Der König, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.
König.
Er gefällt mir gar nicht, und es würde auch nicht sicher
für uns seyn, diese Tollheit so ungebunden fortschwärmen
zu lassen. Macht euch also reisefertig; ich will euch unverzüglich
eure Instruction aufsezen, und er soll mit euch nach England.
Die Umstände gestatten nicht, uns den Gefahren bloß
zu stellen, welche stündlich aus seinen Mondsüchtigen
Launen entstehen können.
Güldenstern.
Wir wollen uns anschiken; es ist eine höchst gerechte und
heilige Furcht, für so vieler tausend Personen Sicherheit
besorgt zu seyn, die in Eu. Majestät leben.
Rosenkranz.
Es ist die Privat-Pflicht eines jeden Menschen, alle Kräfte
seines Verstands dazu anzustrengen, sich selbst vor Schaden zu
bewahren: Aber vielmehr ist es eine Pflicht deßjenigen Geists,
der die Seele des ganzen Staats-Körpers ist, und von dessen
Wohl das Leben so vieler andern abhängt. Der Tod eines Königs
ist nicht der Tod eines einzigen, sondern zieht, wie ein Strudel
alles was ihm nahe kommt, in sich. Er ist wie ein Rad, das von
dem Gipfel des höchsten Bergs herunter gewälzt, unter
seinen ungeheuren Speichen tausend kleinere Dinge die daran hangen
zertrümmert. Ein König seufzt nie allein; wenn er leidet,
leiden alle.
König.
Rüstet euch, ich bitte euch, aufs eilfertigste zu dieser
Reise; wir müssen dieser Gefahr Fesseln anlegen, die bisher
so frey herum gegangen ist.
Beyde.
Wir wollen unser äusserstes thun.
(Sie gehen ab.)
Polonius tritt auf.
Polonius.
Gnädigster Herr, er ist im Begriff, in seiner Frau Mutter
Cabinet zu gehen; ich will mich hinter die Tapeten versteken,
um zu hören, wie sie ihm den Text lesen wird. Denn wie Euer
Majestät sagte, (und es war weislich gesagt) es ist nicht
überflüssig, daß noch jemand andrer als eine Mutter,
(die das mütterliche Herz immer partheyisch zu machen pflegt)
mit anhöre, was er zu seiner Verantwortung sagen wird. Lebet
wohl, mein Gebieter, ich will euch wieder aufwarten, eh ihr zu
Bette geht, und euch erzählen, was ich gehört haben
werde.
(Er geht ab.)
König.
Ich danke euch, mein ehrlicher Polonius. (allein.)
O! Mein Verbrechen ist stinkend; es riecht zum Himmel hinauf;
es ist mit dem ältesten Fluche beladen; ein Bruder-Mord -
- Beten kan ich nicht - - wie könnt' ich, da ich, in innerlichem
Streit zwischen meiner Neigung und meinem Vorsaz demjenigen gleich
bin, der zwey Geschäfte vor sich liegen hat, und unterm Zweifel,
welches er zuerst thun soll, beyde versäumt. - - Wie, wenn
diese verbrecherische Hand diker als sie ist, mit Bruder-Blut
überzogen wäre? Hat der allgütige Himmel nicht
Regen genug, sie schneeweiß zu waschen? Wozu dient Barmherzigkeit,
als dem Verschuldeten Gnade zu erweisen? Hat nicht das Gebet diese
doppelte Kraft, uns Unterstüzung zu verschaffen, eh wir fallen,
oder Vergebung, wenn wir gefallen sind? So will ich dann aufschauen
- - Mein Verbrechen ist hinweg. Aber, o! was für eine Formul
von Gebet kan ich gebrauchen? - - »Vergieb mir meinen schändlichen
Mord!« - - Das kan nicht seyn, da ich noch immer im Besiz
der Vortheile bin, um derentwillen ich diesen Mord begieng - -
meiner Krone, und meiner Königin? Wie kan ein Verbrecher
Vergebung hoffen, so lang er sich den Gewinn seiner Uebelthat
vorbehält? Ja, nach dem verkehrten Lauf dieser Welt kan es
seyn, kan des Verbrechens übergüldete Hand das Auge
der Gerechtigkeit zuschliessen; hier, wo oft der Lohn der Ungerechtigkeit
selbst das Gesez auskauft; aber so ist es nicht dort oben: Dort
gelten keine Ausflüchte; dort liegt die That in ihrer natürlichen
Blösse da, und wir sind gezwungen, ihr Zeugniß wieder
uns, im Angesicht unsrer Sünden, zu bekräftigen. Wie
dann? Was bleibt übrig? - - Versuchen, was Reue vermag: Was
vermag sie nicht? - - Aber was vermag blosse unfruchtbare Reue?
- - O unseliger Zustand! O, im Schlamme versunkene Seele! die
du desto tiefer versinkst, je mehr du dich losarbeiten willst.
Helft mir, ihr Engel! helfet! Zur Erde, ihr ungeschmeidigen Kniee!
Und du, Herz mit Fibern von Stahl, enthärte dich, und werde
so weich wie die Sehnen eines neugebohrnen Kinds! - - Es kan noch
alles gut werden.
(Er begiebt sich in den hintersten Theil der Scene und kniet nieder.)