Der Haushofmeister mit einem Brief.
Hofmeister (indem er den Gloster gewahr wird.)
Eine öffentliche ausgeruffene Belohnung! Das ist höchstglüklich.
Dieses dein augenloses Haupt ist dazu ausersehen, mein Glük
zu machen. Alter, unglükseliger Verräther, befiehl deine
Seele dem Himmel, das Schwerdt ist gezogen, das dich tödten
soll.
Gloster.
Laß nur deine freundschaftliche Hand Stärke genug dazu
anwenden.
Hofmeister.
Woher, verwegner Bauer, darfst du dich unterstehen, einen öffentlichen
Verräther zu unterstüzen? Hinweg, oder sein Schiksal
soll das deinige seyn. Laß seinen Arm gehen.
Edgar.
Ick werd en nit gahn laaten, Herre, mit juhr Verlöf.
Hofmeister.
Laß ihn gehen, Sclave, oder du stirbst.
Edgar.
Myn leeve Heer, loopt mant uers Pades und latet arme Luite met
Freeden. Wann ma vo Grootspreken stärve so wurd myn Leven
um viertein Täg nit so verjahet zyn als es is. Komt mant
den verjahet Mann nit tau näh, seeg ick: taurück! ick
will jau verwarnt hebben, oder ich well proeven, ob jue Bratspiet
oder myn Steecken mehre duret, ick wells ganz kort metju maaken.
Ick will euk jue Thäne wyß maaken, komt Man, es brukt
jue Finten kar nit.
(Er schlägt ihn zu Boden.)
Hofmeister.
Sclave, du hast mich erschlagen; Nimm meinen Beutel, und wenn
du willt, daß es dir jemals wohl gehen soll, so begrabe
meinen Leib, und gieb die Briefe die du bey mir findst Edmunden,
Grafen von Gloster: such ihn bey der Englischen Partey auf - -
O! unzeitiger Tod!
(Er stirbt.)
Edgar.
Ich kenne dich wol, ein dienstfertiger Spizbube, so pflichtvoll
gegen die Laster deiner Gebieterin, als Bosheit es nur immer wünschen
kan.
Gloster.
Wie, ist er todt?
Edgar.
Sezt euch nieder, Vater; ruhet aus. Ich will sehen, was in seinen
Taschen ist; die Briefe von denen er spricht, mögen vielleicht
meine Freunde seyn: er ist todt; es verdrießt mich nur,
daß er keine Begleiter hat. Laßt sehen - - Mit eurer
Erlaubniß, mein schönes Sigel - - die Höflichkeit
kan uns nicht tadeln. Wir reissen unsern Feinden das Herz auf,
um in ihr Herz zu sehen; ihre Briefe zu erbrechen ist nicht so
grausam.
(Er ließt den Brief.)
»Erinnert euch unsrer gegenseitigem Gelübde. Ihr habt viele Gelegenheiten, ihn aus dem Wege zu räumen; wenn es an euerm Willen nicht fehlt, so werden sich Zeit und Ort von selbst anbieten. Kommt er als Sieger zurük - - so ist nichts gethan; dann bin ich die Gefangene und sein Bette ist mein Kerker; befreyet mich von desselben ekelhafter Wärme, und entsezet den Plaz zur Belohnung eurer Mühe.
Eure (Gemahlin wünschte ich zu sagen) geneigte
Dienerin
Gonerill.«
Welch ein veränderliches Ding ist ein Weib! Ein Anschlag wider ihres Mannes Leben, um meinen Bruder dafür einzutauschen! Hier, in diesem Sand will ich dir ein Grab aufscharren, zum Denkmal für mörderische Hurenjäger, und, wenn es Zeit seyn wird, dieses schnöde Blat vor die Augen des zum Tode bestimmten Herzogs legen; es ist sein Glük, das ich ihm von deinem Tod und von deiner Verrichtung Nachricht geben kan.
Gloster.
Der König ist wahnwizig. Verwünscht sey die Härte
meiner Sinnen, und eine Vernunft, die mich nur für mein Elend
fühlend macht! Besser ich wäre verrükt, so würden
doch meine Gedanken von meinen Leiden entwöhnt, und Schmerzen
durch seltsame Einbildungen die Empfindung ihrer selbst verliehren.
Edgar.
Gebt mir eure Hand, mich dunkt ich höre von fern die Trummel
rühren. Kommt Vater, ich will euch zu einem Freund führen.
(Gehen ab.)