Verwandelt sich in Juliettens Schlaf-Zimmer; Juliette ligt auf dem Bette.
Die Amme tritt wieder auf.
Amme.
Gnädiges Fräulein he! Fräulein! Juliette Das heißt
geschlaffen, das gesteh ich - - he, Däubchen - - he, Fräulein
- - fy, ihr Sieben-Schläferin - - he! Liebchen, sag ich - -
Fräulein - - Herzchen - - Braut - - wie? nicht ein Wort?
Ich seh, ihr nehmt für eure drey Pfenninge zum Voraus; ihr
schlaft vor die ganze Woche; gut, in der nächsten Nacht,
da bin ich gut dafür, wird Graf Paris Mann dafür seyn,
daß ihr wenig genug schlafen sollt - - Gott verzeih mir's
- - heilige Marie! und Amen! - - was für einen gesunden Schlaf
sie hat! Ich muß sie aufschreyen - - Fräulein, Fräulein,
Fräulein - - Nun, wahrlich, laßt nur den Grafen euch
in sein Bette kriegen, er wird euch aufrütteln, mein Treu
- - Kan's denn nicht seyn? Wie, angezogen, in euern Kleidern - -
und wieder zurük! - - Ich muß Ernst brauchen - -
Fräulein, Fräulein, Fräulein - - O Gott! o Gott!
helft, helft, helft! Mein Fräulein ist todt! O Herzenleid!
O! warum mußt ich gebohren werden! - - O, einen Schluk Aquavit
- - he! - - Gnädiger Herr! Gnädige Frau!
Lady Capulet.
Lady Capulet.
Was ist hier für ein Geschrey?
Amme.
O unglükseliger Tag!
Lady Capulet.
Was ist's, was ist's?
Amme.
Da seht - - O unglüklicher Tag!
Lady Capulet.
O Gott, o Gott! mein Kind, mein einziges Leben! leb wieder auf,
sieh mich an, oder laß mich mit dir sterben. Hülfe,
Hülfe! schrey um Hülfe!
Capulet zu den Vorigen.
Capulet.
Schämt euch doch, warum bringt ihr Julietten so lange nicht;
ihr Gemahl ist gekommen.
Amme.
Sie ist todt, gestorben ist sie, sie ist todt: O! daß es
Gott erbarme!
Capulet.
Ha! laßt mich sehen - - O Himmel! es ist aus, sie ist kalt,
ihr Blut ist gestockt und ihre Gelenke sind starr - - ihre Lippen
sind ohne Leben, der Tod ligt auf ihr, wie ein frühzeitiger
Frost auf der angenehmsten Blume des ganzen Gefildes. Verfluchter
Unfall! Unglükseliger alter Mann!
Amme.
O des kläglichen Hochzeit-Tags!
Lady Capulet.
Arme trostlose Mutter!
Capulet.
Der Tod, der mir die Freude meines Alters geraubt hat, bindet
meine Zunge, und will mich nicht reden lassen.
Bruder Lorenz und Paris mit Musicanten.
Bruder Lorenz.
Kommt, ist die Braut fertig zum Kirchgang?
Capulet.
Zum Kirchgang, aber nicht zur Heimholung. O Sohn, in der Nacht
vor deinem Hochzeit-Tag ist der Tod bey deinem Weibe gelegen.
Sieh, hier ligt sie, die holde Blume die sie war, nun von ihm
ihres Schmuks beraubt: Der Tod ist mein Tochter-Mann.
Paris.
Hab ich so lange mich gesehnt, diesen Morgen zu sehen, und giebt
er mir nun einen solchen Anblik?
Lady Capulet.
Verfluchter, elender, unseliger, verhaßter Tag! Jammervolleste
Stunde, die jemals die Zeit auf ihrer immerwährenden Pilgrimschaft
erblikte! Nur ein einziges, ein armes, einziges, liebes, zärtliches
Kind; nur ein einziges, das mir zur Freude und zum Trost war,
und der unbarmherzige Tod hat es mir weggenommen.*
Capulet.
Unseliger Zufall! - - Mußte unsre Freude auf eine so meuchelmördrische
Art ermordet werden! O mein Kind, mein Kind! Meine Seele, nicht
mein Kind, sollst du todt seyn? O Gott, todt! - - Mein Kind ist
todt - - alle meine Hoffnungen sinken mit ihm ins Grab.
Bruder Lorenz.
Nun, so hemmt doch endlich diesen Ausbruch der Ungeduld und Verzweiflung!
Alle diese trostlosen Klagen können euer Weh nicht heilen:
Der Himmel und ihr hattet Antheil an diesem liebenswürdigen
Mädchen; nun hat der Himmel Alles, und desto besser ist es
für sie. Euern Antheil an ihr konntet ihr nicht vor dem Tode
bewahren: Aber der Himmel erhält den seinen bey ewigem Leben.
Alles was ihr suchtet, war ihre Erhebung - - und ihr weint nun,
sie über die Wolken, so hoch als der Himmel selber ist, erhoben
zu sehen? Was für eine verkehrte Liebe zu euerm Kind ist
das, daß ihr von Sinnen kommen wollt, da ihr seht daß
sie glüklich ist! Troknet eure Thränen, umstekt diese
schöne Leiche mit Rosmarin, und traget sie, wie es der Gebrauch
ist, in ihrem besten Anzug in die Kirche.
Capulet.
Alle Zurüstungen, die wir zu unserm Fest gemacht haben, verwandeln
sich nun in ein trauervolles Leichen-Gepränge. Unsre musicalischen
Instrumente in melancholische Todten-Gloken, unser hochzeitliches
Gastmahl in ein schwermüthiges Leichen-Mahl, unsre festlichen
Lobgesänge in bange Klaglieder, und unsre hochzeitlichen
Blumen-Kränze dienen nun eine Todten-Baare zu schmüken
- - O der kläglichen Verwandlung!
Bruder Lorenz.
Gnädiger Herr, geht hinein, und ihr, Madam, geht mit ihm,
und ihr, Signor Paris; ein jedes bereite sich, diese schöne
Leiche zu ihrem Grabe zu begleiten; und hütet euch, durch
murrende Ungeduld den über euch schwebenden Zorn des Himmels
noch mehr zu reizen.
(Sie gehen ab.)
Die Amme und die Musicanten bleiben, wie natürlich, zurük. Die leztern sind so fein, es von sich selbst zu merken, daß sie hier zu nichts mehr nuzen, und die weise Amme sagt es ihnen noch zum Ueberfluß; sie steken also ihre Pfeiffen ein, und wollen gehen. Aber zu grossem Vergnügen der Zuschauer in den obersten Gegenden kommt Peter, und verlangt, daß sie ihm ein lustiges Stükchen aufspielen sollen; dieses giebt dann den Anlaß zu einem kleinen Divertissement von Wortspielen und Spässen im Geschmak des Wiener-Harlequins; einer Abwechslung, die freylich, (wie der sinnreiche Herr von Voltaire weislich bemerkt,) dem Geschmak unsers Autors und seiner Zeitgenossen wenig Ehre macht, aber doch den Vortheil mit sich führt, daß die Zuschauer, (welche ans Ende doch in die Comödie gegangen sind, um sich einen Spaß zu machen,) durch die kläglichen Scenen nicht gar zu sehr gerührt werden.
* Paris hat hier im Original eine Rede, die vollkommner Non-Sense
ist, und durch die er die Amme ablößt, die sich
mit unaufhörlichen Ausruffungen »O weh, o weh; o Tag,
o Tag,« heiser geschrien. Man hat beyde dem Genius des Shakespears
aufgeopfert.