(Ein grosser Saal in Timons Hause.)
Eine Musik mit Hautbois; Es wird ein grosses Banquet aufgetragen; Timon, Lucius, Lucullus, Sempronius und andre Atheniensische Senatoren, treten mit Ventidius auf. Wenn alle herein gekommen sind, schlendert auch Apemanthus, mit mißvergnügtem Gesicht, hinter ihnen drein.
Ventidius.
Höchstgeehrter Timon! es hat den Göttern gefallen, meinen
alten Vater in seine Ruhe eingehen zu lassen. Er ist glüklich
vom Schauplaz gegangen, und hat mich reich hinterlassen. Ich gebe
euch also, wie die Dankbarkeit gegen euer großmüthiges
Herz mich verpflichtet, diese Talente, durch deren Hülf ich
meine Freyheit wieder erlangt, mit verdoppeltem Dank und Erbietung
meiner Gegendienste zurük.
Timon.
O, das kan nicht seyn, mein rechtschaffner Ventidius; ihr mißkennet
meine Freundschaft: Ich gab sie mit willigem Herzen hin; und wer
kan mit Wahrheit sagen, daß er gebe, wenn er wieder empfängt?
Wenn höhere als wir sind es thun, so steht es doch uns nicht
an.
Apemanthus.
Ahme ihnen kühnlich nach; nüzliche Laster sind schön.
Ventidius.
Welch eine edle Denkungsart!
Timon, (indem er sieht, daß seine Gäste
viele Complimente und Umstände machen, eh sie sich sezen.)
Ceremonien sind nur erfunden worden, um falschen Thaten, holen
Bewillkommungen, und erzwungner Gutthätigkeit eine Glasur
zu geben; aber, wo wahre Freundschaft ist, bedarf es nichts dergleichen.
Ich bitte euch, nehmet Plaz; ihr seyd mir willkommner zu meinem
Wohlstand, als er mir selbst ist.
(Sie sezen sich.)
Lucius.
Wir sind immer davon überzeugt gewesen.
Apemanthus.
Ho, ho, überzeugt gewesen? Daß ihr gehangen wär't!
Timon.
Ha, Apemanthus! Ihr seyd willkommen.
Apemanthus.
Ich will es aber nicht seyn; ich komme nur, daß du mich
zur Thüre hinausstossest.
Timon.
Pfui, wie grob du bist! Ihr habt da einen Humor angenommen, der
einem Mann nicht gut läßt; es ist gar nicht hübsch.
Man sagt sonst, meine Herren, ira furor brevis est, aber
dieser Mann dort ist immer entrüstet.
Apemanthus.
Laß mich auf deine Gefahr da bleiben, Timon; ich komme,
Beobachtungen zu machen, ich will dich gewarnt haben.
Timon.
Und ich gebe dir keine Acht; du bist ein Athenienser, und also
willkommen; ich möchte für mich selbst kein Vermögen
haben - - Ich bitte dich, laß meine Schüsseln dich
zum Stillschweigen bringen.
Apemanthus.
Ich verschmähe deine Schüsseln; ich wollt' eher dran
erworgen, eh ich dir jemals schmeicheln wollte. O ihr Götter,
wieviel Leute essen den Timon, und er sieht sie nicht! Es schmerzt
mich, ihrer so viele zu sehen, die ihren Bissen in eines einzigen
Mannes Blut tauchen; und das unsinnigste ist, daß er sie
noch dazu aufmuntert. Mich wundert nur, daß es Menschen
giebt, die sich bey andern Menschen sicher halten. Sie sollten
einander ohne Messer einladen, es wäre gut für ihre
Schüsseln, und sichrer für ihr Leben. An Beyspielen
fehlt es nicht; der Bursche, zum Exempel, der hier zu nächst
an ihm sizt, das Brodt mit ihm theilt, und thut als ob er auch
den Athem mit ihm theilen wollte, ist alle Augenblike bereitwillig,
ihm einen Dolch in das Herz zu stossen. Es sind Beweise davon
da. Wär' ich ein grosser Herr, ich hätte das Herz nicht
zu trinken, aus Furcht, sie möchten ausspähen, wo sie
meiner Luftröhre am besten beykommen könnten; grosse
Herren sollten nicht anders trinken, als mit einem Harnisch um
ihre Gurgel.
Timon (indem er dem Lucullus zutrinkt.)
Milord, von Herzen; laßt die Gesundheit herumgehen.
Lucullus.
Laßt sie diesen Weg gehen, mein werthester Lord.
Apemanthus.
Diesen Weg gehen - - Ein braver Kerl; er weiß die Zeit wol
in Acht zu nehmen; diese Gesundheiten werden noch machen, daß
du und dein Vermögen die Schwindsucht kriegen werden, Timon.
(Er langt ein Stük Brodt und einen Krug mit Wasser
aus seiner Tasche.) Hier ist etwas, das zu schwach
ist, ein Sünder zu seyn, ehrliches Wasser, das noch niemand
in den Schuld-Thurm gebracht hat. Mein Essen schikt sich zu meinem
Trank - - (Er stellt sich hin, das Tisch-Gebett zu sprechen.)
Gastmähler sind zu stolz, den Göttern Dank zu sagen.
Apemanthus betet:
Ihr Götter, ich spreche euch um keine Reichthümer
an, denn ich achte sie für Quark; ich bitte für niemand,
als mich selbst. Verleihet, daß ich niemals so ein guter
Narr werde, einem Mann auf seinen Eyd zu trauen, oder einer Hure
auf ihre Thränen, oder einem Hund, der zu schlafen scheint,
oder meinen Freunden, wenn ich ihrer nöthig habe; Amen, Amen.
Izt zugegriffen! Reiche Leute sündigen, und ich esse
Wurzeln.
Timon.
General Alcibiades, mich däucht, euer Herz ist diesen Augenblik
im Felde.
Alcibiades.
Mein Herz ist allenthalben zu euern Diensten, Milord.
Timon.
Ihr wäret lieber bey einem Frühstük von Feinden,
als bey einem Mittag-Essen von Freunden gewesen.
Alcibiades.
Wenn sie so frisch bluten, so ist kein besseres Gericht als sie;
ich wollte meinen Freund zu einem solchen Schmaus wünschen.*
Apemanthus.
Ich wollte also, daß alle diese Schmarozer deine Feinde
wären, damit du sie umbrächtest, und mich darauf zu
Gaste bätest.
Lucullus.
Möchten wir nur das Glük haben, Milord, daß ihr
uns einmal durch etwas auf die Probe sezen wolltet, wobey wir
euch unsre Ergebenheit in etwas zeigen könnten; es würde
uns nichts mehr zu wünschen übrig bleiben.
Timon.
O, meine guten Freunde, ich zweifle keinen Augenblik, daß
die Götter für Gelegenheiten gesorgt haben, wo ich eben
so viel Hülfe von euch erhalten werde; wie wäret ihr
sonst meine Freunde gewesen? Warum trüget ihr diesen herzrührenden
Namen, vor tausenden, wenn ihr mein Herz nicht näher angienget?
Ich habe über diesen Punct mehr von euch zu mir selbst gesagt,
als ihr mit Bescheidenheit zu euerm eignen Behuf sagen könntet.
Ihr Götter, denke ich, wozu brauchten wir Freunde zu haben,
wenn wir sie niemals nöthig hätten; sie würden
wie liebliche Instrumente seyn, die in Futteralen aufgehangen
sind, und ihre Töne für sich selbst behalten. Mein Vertrauen
zu euch geht so weit, daß ich mich oft ärmer gewünscht
habe, damit ich euch näher kommen möchte; wir sind dazu
gebohren, Gutes zu thun. Und was können wir gewisser und
eigentlicher unser eigen nennen, als die Reichthümer unsrer
Freunde? O! was für ein unschäzbarer Trost ist das,
so viele zu haben, die, wie Brüder, einer über des andern
Glük und Vermögen schalten können! O Freude, die
schon eine Freude ist, eh sie gebohren werden kan! Meine Augen
können nicht Wasser halten, däucht mich; ihren Fehler
zu verbessern, trink ich euch zu!
Apemanthus.
Du weinst nur, um zu machen, daß sie dich trinken.
Lucullus.
Das Vergnügen ward auf die nemliche Art in unsern Augen empfangen,
und kam in demselben Augenblik wie ein neugebohrnes Kind hervor.
Apemanthus.
Ho, ho! ich muß lachen, wenn ich denke, daß dieses
Kind ein Bastard ist.
Ein andrer von den Gästen.
Ich versichre euch, ihr habt mich ausserordentlich gerührt.
Apemanthus.
Ausserordentlich!
(Man hört einen Trompeten-Stoß.)
Timon.
Was will diese Trompete? was giebt's?
Ein Bedienter kommt herein.
Bedienter.
Gnädiger Herr, es sind etliche Frauenzimmer draussen, welche
gerne vorgelassen werden möchten.
Timon.
Frauenzimmer? Was wollen sie?
Bedienter.
Sie bringen einen Vorredner mit, der das Amt trägt, ihr Gewerb
anzubringen.
Timon.
Ich bitte, laßt sie hereinkommen.
* Diese Scytische Art zu reden, ist nicht im Character eines
Atheniensers, noch des Alcibiades. Der Alcibiades unsere Autors
in diesem Stük gleicht dem Alcibiades, den Plutarch schildert,
wie ein Affe einem Menschen; er ist ein Held in Ostadens Geschmak
gemahlt, oder wie - - Dieu le Pere dans sa gloire éternelle,
peint galamment dans le gout de Wateau.