Lodovico, Cassio, der hereingeführt wird, Montano, Jago gebunden, und einige Officiers, zu den Vorigen.
Lodovico.
Wo ist dieser rasche und höchst unglükliche Mann?
Othello.
Das ist der, der einst Othello war, hier bin ich.
Lodovico.
Wo habt ihr diese Viper? Bringt den Buben hervor!
Othello.
Ich seh ihm auf die Füsse; aber das ist eine Fabel. Wenn
du ein Teufel bist, so kan ich dich nicht tödten.
(Othello stößt nach Jago, und verwundet ihn.)
Lodovico.
Windet ihm seinen Degen aus den Händen.
Jago.
Ich blute, Herr, aber ich lebe noch.
Othello.
Auch ist es mir nicht leid; ich will daß du lebest; du verdienst
nicht, so glüklich zu seyn und zu sterben.
Lodovico.
O du, Othello, einst ein so vortrefflicher Mann - - nun in die
Fallstrike eines verruchten Sclaven gefallen - - was soll man
zu dir sagen?
Othello.
Wie, was man will; daß ich ein ehrlicher Mörder sey,
wenn ihr wollt: Denn was ich that, that ich nicht aus Haß,
sondern meine Ehre zu rächen.
Lodovico.
Dieser Unselige hat einen Theil seines Bubenstüks eingestanden:
Beschlosset ihr und er mit einander, den Cassio zu ermorden?
Othello.
Ja.
Cassio.
Mein theurer General, ich gab euch niemals Ursache dazu.
Othello.
Ich glaub es, und bitte euch um Vergebung: Wollt ihr, ich bitte
euch, diesen Halb-Teufel fragen, warum er meinen Leib und meine
Seele so verstrikt habe?
Jago.
Fragt mich nichts; was ihr wißt, das wißt ihr; von
diesem Augenblik an soll kein Wort mehr aus meinem Munde gehen.
Lodovico.
Wie? Auch nicht zum Beten?
Gratiano.
Foltern sollen dir den Mund schon aufthun.
Othello.
Gut, du thust am besten.
Lodovico.
Mein Herr, mich däucht, ihr seht noch nicht klar in der Sache;
diese zween Briefe, die man in des erschlagenen Rodrigo Tasche
gefunden, werden euch aus dem Wunder helfen. Einer davon enthält
die Ermordung des Cassio, welche Rodrigo auf sich nehmen sollte - -
Othello.
O Bösewicht!
Cassio.
Mehr als heidnisch!
Lodovico.
Und hier ist der andre, die Antwort, die, dem Ansehen nach, Rodrigo
ihm zugeschikt haben wollte, wenn Jago nicht indessen selbst gekommen
und ihn befriediget hätte.
Othello.
O du verpesteter Bube! - - Wie kam't ihr zu meines Weibs Schnupftuch,
Cassio?
Cassio.
Ich fand es in meiner Kammer, und er gestuhnd uns eben izt, daß
er es in einer besondern Absicht daselbst hingeworfen habe, welche
er auch nach Herzens-Lust erreicht habe.
Othello.
O Narr! Narr! Narr! der ich war!
Cassio.
Hier ist auch noch in Rodrigo's Briefe, wie er ihm vorwirft, daß
er ihn vermocht habe, mich auf der Wache zu beschimpfen; welches
die Gelegenheit dazu gab, daß ich cassiert wurde: Und eben
erst, da er nach einer langen Ohnmacht, worinn er für todt
gehalten wurde, wieder zu sich selbst kam, sagte er, Jago selbst
habe ihm den Rest gegeben.
Lodovico (zu Othello.)
Ihr müßt nun diesen Ort verlassen, und mit uns
gehen: Eure Gewalt ist euch abgenommen, und Cassio regiert nun
in Cypern. Was diesen Sclaven betrift, wenn irgend eine sinnreiche
Marter ausgedacht werden kan, die ihn die grausamste Pein leiden
mache, ohne ihn zu bald aufzureiben, so wartet sie auf ihn. Ihr,
Othello, sollt in enger Verwahrung bleiben, bis die Beschaffenheit
eures Vergehens der Regierung von Venedig bekannt gemacht seyn
wird. Kommt, führet ihn hinweg.
Othello.
Sachte; ein paar Worte, eh ihr geht. Ich habe dem Staat einige
Dienste geleistet, und sie wissen's: Nichts mehr davon. Ich bitte
euch, wenn ihr in euern Briefen diese unglükliche Geschicht'
erzählet, so redet von mir wie ich bin; verkleinert meine
Fehler nicht, aber macht mich auch nicht schlimmer als ich war.
Redet also von einem, der nicht weislich liebte, aber zu sehr;
von einem der nicht leicht eiferte; aber nachdem er einmal von
dieser Leidenschaft ergriffen war, keine Grenzen kannte; von einem,
dessen Hand gleich dem verworfnen Juden (Herodes) eine Perle wegwarf,
deren unschäzbaren Werth sein ganzer Stamm nicht bezahlen
konnte; von einem dessen ungewohnte Augen, ihr gleich Arabiens
Balsam-Staude Thränen, Jammer-lindernde Thränen quellen
sahet. Dieses schreibet, und sezt hinzu, daß ich einst in
Aleppo, wo ein boßhafter, schelmischer Türke einen
Venetianer schlug und auf den Staat schimpfte, den beschnittnen
Hund bey der Gurgel gefaßt, und ihn so gekizelt habe.
(Er ersticht sich.)
Lodovico.
O blutige Nacht!
Gratiano.
Hier verliehren Worte alle ihre Kraft!
Othello (zu Desdemona.)
Ich küßte dich, eh ich dich tödtete; nun ist
nichts übrig, als da ich mich selbst getödtet habe,
mit einem Kuß zu sterben.
(Er sinkt auf Desdemonens Leiche und stirbt.)
Cassio.
Das besorgte ich, aber ich glaubte nicht, daß er ein Gewehr
habe; er hatte ein grosses Herz.
Lodovico (zu Jago.)
O Spartanischer Hund, verderblicher als Pest, Hunger, oder
die tobende See! Schau auf die jammervolle Last dieses Bettes
hin; das ist dein Werk; der gräßliche Anblik vergiftet
das Gesicht - - Laßt ihn verhüllen, Gratiano. Behaltet
das Haus, und bemächtigt euch des Vermögens des Mohren,
denn ihr seyd sein Erbe. (Zu Cassio.) Euch, Herr Statthalter,
verbleibt die Abstraffung dieses höllischen Bubens, die Zeit,
der Ort, die Marter, o! laßt sie so greulich als seine Bosheit
seyn. Ich selbst eile zu Schiffe, um mit schwerem Herzen dem Staat
diesen jammervollen Zufall vorzutragen.