicht nach, mit dem Ritt uns zu rütteln – und die Schläfrigkeit abzuschütteln, – bis die Nacht war an der Grenz' ihrer Bahnen – und der Morgen erhub seine Fahnen. – Und als die Morgenröte die Sterne vertrieb – und nur der Morgenstern blieb, – sah ich beim ersten Licht – in meines Nachtgefährten Angesicht, – und siehe da, es war Abu Seid, der Erkorne, – das gesuchte Kleinod, das verlorne. – Und wir begrüßten uns, wie nach langer Trennung – zwei Liebende sich begrüßen bei ihrer Wiedererkennung; – dann tauschten wir Kund und Gegenkunde – und berauschten uns aus Freundesmunde. – Doch mein Kamel stieß Seufzer der Ermattung aus – und seines schwebte wie ein junger Strauß; – ich bewunderte seine Geduld im Rennen – und die Ausdauer seiner Sennen, – ich prüfte mit Blicken seine Eigenschaft – und fragte seinen Herrn, wo er es aufgerafft? – Doch er sprach: Ja, diese Kamelstute – hat eine Geschichte, die dem Ohre kommt zu gute – und zur Erquickung gereicht dem Mute. – Willst du sie hören, so laß uns hier Frührast halten, – wo nicht, so will ich sie für mich behalten. – Da hielt ich an mein mageres Tier – und schärfte mein Ohr mit Hörbegier. – Er aber sprach vertraut: – Wisse, daß ich sie erfeilschte in Hadhramaut – und mir um sie mehr Mühe gab als um meine Braut; – da fand ich an ihr, als ich sie erprobt, – mehr als der Verkäufer an ihr gelobt. – Ich reiste mit ihr nördlich und kreiste mit ihr südlich – und fand sie unerschöpflich und unermüdlich; – ich tummelte sie zwischen Ost und West, – und sie blieb mein Trost und mein Fest, – unzugänglich für Hitz' und Frost, – zulänglich war ihr die schmalste Kost; – sie begnügte sich ohne Klage, – zu trinken am dritten Tage; – unhalsstarrig – und ausharrig, – im Maule zart – und von Fersen hart, – deren Huf sich nicht klüftete – und deren Haut sich nicht rüftete, – unbedürftig des Pechpflasters,3) – bar jedes Fehls und jedes Lasters. – Stet segelnd wie ein Schiff – durch des Sandmeers Riff, – stark regend beide Hüften, – wie ein Vogel die Fittiche in Lüften, – über die spitzigen Kiesel – hüpfend als wie ein Wiesel, – über Stock und Steinblock – setzend wie ein Steinbock, – von ihresgleichen unerreichbar, – nur dem Ur an Kraft vergleichbar. – Da ward ich vom Unglück heimgesucht, – und sie nahm die Flucht. – Aus ihrem Verlust kam mir Kummer, – der mir raubte die Lust zum Schlummer, – und um ihr Ausbleiben schmeckt' ich Gram, – der mir den Geschmack an der Nahrung benahm. – So blieb ich drei Nächte verlassen, – ohn' einen Entschluß zu fassen. – Dann ging ich aus, zu suchen auf allen Wegen, – an allen Lagerstellen und Weidegehegen; – doch ich fand kein Hoffnungslicht – und auch die Ruhe der Verzweiflung nicht.4) – Und so oft ich gedachte ihres Sprunges, – ihres vogelgleichen Schwunges, – entseelte mich der Gedanke, – und quälte sich mein Herz, das kranke. – Während ich nun an der gastlichen Flamme – mich wärmte von einem wandernden Stamme, – hört' ich von weitem einen Mann, – der den Ausruf begann: – Wer hat eine edle Reisegefährtin verloren, – die in Hadhramaut ist geboren? – Das Zeichen, an dem sie wird erkannt, – ist ihrem Hinterteil eingebrannt. – Sie ist von derbem Gestelle – und wohlgegerbtem Felle; – ihr Wesen ist sanft und weich ihr Rücken; – den, der sie drückt, wird sie wund nicht drücken. – Sie geht sich keine Schwiele, – jeder Gang gereicht ihr zum Spiele; – auf Wegen, welche holpern, – läßt sie ihren Herrn nicht stolpern. – Anhänglich und unterthänig, – gehorsam, nicht widerspänig, – ist sie schmiegsam am Riemen – und fügsam nach Geziemen, – eine treue Reisebegleiterin, – eine unermüdliche Schreiterin, – ein Schmuck jedem Reiter und jeder Reiterin. – Abu Seid erzählt: Der Ruf war mir zu hören so lieb, – daß ich dem Rufer nicht lange fern blieb; – ich trat ihn grüßend an und verehrt' ihn, – sprechend: Gieb mir meine Reisegefährtin! – Doch er sprach: Gott leite dich im rechten Gleise, – wer ist deine Gefährtin der Reise? – Ich sprach: Eine Kamelstute wie ein Bergeshaupt, – die vor edlem Mute schnaubt, – hochragend wie ein Hausgiebel, – und ihre Milch die Fülle der Kübel. – In Jebrin bot man dafür mir zweihundert, – doch ich wandte mich ab, ob der Ungebühr verwundert. – Wie der Mann hörte die Schilderung aus meinem Mund, – trat er zurück und erklärte rund: – Du bist nicht der Herr zu meinem Fund. – Doch ich fing an auf ihn zu keifen, – mich gegen ihn auf mein Recht zu steifen, – und gedachte beim Kragen ihn zu ergreifen. – Er aber sprach: Guter Freund! es ist dein Tier nicht; – der Zorn ziemt mir nicht und dir nicht. – Doch willst du, so komm vor den Richter dieses Stamms, – den Sichter des Lautern und des Schlamms, – den Schlichter in Sachen des Wolfs und des Lamms; – und schlägt er das Ding dir zu, so nimm es, – wo nicht, so entschlage dich deines Grimmes. – Da sah ich keinen Rat, um aus dem Kot zu bringen den Fuß – und hinunter zu schlingen den Verdruß, – als zum Richter zu lenken flink, – möcht' er nun recht sein oder link. – Da kamen wir vor einen gesetzten Alten, – der seinen Turban legte in wohlstehende Falten – und so sich hielt mit Gleichmute, – daß wohl ein Vogel ihm auf dem Haupte ausruhte.5) – Anhub ich meine Beschwerden und Klagen, – und meine Gefährte schwieg, ohne ihm zu sagen: – bis ich meinen Köcher hatte geleert – und ausgelassen, was mein Herz beschwert; – da zog er hervor eine starke Sohle, – die auf schlimmem Wege gereicht dem Fuß zum Wohle, – und sprach: Diese hat mein Ausruf bezeichnet, – und ihren Eigenschaften war mein Lob geeignet. – Wenn es die ist, für die man ihm bot zweihundert, – so bin ich verwundert; – und entweder er hat übertrieben, – oder er spricht von zweihundert Hieben; – dann mög' es ihm den Rücken zu entblößen belieben, – ob dort der Beweis steht eingeschrieben. – Doch der Richter sprach: Gottes Wunder! – (und wendete die Sohle hinauf und hinunter) – diese hadhramautische Sohl' ist die meinige, – und unter den Kamelen in meinem Stall ist das deinige;– geh und nimm's in Empfang guten Mutes – und thue dein Lebenlang Gutes. – Da sprang – ich auf und sang:
Ich schwör' es bei der Kaaba gottgeweihtem Rund, |
Da erwiderte er ohne Umschweif – aus dem Stegreif:
Hab Dank, mein Vetter, für den Dank aus deinem Mund, |
Dann fertigt' er einen Diener ab, – der mein Kamel mir übergab, – ohne Kostenvergütung – für Fütterung und Hütung, – und ich ritt von dannen in der Freude Trott, – sprechend: Groß ist Gott. – Hareth Ben Hemmam erzählt: Ich rief: Beim Himmel, du hast mich entzückt; – wie kunstreich hast du dein Wort geschmückt. – Ich beschwöre dich bei den Namen6) des Herrn, – sprich, hast du wohl nah oder fern – gefunden einen Beredtern als dich und einen Wortzauberkundigern? – Er sprach: Bei Gott, ja. – Höre, was mir geschah. – Ich ging, als ich kam nach Jemen, – damit um, ein Weib zu nehmen. – Als nun der Zeitpunkt heranrückte, – daß ich zum Werben mich anschickte, – nahm ich die Sache noch einmal in Überlegung – und zog die Folgen in Erwägung. – Ich verbrachte die Nacht im Schwanken – der hin und her bewegten Gedanken, – bis ich mit mir eins ward, früh aufzustehn – und auszugehn, – um dem ersten, der mir begegnen würde, – vorzulegen meine Herzensbürde. – Und als nun die Nacht ihr Zelt abbrach – und das Heer der Sterne floh mit Schmach, – stand ich früh auf vom Lager – wie ein Vogelflug-Befrager – und ging aus aufs Suchen, wie ein Hirt, – dem sich in der Nacht ein Vieh hat verirrt. – Da trat mir in den Weg ein junges Blut, – dem aus den Augen sah der Übermut; – doch die Schönheit, die alles macht gut, – stand auf seinen Wangen in Glut. – Einer seinesgleichen – schien mir ein gutes Zeichen, – und ich erbat mir seinen Beirat – über die Heirat. – Er sprach: Suchest du eine junge Frau, – oder eine Jungfrau? – Ich sprach: Ich geb' in deine Hand das Heft, – gieb du den Ausschlag im Geschäft. – Er sprach: Bei mir ist der Rat, – doch bei dir ist die That; – höre und laß dich erlösen – aus den Fesseln des Bösen. – Zuerst die Jungfrau ist wie in der Muschel die Perle, – wie im frischen Wasser die Schmerle, – das unberührte Ei im Neste, – die ungepflückte Frucht der Äste, – der Most im Fasse verschlossen, – dessen Süßigkeit niemand genossen, – und dessen Duft nur sich ergossen. – Sie ist die mängellose – unaufgeblätterte Rose, – der unbenagte Frühlingsstrauch, – der ungetrübte Morgenhauch, – das reine Feuer ohne Rauch; – eine unbeweidete Flur, – das Lamm vor der Schur, – ein neues Geschmeid', – ein ungetragenes Kleid, – ein Spiegel, vor dem sich niemand geschmückt – und dem noch kein Bild ist eingedrückt. – Kein Scherzender hat sie umscherzt, – kein Herzender hat sie geherzt, – kein Schmerzender hat sie geschmerzt; – ihre Sonne hat kein Gewölk überschattet, – und kein Traum hat sich ihrem gegattet. – Schamrot ist ihr Angesicht, – und verzagt ist, was sie spricht: – ihr Gemüt ist verhohlen, – und ihr Blick ist verstohlen. – Sie ist das neue Spiel, – das ungetroffene Ziel, – mit dem Knoten der Schwierigkeit geschürzt, – mit dem Reize der Neuheit gewürzt, – eine Schüssel ohne Sättigung, – ein Bett, das nicht alt macht, sondern jung. – Hinwieder die junge Frau ist ein gezähmtes Wild, – ein gebautes Gefild' – ein zugerittenes Tier, – eine bequeme Zier, – ein Kern ohne die Schalen, – ein Genuß ohne die Qualen, – eine Frucht, zu schütteln in der Reife, – eine leicht zu lösende Schleife. – Sie ist nicht spröde – und ist nicht blöde; – sie hat gelernt die Haushaltungskunst – und versteht, zu schüren die Brunst; – sie ist die Thür, die ist aufgethan, – wie du klopfest an; – sie ist der leicht zu ersteigende Baum, – das Roß, das schon gewohnt ist den Zaum, – das Maultier, das schon getragen den Saum, – der gemächliche Zelter – für den Reiter, der schwächer ist und älter; – die Suppe, die man nicht zu blasen braucht, – der Bissen, der nicht raucht, – der Löffel, der ist eingetaucht. – Sie ist der zugängliche Bronnen – der leicht zu schöpfenden Wonnen, – der gebahnte Steg, – der befahrne Weg. – Nun hab' ich dir die beiden gemalt, – wie jede in ihrer Weise strahlt; – auf welche geht nun deine Lieb' – und auf welche steht dein Trieb? – Abu Seid erzählte: Da merkt' ich wohl, daß er sei der scharfe Stein, – auf den zu treten bringt Schwielen ein; – doch ich sprach zu ihm: Ich habe gehört, Jungfrauenliebe sei wärmer – und ihr Herz an Verstellung ärmer. – Er sprach: Jawohl, das ist, was man spricht, – – doch was spricht man nicht! – Siehst du nicht? sie ist das unzugerittene Fohlen, – die unangeblasenen Kohlen; – sie ist die verdeckte Schüssel, – das Schloß ohne den Schlüssel, – die harte Nuß, die aufzuknacken – man anstrengen muß den Kinnbacken. – Sie ist das ungegerbte Leder, – die unabgeschriebene Feder, – die ungebeugte Ceder, – der neue Weg, auf welchem knarren die Räder. – In deinem Herzen erregt sie Aufstand, – in deinem Hause fordert sie Aufwand; – sie wird begehrlicher, je mehr du ihr giebst, – und gefährlicher, je mehr du sie liebst; – sie wird, weil sie reizt, sich spreizen – und mit ihren Reizen geizen – und dich zum Zorne reizen. – Ich sprach: Und was sagst du nun von der jungen Frau, – o du junger Pfau? – Er sprach: O weh, kann deine Begierde locken – ein von fremdem Zahn angebissener Brocken? – eine abgeschüttelte Krume, – eine abgefallene Blume, – eine abgedroschene Tenne, – eine abgespannte Bogensenne, – eine abgetretene Henne, – ein ausgebrannter Zunder und ein – abgeschlagener Feuerstein? – Ihr Herz ist ein Schrein, – einen Mann thut sie aus und den andern ein; – wie sie ist von dem einen geschieden, – wird sie beim andern nicht sein zufrieden; – sie ist reich an Vergleichen, – die dir zum Nachteil gereichen; – sie wird um ihren ersten stöhnen, – um ihren zweiten zu verhöhnen, – und um den zweiten sich nicht grämen, – um den dritten zu nehmen. – Ich sprach: Nun was rätst du mir dann, – o verständiger Mann? – Soll ich etwa ein Mönch werden, – um zu entgehn den Frauenbeschwerden? – Da hub er an, sich zu gebärden – wie ein Meister mit dem Schulstabe, – wenn sich vergeht ein Schulknabe, – und rief: Weh dir, willst du gehn auf den Spuren – derer, die zum Verderben fuhren? – Dein Verstand ist gewiß lahm, – sonst wüßtest du, daß »kein Mönchtum ist im Islam«7) – War dein Prophet, dem Gott gegnadet, – nicht geheiratet? – Und hast du nicht gehört, daß ein frommes Weib, – ist ein edler Zeitvertreib – und eine Wohlthat an Seel' und Leib? – die in den Augen wohlthut – und im Herzen macht wohlgemut, – ein Würze der Lebenskost, – eine Kühlung in der Hitz' und eine Wärm' im Frost; – die gehorchet ihres Mannes Worten – und schließt seines Hauses Pforten, – seine Begierden beschränket, – seinen Sinn zur Begnügsamkeit lenket, – daß er seinen Haushalt wohlbestellt – für diese und die künftige Welt. – Willst du werden zum Verräter – an der Satzung deiner Väter? – Willst du wie die Thoren verderben – und nicht wie die Frommen sterben, – die Gottes Segen erwerben – und hinterlassen Erb' und Erben? – Hui! wie bist du geblendet. – Pfui! wie hast du dich in meinen Augen geschändet. – Da wandt' er sich ab mit Grollen – und ließ mich stehen wie einen Tollen. – Doch ich rief: Gott verdamme dich! gehst du davon mit leichtem Mut – und lässest mich stehn in der Zweifel Flut – und in der Verzweiflung Glut? – Er rief: Ich denke, der Teufel – ist der Vater deiner Zweifel; – du scheinst dir nur nicht zuzutrauen, – deinen eigenen Acker zu bauen, – weil dir's dünkt bequemere Sache, – dich zu ernähren auf der Brache. – Da verschwand er, und ich stand beschämt, einen Knaben – in solchen Dingen um Rat gefragt zu haben. – Hareth Ben Hemmam erzählt: Ich sprach: Beim Morgengeblök der Kälber! – Beim Segen aller roten Kamel' und gelber! – gesteh's, den Streit hast du mit niemand geführt als dir selber. – Da platzt' er in eine Lache – und schnauft' als wie ein Drache, – dann rief er: laß dir den Honig munden – und frage nicht, wo er ist gefunden. – Da hub ich an, herauszustreichen Kunst und Witz – und beiden den Preis zu reichen vor Geld und Besitz; – doch er blickte dazu, als versteh' er nicht, – und blinzte mich an, als seh' er nicht. – Dann, als sich breit meines Eifers Strom ergossen – für die Ehre der Kunst und ihrer Genossen, – sprach er: Still! – Höre was ich dir sagen will:
Die Kunst ist, sagen sie, der Schmuck des Mannes; |
Dann sprach er: Laß uns nur weiter gehn, – und du sollst die Beweise sehn. – Worauf wir die Tiere zäumten – und davonsprengten, daß sie schäumten; – bis wir wurden getragen vom scharfen Ritte – vor ein Dorf, wo ausgewandert war die Sitte – und wir wollten dringen in seine Mitte, – weil, da unser Futtersack leer war, – ihn zu füllen unser Begehr war. – Da kam, tragend ein Bündel Reiser, – ein junger Range, dem eben die Stimme ward heiser. – Ihn grüßte Abu Seid mit dem Gruß der Muselmanen – und begann, den Weg des Gesprächs zu bahnen; – doch der Junge sprach: Was begehrst du? geleite dich Gott! – Abu Seid sprach: Verkauft man hier etwa Rahm – für ein Epigramm? – Er sprach: Nein, bei Gott! – Oder eine Schote – für eine Ode? – Er sprach: Wahrlich nein, bei Gott! – Oder ein Fleischgericht – für ein Preisgedicht? – Er sprach: Nein, verhüte Gott! – Oder Grütze – für Witze? – Er sprach: Mitnichten, schweig, um Gott! – Oder eine Brotkrume – für eine Redeblume? – Er sprach: Wo denkst du hin? geh mit Gott! – Oder einen Topf voll Schmalz – für einen Kopf voll Salz? – Er sprach: Du faselst, behüte dich Gott! – Oder einen Dattelstiel – für einen guten Stil? – Er sprach: Was soll's? verdamm dich Gott! – Und Abu Seid gefiel sich, die Fragen zu mehren, – und ließ sich die Antworten nicht beschweren; – da merkte der Junge, daß es hab' einen Haken – und daß dem Alten ein Teufel sitz' im Nacken, – und sprach: Nun zur Genüge! – erspare dir deine Züge; – ich bin hier zu Haus – und weiß, wo du willst hinaus; – nimm die Antwort in Bausch und Bogen – und bleib mir gewogen! – In diesem Orte kauft man keine Witze für Weizen – und keinen Dünkel für Dinkel, – keine Prosa für Brosamen – und keine hochtrabende Verse – für eine trabende Färse; – keine neue Märe für eine alte Mähre, – keine Reden für ein Ried, – noch für Thon und Leden einen Ton und ein Lied. – Lokmann8) kann mit seiner Weisheit Brocken – hier keinen Hund aus dem Ofen locken. – Hier ist keiner, dessen Gold klingt, – wenn man hold singt, – noch der da Honigseime bietet, – wenn man Reime schmiedet. – Hier gilt der Grundsatz: Kunst und Verstand – ist ein trockenes Weideland; – wenn das Land hat keinen Regen, – so bringt es keinen Segen, – und das Vieh wird's nicht mögen; – und also Weisheit und Kunst – ohne Geld und Gut ist umsunst, – bei der Welt ohne Gunst. – Worauf er den Rücken wandte – und seines Weges rannte. – Da sprach Abu Seid: Nun siehst du, die Kunst ist am Erblassen, – von ihren Beschützern verlassen. – Und ich rühmte seinen richtigen Blick – und beklagte der Kunst Geschick. – Doch er sprach: Lassen wir die gelehrten Fragen – und hören auf das, was heischt der Magen; – du wirst es mir bestätigen – das die Reime nicht sättigen: – welcher Rat ist also, den Brand zu dämpfen – und gegen das Verhungern anzukämpfen? – Ich sprach: ich gebe das Ruder in deine Hand, – siehe, wie du das Schifflein bringest vom Sand. – Er sprach: Mir fällt ein, hier dein Schwert zu versetzen – und dafür dich und deinen Gast zu letzen; – gieb, und mögest du inzwischen die Zähne wetzen, – bis ich komme, dich zu ergötzen. – Mir kam nichts Böses in den Sinn, – und ich reichte mein Schwert ihm hin; – da trieb er sein Kamel und ritt ohne Scheue – davon mit meinem Schwert und seiner Treue. – Ich wartete erst eine Weile, – dann setzt ich ihm nach in Eile; – doch ich war wie einer, dem im Sommer die Milch ausgegangen,9) – ich konnte weder ihn noch mein Schwert erlangen.