Jörg Wickram

Von einem armen Studenten, so aus dem Paradies kam, und einer reichen Bäuerin

Durch ein Dorf ging einmal ein armer Student, welcher wenig Zehrung im Säckel bei sich trug und aber die Fuß lieber unter dem Tisch hatt, denn daß er sollt in einem Buch studieren, als man deren noch viel findet. Als er aber nun wohl in das Dorf hineinkommt, geht er gegen eines reichen Bauren Haus, welcher nit daheim war, sondern in das Holz gefahren.

Die Frau aber, welche zuvor auch einen Mann gehabt, so Hans geheißen und ihr vor wenig Jahren gestorben war, weshalben sie jetzt den anderen Mann hatt, dieselbig Frau steht in dem Hof vor dem Haus. Und so sie den Studenten ersieht, spricht sie ihn an, fragt ihn, wer er sei und von wannen er komm.

Antwortet; der Student: »Ich bin ein armer Student und komm von Paris.«

Die gut einfältig Frau verstund's nit recht, vermeint, er hatt gesagt, er komm aus dem Paradies, deshalben sie ihn noch einmal fragt: »Kommt Ihr aus dem Paradies?«

»Ja, liebe Frau«, sprach der Student, denn er merkt von Stund an wohl, wen er vor sich hatt.

Da sprach die Bäuerin: »Lieber guter Freund, kommt mit mir in die Stuben! So will ich Euch etwas weiteres fragen.«

Als er nun in die Stuben kam, da hieß sie ihn niedersitzen, fing an und sprach: »Mein guter Freund, ich hab zuvor auch einen Mann gehabt, hat Hans geheißen, der ist vor dreien Jahren gestorben. Ach du mein lieber Hans, Gott tröst dein liebe Seel! Ich weiß, daß er im Paradies ist; er ist wohl so ein frommer Mensch gewesen. Lieber Freund, habt Ihr ihn nicht im Paradies gesehen; Oder kennt Ihr ihn nit?«

Der Student sagt: »Wie heißt er mit dem Zunamen?«

Sie sprach: »Man hat ihm nur Hans Gutschaf gesagt; er schielet ein wenig.«

Der Student besinnt sich und sprach: »Botz ja, ich kenn ihn jetzt wohl.«

Die Frau sprach: »Ei, lieber Freund, wie geht's ihm, meinem guten Hansen;«

Der Student antwortet und sprach: »Schlechtlich genug. Der arm Tropf hat weder Geld noch Kleider. Wenn gut Gesellen nit das best getan hätten bisher, er war wohl Hungers gestorben. Denn wo etwan gut Gesellen beieinander zechen, so holt er Wein und Brot und schenkt ihnen ein.«

Da die Frau das hört, fing sie an zu weinen und sprach: »Ach du mein Hans, nun hast du nie keinen Mangel bei mir gehabt und mußt erst in jener Welt Mangel leiden! Hätt ich das gewußt, ich wollt dich wohl versorgt haben mit Kleidern und mit Geld, daß du auch ändern gleich hättest mögen zehren; denn du von Gottes Gnaden noch gute Kleider hast. Hätt ich nur einen Boten, ich wollt dir's schicken und ein guten Zehrpfennig dazu.«

Der Student, als er solches hört, sprach er zu der Frauen: »O liebe Frau, seid guter Ding! Wenn es nur an einem Boten mangelt, so will ich Euch wohl so viel zu Gefallen tun und ihm's bringen. Denn ich jetzt demnächsten wiederum ins Paradies will; ich hab etlichen mehr Geld zu bringen.«

Als die Bäuerin solches hört, war sie froh und bracht dem Studenten zu essen und trinken und hieß ihn redlich zechen. »Denn ich will«, sprach sie, »dieweil ein Ding zusammensuchen.«

Also geht sie hinauf in die Kammer über den Kasten, da des Hansen Kleider lagen, und nimmt etliche Hemder, zwei Paar Hosen und den gefüllten Rock samt etlichen Fatzenettlein Tüchlein, macht's auf das geschmeidigst ein, daß es fein kommlich zu tragen ist. Danach hat sie etlich alt ungarisch Gulden und gut alt gestampft Plapphart Groschen, bindet's in ein weiß Lümplein, gibt's dem Studenten mitsamt der Bürde und schenkt ihm auch etwas, damit er's desto fleißiger ausrichte.

Als er nun gessen und trunken hat, nimmt er die Bürde mit den Kleidern auf den Hals, dankt der Frauen und zeucht damit davon.

Nun war es eben um Mittag, daß der Bauer aus dem Holz heimkam, lief ihm die Frau entgegen und sprach: »Lieber Hauswirt, soll ich dir nit Wunder sagen? Es ist ein Mann bei mir gewesen, der kommt aus dem Paradies und kennt mein Hansen selig wohl; er hat mir gesagt, wie er so arm sei und großen Mangel leide. Da bin ich hingangen, hab ihm seine Kleider geschickt samt etlichen ungarischen Gulden und gestampften Plappharten, welche du nit gewußt hast, und sollt dich der Ritt schitten.«

Der Bauer erschrak und sprach: »Ei, du hast es dem Teufel auf den Kopf geben!« Sitzt schnell aufsein besten Hengst und eilt dem Studenten nach.

Der Student aber stets hinter sich luget (denn er versah sich wohl, es würd also gehn). Als er den Bauren sieht hernach eilen, wirft er geschwind die Bürde in ein Heck und find't ungefähr ein Paar Heckhandschuh und ein Schaufel; die legt er an.

Als nun der Bauer zu ihm kam, fragt er, ob er nit einen mit einer Bürde gesehen hab.

»Ja, alsbald er Euch gesehen, ist er über den Heck gesprungen und dem Holz zugelaufen.«

Der Bauer sprach: »Lieber, halt mir's Roß! So will ich ihm nacheilen.« Springt damit über den Heck dem Holz zu.

Der Student nimmt die Bürde, sitzt aufs Roß und reitet davon.

Als nun der Bauer niemand fand, kehrt er wieder um. So find't er weder das Roß noch den, der's ihm gehalten hat; da gedacht er wohl, wie es zugangen war.

Als er nun heimkommt, fragt ihn die Frau, ob er ihn gefunden hab.

Er sagt: »Ja, ich hab ihm das Roß dazu geben, daß es ihm desto bälder werde.«