(Verwandelt sich in Timons Haus.)
Flavius mit zween oder dreyen Bedienten.
1. Bedienter.
Hört ihr, guter Herr Verwalter, wo ist unser Herr? Sind wir
verdorben, ist alles aus, ist nichts übrig?
Flavius.
Ach, meine lieben Cameraden, was soll ich euch sagen? So wahr
als ich wünsche, daß die wohlthätigen Götter
sich meiner erinnern, ich bin so arm als ihr.
1. Bedienter.
Daß ein solches Haus gebrochen, ein so edler Herr gefallen
seyn soll! Alles hin! und nicht ein einziger Freund, der ihm in
seinem Unglük unter die Arme greiffe?
2. Bedienter.
Wie wir uns von einem Bekannten wegwenden, der in sein Grab gesenkt
worden, so schleichen seine Freunde von seinem begrabnen Glüksstand
alle hinweg, hinterlassen ihm ihre treulosen Schwüre und
Versprechungen; und er selbst, ein dem freyen Himmel preißgegebner
Bettler, mit einem Uebel das alle Welt von ihm scheucht, mit Dürftigkeit
behaftet, geht, bleibt, gleich der Verachtung, allein. - - Noch
mehr von unsern Cameraden.
Es treten noch einige Bediente auf.
Flavius.
Lauter zerbrochnes Geräthe eines zerstörten Hauses!
3. Bedienter.
Doch tragen unsre Herzen noch Timons Liverey, das seh' ich in
euer aller Gesicht. Wir sind noch alle Cameraden, die, da sie
ihrem Herrn sonst nichts mehr dienen können, ihre Treu durch
ihren Kummer zeigen. Unsre Barke ist lek, und wir armen Tropfen
stehen auf dem sinkenden Verdek, und hören die Wellen dräuen;
wir müssen alle in dem Meer der weiten Luft, jeder so gut
er kan, seine Rettung suchen.
Flavius.
Meine guten Cameraden, ich will das äusserste meines Vermögens
mit euch theilen. Wo wir uns jemals wieder antreffen, wollen wir,
um Timons willen, immer gute Freunde seyn, unsre Köpfe schütteln,
und sagen: Wir haben bessere Tage gesehen. Jeder nehme seinen
Antheil; nein, streket alle eure Hände aus - - Kein Wort
mehr - -
(Er giebt ihnen Geld, sie umarmen einander und scheiden, der eine diesen, der andre einen andern Weg.)
Wer wollte sich Reichthum wünschen, wenn Reichthum in Elend und Verachtung aufhört? Wer wollte (nach diesem Beyspiel,) sich durch einen Traum von schimmerndem Glük und Freundschaft täuschen lassen? Durch ein Gepränge von Herrlichkeit und Wohlleben, aber alles nur gemahlt, wie diese gefirnißten Freunde! Mein armer redlicher Herr! durch sein eignes gutes Herz so weit herunter gebracht! Durch Güte zu Grunde gerichtet! Wie seltsam, daß zuviel Güte eines Menschen gröste Sünde seyn soll! Unbegränzte Güte macht Götter, und verderbt Menschen - - Mein theurester Herr, einst so glüklich um desto elender, so reich um desto dürftiger zu seyn; dein grosser Wohlstand ist die Gelegenheit zu deinen grösten Widerwärtigkeiten worden! Ach! der gütige Herr! Er ist in Wuth aus dem undankbaren Siz unnatürlicher Freunde geflohen, und hat nichts mit sich genommen, was sein Leben unterhalten, oder diesen Unterhalt verschaffen kan. Ich will ihm folgen und ihn aufsuchen; ich will ihm um seines Herzens willen immer mit bestem Willen dienen, und, so lang ich Gold habe, immer sein Verwalter bleiben.
(Er geht ab.)