Dritter Band.

Vorwort

Mit wenigen Worten, ganz wider mein anfängliches Vorhaben, muß ich am Schluß vorliegender Sammlung von deren Freunden Abschied nehmen, da ich infolge schwerer halbjähriger Krankheit gezwungen bin, mich jeder angestrengteren Geistestätigkeit zu entschlagen. Hierin liegt auch der Grund, warum so manche freundliche Zuschrift geehrter Mitarbeiter unbeantwortet blieb.

Wer einem Buch gerecht werden will, hat sich auf den Standpunkt des Verfassers zu stellen und die Verhältnisse, unter denen das Werk entstanden ist, ins Auge zu fassen. In dieser Hinsicht erkläre ich wiederholt, daß die Herausgabe dieser Sammlung weit weniger das gelehrte als das gebildete größere Publikum im Auge hatte. Dabei hat sich einiger Widerstreit mit den Anforderungen der strengen Wissenschaft nicht vermeiden lassen. Etliche Freunde der Mythenforschung wollten es mir verargen, daß die Sammlung nicht ausschließlich für sie bestimmt worden ist. Ich will offen bekennen, was mich bewogen hat, das Buch so und nicht anders zu verfassen.

Einmal schien es, aus früher dargelegten Gründen, ein nützliches und verdienstliches Unternehmen, das Interesse für die verachtete oder vergessene heimatliche Sage beim Publikum anzuregen. Das hätte wohl schwerlich durch eine Sammlung geschehen können, die, rein nach mythischen Prinzipien geordnet, nur die für deutsche Götterlehre interessanten Sagen beachtet hätte. Daß ich meinen Zweck einigermaßen erreichte, beweist sowohl die Verbreitung des Buches als auch die im Verlauf der Herausgabe gesteigerte Mitteilung von Beiträgen, die erkennen ließ, daß man jetzt für viele Dinge Augen hatte, die man früher als wertlos keiner Aufmerksamkeit würdigte. Wenn vorliegende Sammlung hinsichtlich der Vollständigkeit und Ergiebigkeit für Mythologie noch vieles zu tun übrig läßt, so wird man ihr doch, was auch von kompetenter Seite geschehen ist, das Verdienst zuerkennen, die öffentliche Teilnahme für ein brachgelegenes Feld neuerdings geweckt und ebendadurch auch der Bereicherung der Wissenschaft selbst vorgearbeitet zu haben.

Nächst diesem Motiv der besonderen Anlage unseres Sagenbuchs war noch ein anderes in den eigentümlichen Verhältnissen einheimischen Verlags gegeben. Viele Verleger haben die Erfahrung für sich, daß literarische Unternehmungen, die zunächst nur auf die Teilnahme eines bayrischen Leserkreises zu rechnen haben, etwas gewagt erscheinen, sobald sie umfangreicher sind und bedeutende Kosten der Herstellung in Anspruch nehmen. Ich war anfänglich Willens, die poetischen Sagen von den prosaischen auszuscheiden, und letztere mehr im Sinne des wissenschaftlichen Bedürfnisses getrennt erscheinen zu lassen; allein für eine so geordnete Sammlung war es schwierig, einen Verleger zu gewinnen. Indessen habe ich bereits im zweiten, noch mehr aber im dritten Band die poetischen Mitteilungen beschränkt und der Sage in ihrer einfachsten Gestalt ein weiteres Feld eingeräumt. Zu den poetischen Mitteilungen kann man auch jene zu Erzählungen und Novellen erweiterten Sagen rechnen, wie sie zum Beispiel in der Zeitschrift »Europa« von K. W. Vogt oder in den früheren Jahrgängen des »Morgenblatts« und der »Charitas« (»Bilhildis« v. Schubert, 1840; »Die goldenen Schneereiflein« von J. v. Braun, 1847, u. a.) und sonst anzutreffen sind oder wie erst neulich Jansen die »Fränkischen Sagen« zu bearbeiten begonnen hatte. Dagegen nahm ich ohne Anstand alle nicht mythischen Sagen auf, wenn diese ein historisches, namentlich kulturgeschichtliches Interesse boten. Dahin gehören z. B. zahlreiche Hunnen-, Hussiten-, Schwedensagen. Der Mythenforscher mag sie entbehrlich finden, der Geschichtsforscher muß sie willkommen heißen, denn sie haben in ihrer Fortdauer und Ausdehnung über gewisse Gegenden die Kraft und Geltung urkundlicher Belege.

Diese Bemerkungen mögen dazu dienen, Urteile über meine Sammlung, die rein das gelehrte Interesse im Auge haben, zu berichtigen. So hatte sich namentlich J. W. Wolf, der verdienstvolle deutsche Mythologe, nach Ansicht der ersten Hefte etwas ungehalten über mein Verfahren ausgesprochen. Ganz anders lautet sein Urteil über die Fortsetzung der Sammlung im Vorwort zu den »Hessischen Sagen« (Göttingen und Leipzig 1853, S. VIII.), wo auch der allerhöchsten Veranlassung des Unternehmens in ziemenden Worten gedacht wird: »Es ist darum wohl Pflicht für einen jeden, der da kann, an dem Aufbau des von beiden Grimm begonnenen Werkes rüstig mitzuwirken. Die Erkenntnis dieser Pflicht macht sich Bahn, und es ist eine herzerfreuende Wahrnehmung, daß selbst zwei deutsche Könige es sich angelegen sein ließen, in ihren Staaten den Arbeitern an dem Werk hilfreich und schützend unter die Arme zu greifen; der König von Preußen, dessen Regierung auch M. Haupts ›Zeitschrift für deutsches Alterthum‹ großmütig unterstützte, und der König von Bayern, der zur Herausgabe des ›Bayrischen Sagenbuches‹ die Hand bot.« In gleicher Weise haben sich schon früher der Rezensent meiner Sammlung in der Allgem. Zeit. sowie W. Menzel im Literaturblatt ausgesprochen. Ich halte mich verpflichtet, auf so kompetente Stimmen hinzuweisen, weil sie in den Ausdruck des Dankes einstimmen, den ich dem erhabenen Förderer meines Strebens schuldig bin. Erlange ich, so Gott will, die Gabe der Gesundheit wieder, so sollen diesen Studien vermehrte Kräfte und reifere Einsicht gewidmet werden.

Es erübrigt mir, am Schluß meines Werkes noch einmal jenen werten Freunden und Mitarbeitern herzlichen Dank zu sagen, die mich durch ihre gütigen Mitteilungen so vielfach unterstützt und gefördert haben. Die nummernweise Verzeichnung der Beiträge im zweiten Band hat einigen Anstoß gegeben, weil ein und dieselben Sagen oft von zwei oder drei Seiten mitgeteilt waren. Es folgen daher einfach die Namen der Herren, von denen ich für den dritten Band prosaische Beiträge erhalten habe. Beck in München, Blaul in Frankenthal, K. Böhaimb in Hütting bei Neuburg, Dellinger in Weßling (Oberb.), J. Englert in Würzburg, Gärtner in Ingelheim (Pfalz), v. Gäßler in Moosburg, Gmelch in Eichstätt, Goßmann in München, Hertel in München, A. Kaufmann in Heubach, Kraus in Pflochsbach (Unterfr.), Frhr. Lochner von Hüttenbach in Lintach bei Amberg, Marchinger in Kaufbeuren, G. R. Marschall in Aub, Martin in München, Adalb. Müller in Regensburg, P. Rickl in Eichstätt, A. Pangkofer in München, F. Graf Pocci in München (Mitteilungen zum Teil aus L. Schwanthalers Nachlaß), J. B. Prechtl in Unterammergau, K. Rehlen in Nürnberg, J. Ruttor in Würzburg, B. Strauch (Dr. Schrauth) in Neumarkt, F. Schmid in Memmingen, Seybold in Thierstein, Frhr. v. Sichartshoff auf Hofeck bei Hof, J. B. Tafratshofer in Regensburg, K. Ulmer in Ansbach, H. Weininger in Regensburg, L. Zapf in Münchberg, Zöllner in Aub, B. Zöpf in Oberdorfen (Oberb.).

Diejenigen Freunde der vaterländischen Sagenforschung, die mir noch fernere Beiträge (entweder für eine zweite Auflage der Sammlung oder einen Ergänzungsband) mitzuteilen gedenken, ersuche ich, bei der Unstetigkeit meines Aufenthaltes ihre Zuschriften durch Buchhändlergelegenheit oder frankiert an die Verlagshandlung des Sagenbuches gelangen zu lassen.

Wildbad Gastein,
den 30. August 1853
Dr. A. Schöppner    
Professor zu München


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