Das Mühlmännlein und der Spielmann von Haslach

Ein lustiger Spielmann aus Haslach, der durch seinen Leichtsinn seinem Weib viel Anlaß zu Verdruß bot, ging einmal im Tal der großen Mühl zu einer Hochzeit nach St. Oswald, um dort aufzuspielen. Bei dem Schlößchen Lichtenau kam ein kleines Männlein auf ihn zu, das auf einem kleinen Pferd daherritt. Der kleine sah gar seltsam aus. Er steckte in einer grünen Gewandung, und grünes Haupt- und Barthaar umrahmte sein braunes Gesicht, aus dem ein paar glühende Augen leuchteten. Die Kleider des Kleinen und das Zaumzeug des Pferdes waren mit Sumpf- und Wasserpflanzen geschmückt, wie man sie in der Mühl findet.

"Wohin des Weges?" fragte der sonderbare Zwerg den erstaunten Spielmann.
"Ich gehe nach St. Oswald", entgegnete dieser, "um bei einer Bauernhochzeit zum Tanz aufzuspielen."
"Laß die St. Oswalder", meinte das Männlein, "die werden auch ohne dich auskommen. Ich habe ebenfalls heute meinen Hochzeitstag und sähe es gern, wenn du mit mir kämest, um bei meiner Hochzeit zu spielen. Es soll dein Schaden nicht sein."

Der Spielmann besann sich nicht lange und ging mit dem Zwerg, der ihn zur Mühl führte und in das Wasser hineinschritt, das vor ihm zurückwich. Eine kristallene Stiege kam zum Vorschein, die in die Tiefe hinabführte, wo sich ein eisernes Tor vor den beiden öffnete. Ein prächtiger in Felsen ausgehauener Saal lag vor ihnen, der in hellem Lichterglanz erstrahlte. Tiefgrün glänzende Schlingpflanzen schmückten die Wände des Raumes. Hier sollte die Hochzeit stattfinden. Das grüne Männlein forderte den Geiger auf, sein Spiel zu beginnen. Als die ersten Geigentöne erklangen, taten sich im Hintergrund mehrere Türen auf, und ein kleines grünes Völklein betrat paarweise das Gemach. Munter fingen sie an, sich nach den Klängen der Weisen im Tanz zu drehen, und der kleine Bräutigam schwenkte begeistert seine zierliche Braut. Der Spielmann spielte und spielte, bis daß ihm die Finger weh taten; er wußte selbst nicht wie lange. Als aber der Abend heraufkam, endete das Fest, und die kleinen Tänzer und Tänzerinnen schritten wieder paarweise aus dem Saal. Nur die Braut war zurückgeblieben und flüsterte dem Spielmann ins Ohr: "Zum Lohn für dein Spiel verlange nichts anderes, als was im Kehricht hinten dem Besen liegt!"

Nach einer Weile kam der Bräutigam zum Geiger und fragte ihn, was er für das Spiel schuldig sei.
"Ich verlange nichts anderes", erwiderte dieser nach dem Rat der Braut, "als was im Kehricht hinter dem Besen liegt!"
"Du hast keine schlechte Wahl getroffen", rief lächend der Zwerg. "Es sind nur drei Kreuzer, aber jeder Kreuzer kann dir einen Wunsch erfüllen."

Enttäuscht nahm der Spielmann die Münzen, er hörte kaum, was der Zwerg von den Wünschen sprach; dieser Lohn dünkte ihm lächerlich gering, und unwillig steckte er das Geld in die Tasche.

Nun führte das Männchen den Geiger aus dem Saal, und mit einemmal stand er wieder auf der Wiese am Ufer der Mühl und wußte nicht, ob er träume oder wache. Als er sich aber umdrehte, sah er im Abenschein das Schloß Lichtenau und rechts davon den mächtigen Turm von Haslach. Froh wanderte er nach Hause.

Sein Weib empfing ihn mit Vorwürfen; denn er war acht Tage fort gewesen, und sie hielt ihm seinen alten Leichtsinn vor. Ein Wort gab das andere, und bald waren sie im schönsten Zank gegriffen. Plötzlich erinnerte sich der Spielmann seiner Wunschkreuzer, griff zornig in die Tasche und nahm eine Münze heraus, wobei er rief: "Wenn wirklich jeder Kreuzer einen Wunsch erfpllt, so wünsche ich dir, daß dich der Leibhaftige auf des Teufels Tanzboden am Eckartsberg führt!"

Kaum hatte er das gesagt, als sich ein furchtbarer Sturm erhob, der Türen und Fenster aufsprengte und die Frau mit sich fortriß. Entsetzt nahm der Spielmann den zweiten Kreuzer und wünschte seine Frau wieder zurück, die nach kurzer Zeit zitternd neben ihm stand, während sich der Sturm wieder legte. Dieses schreckliche Ereignis wurde bald in der ganzen Umgebung bekannt, und alle Leute mieden das Ehepaar; denn man meinte, es gehe bei ihnen nicht mit rechten Dingen zu. Der Spielmann gab sein leichtsinniges Leben auf und beschloß, in die Fremde zu ziehen. Zuvor aber nahm er den dritten Kreuzer und warf ihn schaudern von sich. Sein Weib aber hob ihn auf und steckte ihn in des Mannes Geldbeutel.

So zog er denn fort, kam weit herum und hielt sich stets brav und anständig. Als aber die Sehnsucht nach der Heimat zu mächtig in ihm wurde, wollte er sich wieder heimwärts begeben. Er mußte eine Strecke zu Schiff über das Meer fahren. Da brach ein furtbares Unwetter los, und das Schiff geriet in höchtste Gefahr, im Sturm unterzugehen. Die Schiffer wußten sich keine Rat mehr. Ein Graf, der Schiffsgast war, versprach dem, der ihn retten würde, eine große Summe Goldes. Nun erinnerte sich der Spielmann an den dritten Wunschkreuzer, den er bei sich trug. Er nahm ihn aus dem Beutel und wünschte ruhige See, und sofort verflog der Sturm, und die Wogen des Meeres beruhigten sich. Nicht ohne Grauen übergab der Graf dem stillen Spielmann das Gold. Dieser kam glücklich nach Hause und war wirklich ein anderer Mensch geworden.

Mit Hilfe seines ersparten Geldes und des auf dem Meere erworbenen Goldes richtete er sich einen Laden ein und gelangte bald, von seiner treuen Gattin unterstützt, zu Wohlhabenheit und Ansehen. Er wurde Marktrichter in Haslach und verwaltete sein Amt mit Umsicht und Gewissenhaftigkeit, sorgte für die Armen und Kranken und starb nach einen pflichtbewußten Leben, beweint und betrauert von seinen Mitbürgern.