Die vorigen, Edgar in einen tollen Menschen verkleidet.
Edgar.
Aus dem Wege, der böse Feind folgt mir. Durch den scharfen
Hagdorn bläßt der kalte Wind. Hans, geh in dein Bett
und wärme dich.
Lear.
Gabst du deinen Töchtern Alles, daß du in diesen Zustand
gekommen bist?
Edgar.
Wer giebt dem armen Tom etwas? den der böse Feind durch Feuer
und Flammen, durch Furthen und Strudel, durch Sumpf und Pfuhl
geführt hat; der Messer unter sein Küssen und Strike
unter seinen Siz gelegt hat; der Mäusgift in seine Suppe
gethan, und ihn übermüthig gemacht hat, auf einem braunrothen
Gaul zu trotten, über vier zollbreite Brüken seinem
eignen Schatten als einem Verräther nachzujagen - - Gott
behüte deine fünf Sinnen; Tom friert. O da, di, da,
di, da, di, - - Gott behüte dich vor Wirbel-Winden, bösen
Sternen und Gefangenschaft; gebt dem armen Tom etwas Almosen,
den der böse Feind plagt - - Hier möcht ich ihn izt
haben, und da, und wieder hier und dort.
Lear.
Wie? Haben seine Töchter ihn dahin gebrach t? Konntest du
nichts davon bringen? gabst du ihnen Alles?
Narr.
Nein, er behielt sich eine Windel vor, sonst wären wir alle
beschämt worden.
Lear.
Nun, alle die rächenden Plagen, die in der schwebenden Luft
über den menschlichen Uebelthaten hangen, blizen auf deine
Töchter!
Kent.
Er hat keine Töchter, Mylord.
Lear.
Tod! Verräther, nichts könnte die Natur zu einer solchen
Erniedrigung heruntergebracht haben, als undankbare Töchter.
Ist es erhört, daß ausgetriebene Väter so wenig
Erbarmung gegen ihr eigen Fleisch tragen sollten? Wohlausgesonnene
Straffe! Dieses Fleisch war es, das diese Pelican-Töchter
zeugte.
Edgar.
Pillicok saß auf Pillicoks Stein; holla, holla, la, la!
Narr.
Diese kalte Nacht wird uns noch alle zu Narren und Wahnwizigen
machen.
Edgar.
Hüte dich vor dem bösen Feind, gehorche deinen Eltern,
halte dein Versprechen, fluche nicht, halte nicht zu mit eines
andern geschwornen Weibe, seze dein Herz nicht auf Pracht und
Ueppigkeit. Tom friert!
Lear.
Wer bist du gewesen?
Edgar.
Ein Sclave, stolz von Herz und Sinn, der sein Haar kräuselte,
Handschuh auf dem Hut trug, der bösen Lust seiner Buhlschaft
frohnte, und das Werk der Finsterniß mit ihr trieb; so viel
Schwüre that, als Worte aussprach, und sie vor dem milden
Antliz des Himmels brach. Einer der in unzüchtigen Gedanken
einschlief, und erwachte um sie auszuüben; den Wein liebt'
ich tief, die Karten früh, und bey den Weibern übertraf
ich den Türken. Falsch von Herzen, leicht von Ohr, blutig
von Hand, ein Schwein an Unreinigkeit, ein Fuchs an Schelmerey,
ein Wolf an Gefrässigkeit, ein Hund an Tollheit, und ein
Löwe an Räuberey. Laß nicht das Knarren der Schuhe,
und das Rauschen der Seide dein armes Herz an Weibsbilder verrathen.
Halt deinen Fuß zurük von Hurenhäusern, deine
Hand von Unterröken, deine Feder von den Zins-Büchern
der Wucherer, und troze dem bösen Feind. Immer bläßt
durch den Hagdorn der kalte Wind; sagt, Sum, Mun, Nonny, Delphin,
mein Junge, Junge, Sessey, laß ihn antraben.
(Der Sturm daurt immer fort.)
Lear.
Besser du wärst in deinem Grab, als deinen unbedekten Kopf
diesem Unwetter entgegen zu stellen. - - Ist der Mensch nichts
mehr als das? Betracht ihn recht! Du bist dem Wurm keine Seide
schuldig, den wilden Thieren keinen Pelz, dem Schaafe keine Wolle,
der Bisam-Kaze keinen guten Geruch. Ha! hier sind drey von uns
solche Sophisten; du bist das Ding selbst. Der unaufgeschmükte
Mensch ist nichts mehr als ein solch armes, naktes, gabelförmiges
Thier wie du bist. Weg, weg, du geborgter Plunder, kommt, knöpft
mich auf - -
(Er reißt seine Kleider auf.)
Narr.
Ich bitte dich, Nonkel, sey ruhig; es ist keine hübsche Nacht
zum Schwimmen. Ein kleines Feuer in einem Wald wäre izt gerade
wie eines alten Hurenjägers Herz, ein Fünkchen, und
der ganze übrige Leib kalt; sieh, hier kömmt ein feuriger
Mann.
Edgar.
Es ist der böse Flibbertigibbet, er fängt an wenn die
Nachtgloke geläutet wird, und geht bis der Hahn kräht;
er verursachet den Staar, macht schielende Augen, und Hasen-Scharten,
milthaut den weissen Weizen, und stoßt die armen Geschöpfe
auf der Erde. Sanct Withold u.s.w.*
* Hier singt Edgar im Original etliche altenglische Reime, davon ungefehr der Inhalt, daß Sanct Withold indem er bey Nacht herumgespaziert, die Nachtfrau (Night-Mare) angetroffen, und genöthiget habe, die Leute welche sie im Schlaf zu drüken pflegt, in Ruhe zu lassen. Diese Begebenheit ist aus der Legende dieses Heiligen genommen, der deswegen als ein Schuzpatron wider den Alp angeruffen zu werden verdiente, so wie diese Reime als eine Art von Beschwörung wider die vermeynte Nachtfrau von dem gemeinen Volke gebraucht wurden.