Doch wenn die Brut dir gesamt hinstirbt durch plötzlichen
Unfall23), | |
| 285 | Schwärm' aus verwesendem Blut aufkeimeten.
Höher beginnend Will ich vom ersten Entstehn das Gerücht allseitig entwickeln, Wo das glückliche Volk von Canopus, pelläischen Ursprungs25), Längs dem vom Wellenerguß weitsumpfenden Nilus sich anbaut, Und um seine Gefild' hinfährt in bemaleten Bögen, |
| 290 | Bis wo die Nachbarschaft der geköcherten Persis
herandrängt, Und in gesondertem Sturz durch sieben Mündungen ausläuft Jener Strom, herfließend von dunkelfarbigen Indern, Und dein Grün, Ägyptus, mit schwarzem Sande befruchtet: Rings vertrauet das Land sein sicheres Heil der Erfindung. |
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295 |
Mäßigen Raumes zuerst und eng zu solchem Gebrauche |
| 300 | Wird gesucht; ihm völlig die Nas' und der Odem des
Mundes, Wenn er mit Macht anringet, verstopft, und dem niedergeschlagnen Durch unblutige Haut sein Inneres mürbe gestampfet. So im Verschloß den gestreckten verlassen sie, unter die Rippen Reisig und Thymian und Zeilandsprossen ihm streuend. |
| 305 | Solches geschieht, wenn Weste zuerst fortrollen die
Wasser, Ehe von keimenden Farben die Wiese erröthet, und ehe Zwitschernd noch am Gebälk ihr Nest aufhänget die Schwalbe. Aber der gärende Saft, im zarten Gebein sich erhitzend, Siedet indes, und ein Schwarm seltsamer Geschöpfe entstehet, |
| 310 | Mangelnd der Füße zuerst; doch bald mit
schwirrenden Flügeln Wimmelt er, mehr sich und mehr zu dünneren Lüften erhebend, Bis er, wie Wolkenbrüche geströmt aus Sommergewittern, Ausbricht, oder wie Pfeile, von schneller Sehne geschossen, Wenn zum Beginne der Schlacht in der Eil' ansprengen die Parther. |
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315 |
Welch ein Gott, ihr Musen, enthüllte uns diese Erfindung?
Aristäus26), der
Hirt, als er floh das peneische Tempe, |
| 320 | Jammerte laut und rief mit folgender Rede zur Mutter:
Mutter Cyrene, ach Mutter, die dort des quellenden Strudels |
| 325 | Liebe zu uns? Was hießest du mich einst hoffen den
Himmel? Siehe, sogar auch diesen, den Ruhm des sterblichen Lebens, Den mir kaum der Gewächs' und des Viehs sorgfältige Wartung Alles versuchend errang, du, Zeugerin, lässest ihn schwinden. Auf denn, mit eigener Hand reiß aus die gesegneten Bäume, |
| 330 | Tilg' in verheerender Flamme die Ställ', vernichte
die Ernten! Brenne, was sproßt und schwinge die mächtige Axt in dem Rebhain, Wenn dich ein solcher Verdruß einnahm ob der Ehre des Sohnes!
Aber die Mutter vernahm tief unter dem Strom im Gemache |
| 335 | Spinnend umher, die sie satt in des Glasgrüns Farbe
getränket: Drymo mit Xantho zugleich, und Phyllodoce, samt der Ligea, Glänzendes Lockengeringel zerstreut um schneeige Schultern; [Auch Nesäa, und Spio, Cymodoce auch, und Thalia,] Auch Cydipp' und die blonde Lykorias, jene noch Jungfrau, |
| 340 | Diese zuerst mit den Wehen vertraut der strengen
Lucina; Klio und Beroe dann, des Oceanus Töchter sie beide, Beid' in Gold und in Häute voll Stickungen beide gegürtet; Ephyre dann, und mit Opis die asische Deiopea, Und, unbeköchert einmal, die hurtige Nymph' Arethusa. |
| 345 | Klymene mitten im Kreise erzählete hier des
Vulkanus Eitele Sorg', und die Ränke des Mars und verstohlene Buhlschaft; Zählte auch auf vom Chaos unendliche Händel der Götter Als sie, ergötzt von der Mär, ihr sanftes Geschäft an den Spindeln Abwärts drehn, da erscholl zu dem Mutterohre von neuem |
| 350 | Klage des Aristäus, und all' auf den gläsernen
Sesseln Staunten empor, Arethusa sogleich vor den übrigen Schwestern Hob aus der Wog' umschauend das lockige Köpfchen und fernher Ruft sie: O nicht schreckten umsonst dich Laute des Jammers, Schwester Cyrene, er selber ist's, dein trautester Liebling, |
| 355 | Aristäus in Gram, an Peneus' Flut des Erzeugers Steht er betränt und dich, du grausame, nennt er mit Namen.
Drauf voll plötzlicher Angst in erschütterter Seele die Mutter: |
| 360 | Strömungen, daß der Jüngling die Bahn
beschreite. Doch jenen, Siehe, umstand gleich Bergen das krumme Gewog', und empfangend Tief im unendlichen Schoß, entsandt' es ihn unter den Strom hin. Schon der Mutter Palast und flutende Reiche bewundernd, Und dort Seen, von Grotten umhegt, dort rauschende Haine, |
| 365 | Ging er einher und erstaunt vom entsetzlichen
Wogengetümmel, Schaut er die Ströme gesamt, die unter dem nächtigen Erdkreis All' aus gesondertem Ort aufsprudelten: Phasis und Lykus, Auch den Quell, wo zuerst des Enipeus Strudel hervorbricht, Wo Tiberinus der Vater, und ihr, anienische Fluten, |
| 370 | Hypanis27),
rauh durch Felsen gestürzt, und der Myser Caicus, Auch wo Eridanus quillt, goldhell um des mächtigen Stierhaupts Doppelgehörn, der mehr als andere Ströme gewaltig Durch fruchtschwangere Täler ins purpurne Meer sich ergießet. Als er nun in des Saales aus Bimsstein hangender Wölbung |
| 375 | Ankam, und Cyrene die nichtigen Klagen des Sohnes Hörete, reichen den Händen vom lauteren Born die Geschwister Rings nach der Reih' und bieten das weichgeschorene Handtuch, Andre besetzen mit Speisen die Tische und setzen gefüllte Becher umher, den Altären entglühn arabische Düfte. |
| 380 | Nimm, die Mutter beginnt's, den Pokal des
mäonischen
Bacchus28), Und dem Oceanus werde gesprengt. Dann flehet sie selber Dir, Oceanus, Vater des Alls und den göttlichen Schwestern, Welche wohl hundert Wälder und hundert Flüsse behüten. Dreimal goß sie klar in des Herdes Gluten den Nektar, |
| 385 | Dreimal schwang sich die Flamm' aufleuchtend empor zu
der Wölbung. Durch dies Zeichen gestärkt im Geiste beginnet sie also:
In der neptunischen Wog' um
Karpathos29) schaltet ein
Seher, |
| 390 | Jetzt in
Emathias30) Port und die
heimische Flur Pallene Kehrt er zurück. Ihn ehren nicht nur wir Nymphen, auch Nereus31) Ehrt ihn, der hochbejahrte, denn klar erscheinet dem Seher Alles, was ist, was war, was bald herführet die Zukunft. Also war's dem Neptunus genehm, des scheußliches Meervieh |
| 395 | Unter der Wog' er weidet und mißgestaltete
Robben. Diesen, mein Sohn, mußt du zuvor mit Banden dir fesseln, Daß er entwickle der Seuch' Ursprung und fördre den Ausgang. Ohne Gewalt wird jener dir nichts weissagen, und nimmer Beugst du ihm flehend das Herz, mit Gewalt und drückenden Fesseln |
| 400 | Bändige ihn; nur solchen zerfliegt die vereitelte
Täuschung. Selber bin ich, wenn Sol die Mittagsgluten entzündet, Wenn schon trocken das Kraut, und das Vieh sich freuet des Schattens, Führerin dir zum geheimen Geklüft, wo der Greis aus den Wassern Müd' einkehrt, daß leichter im Schlaf du den liegenden angreifst. |
| 405 | Aber sobald du ergriffen die Hand und Fessel ihm
anlegst, Vielfach dann täuscht Gaukelgestalt und Erscheinung des Bergwilds. Schnell als borstiges Schwein wird der drohn, als grimmiger Tiger, Als blauschuppiger Drach' und gelbgemähneter Löwe; Oder in knatternder Flamm' erhebt er sich, und aus den Fesseln |
| 410 | Schlüpfet er oder verrinnt in beschleunigtem Lauf
der Gewässer. Aber je mehr nun jener in jede Gestalt sich verwandelt, Desto mehr, mein Sohn, ihm geschnürt die haftenden Fesseln. Bis so wieder den Leib er umtauscht, wie du zuerst ihn Schautest, als sein Auge dem nahenden Schlummer sich zuschloß. |
|
415 |
Also jen' und ergoß der Ambrosia lautere Düfte, |
| 420 | Voll anprallt und hinein in die krümmenden Busen
sich spaltet, Oft dem verschlagenen Schiffer die treu herbergende Zuflucht. Drinnen verbirgt Proteus sich im Schutz des gewaltigen Felsens. Dorthin stellt sie den Jüngling gewandt vom Lichte, die Göttin, Tief in die Höhl' und lauscht mit Nebel umhüllt in Entfernung. |
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425 |
Heftig bereits am Himmel, die durstigen Indier sengend, |
| 430 | Hob. Das feuchte Geschlecht des unendlichen Meeres um
jenen Hüpfet' empor, weithin die bitteren Tropfen versprengend. Jetzo sanken zum Schlaf truppweis' am Gestade die Robben. Aber er selbst, wie etwa der Hürd' Aufseher im Bergwald, Wenn die geweideten Kälber zum Obdach Hesperus heimführt, |
| 435 | Und mit schallendem Blöken den Wolf anreizen die
Lämmer, Setzete sich auf den Fels in die Mitt' und mustert die Anzahl. Doch wie dem Aristäus sich dessen Bewältigung darbot, Harret' er kaum, bis der Greis die ermüdeten Glieder gelagert, Als er mit lautem Geschrei anstürzt und den Liegenden schleunig |
| 440 | Fesselte. Jener indes, der eigenen Kunst nicht
vergessend, Wandelte sich in alle die wundersamsten Gestalten, Flamm' und ungeheures Gewild und entgleitendes Wasser. Aber nachdem kein Zauber ihm Flucht ausmittelte, jetzo Kehrt' er besiegt in sich selbst und mit menschlicher Stimme begann er: |
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445 |
Wer ermahnte dich denn, du hochvermessener Jüngling,
Selbst, Proteus, selbst weißt du's; auch wagt dich keiner zu täuschen. |
|
450 |
Also sprach er. Der Seher darauf, mit großer Gewalt nun
Nicht ohn' einiges Gottes Ereiferung duldest du Trübsal. |
| 455 | Keineswegs unschuldig ist's der zur Rache
verhängt hat Dir solch Weh und wütet ob seiner entrissenen Gattin. Als dir diese entfloh in stürzendem Lauf an der Strömung, Ward der entsetzlichen Hyder das dem Tod geweihete Mägdlein Nicht vor den Füßen gewahr, die im Gras' auflauert' am Ufer. |
| 460 | Doch mit Geschrei rings füllte der Schwesterchor
der Dryaden Luftige Spitzen der Berg'; es weinten Rhodopes35) Gipfel Und pangäische Höh'n, und Rhesus' streitbare Völker, Hebrus Flut und der Gete36), und Attikas Orithyia. Er nun stillte des Grams Sehnsucht mit gewölbeter Leier, |
| 465 | Dich, holdseliges Weib, dich bang' am einsamen Ufer, Dich mit kommendem Tag' und dich mit scheidendem singend. Selbst in des Tänarus37) Schlund tiefab zu den Pforten des Pluto, Und in den düsteren Hain voll schwarz anstarrenden Grauens Wagt' er den Gang, die Manen zu schaun und den furchtbaren König, |
| 470 | Und durch menschliches Flehn noch nie gemilderte
Herzen. Aber es schwebten, gerührt vom Gesang, aus Erebus' Tiefen Luftige Schatten daher und dem Leben entschwundne Gestalten, Zahllos, so wie im Laube sich Tausende bergen der Vögel, Nachtet es, oder verscheucht vom Gebirge sie winternder Regen: |
| 475 | Mütter zugleich, und Männer, und einst
großherziger Helden Herrliche Riesengestalt, und Knaben, und bräutliche Jungfrau'n, Jüngling' auch, auf die Scheiter gestreckt vor den Augen der Eltern, Die dort schwarzer Morast und scheußliches Rohr des Cocytus Ringsumher und des trägen Gesümpfs unfreundliche Wasser |
| 480 | Fesseln, und neunfältig die Styx umströmend
verkerkert. Ja, vor ihm staunten des Todes Behausungen tief bis zum innern Tartarus; ihm, durchringelt von bläulichen Schatten das Haupthaar, Furien38) selbst; und des Zerberus drei weitklaffende Fänge Schwiegen; es stand im Winde das kreisende Rad des Ixion. |
| 485 | Schon mit gewendetem Schritt war aller Gefahr er
entronnen; Auch Eurydice wallt', ihm geschenkt, zu den oberen Lüften, Folgend dem Schritt, so wollt' es Proserpinas strenge Bedingung, Als unbedachtsame Torheit den Liebenden plötzlich dahinriß, Zwar so verzeihungswert, wenn je verziehen die Manen. |
| 490 | Stehn blieb jener und schaut', achtlos und bezwungenen
Herzens, Ach, schon nahe dem Licht, auf Eurydice. Hin war auf einmal Alle Müh', und gebrochen des unbarmherzigen Herrschers Satzung. Siehe da krachts's dreimal um den Sumpf des Avernus. Wer bringt, rief sie, mir Armen und dir das Verderben, mein Orpheus? |
| 495 | Welcher Wahn war das? Schau, rückwärts rufen
mich wieder Harte Geschick', es starren die schwimmenden Augen im Schlummer. Lebe wohl! Hinschweb' ich, umhüllt von gräßlichem Dunkel, Dir ohnmächtige Händ', ach nicht die deine mehr, streckend! Sprach's, und schnell aus den Augen hinweg, wie Rauch in die Lüfte |
| 500 | Aufgelöst sich verzieht, entfloh sie von dannen,
und nicht ihn, Welcher umsonst die Schatten noch hascht' und vieles zu reden Trachtete, sah sie hinfort; auch des Orkus düsterer Fährmann Gönnt' sie ihm nicht von neuem den sperrenden Pfuhl zu durchfahren. Was nun tun? wo sich raten nach zweimal entrissener Gattin? |
| 505 | Wie erfleht' er die Manen und wie durch Tränen die
Götter? Schon ja schwamm sie erkaltet dahin im stygischen Nachen. Sieben der Monate stets durchweint' er, meldet die Sage, Unter dem luftigen Fels an Strymons ödem39) Gewässer Unter Klagen sein Los, in kühlen und einsamen Höhlen |
| 510 | Tiger mit holdem Gesang und folgende Eichen
bezähmend; Wie voll Schmerz Philomela40) in grünender Pappelumschattung Ihre verlorenen Kinder betrauert, die ein grausamer Landmann Spähend dem Nest entwandte, die federlosen; doch jene Weint in der Nacht und erneut vielfältige Töne des Jammers, |
| 515 | Sitzend im Laub, es erfüllt ringsum Wehklage die
Gegend.
Nicht mehr Venus gewann, noch lockend sein Herz Hymenäus. |
| 520 | Klagend. Aber
ciconische42) Frauen,
verschmäht aus Liebe zur Toten, Rissen in Stücke den Mann beim Feste der Götter und Bacchus' Nächtlichem Taumel und streuten sie weit umher in den Feldern. Selbst auch, wo sein Haupt vom marmornen Nacken gerissen, Schon im rollenden Strudel hinab der öagrische43) Hebrus |
| 525 | Trug, »Eurydice« noch hat Stimm' und
erkaltete Zunge, »Ach, Eurydice, arme« mit fliehendem Hauche gerufen, Daß »Eurydice« rings an dem Strom nachhallten die Ufer.
Proteus sprach's, und plötzlich hinab in die Tiefe des Meeres |
| 530 | Nicht Cyrene jedoch, denn genaht dem Zagenden sprach sie:
»Sohn, dir geziemt, der Sorge das trauernde Herz zu entladen, |
| 535 | Flehend um Gnad' und ehre die gutgesinnten
Napäen44); Denn sie verzeihn dem frommen Gelübd' und legen den Zorn ab. Aber die Weise des Flehns sei zuvor umständlich eröffnet. Wähle von trefflichen Stieren dir vier, untadligen Leibes, Welche dir jetzt umweiden die grünenden Höh'n des Lycäus45), |
| 540 | Ebensoviel auch Kühe, noch nie vom Joche
gebändigt. Vier Altäre dafür an der Göttinnen ragendem Tempel Bau' alsdann und verströme das heilige Blut aus den Kehlen; Doch die Leiber der Rinder laß liegen im laubigen Haine. Drauf, sobald die neunte der Morgenröten emporsteigt, |
| 545 | Bring' als Totengeschenk lethäischen Mohnsaft dem
Orpheus, Auch ein schwärzliches Schaf weih' ihm; dann kehrend zum Haine Opfere zu der versöhnten Eurydice Ehren ein Kuhkalb.«
Ohne Verzug vollendet der Sohn die Befehle der Mutter, |
| 550 | Führet dahin untadligen Leibs vier treffliche
Stiere Ebensoviel auch Kühe, noch nie vom Joche belastet. Drauf, sobald die neunte der Morgenröten emporstieg, Bringt er des Orpheus Totengeschenk und kehrt zu dem Haine. Aber o sieh', urplötzlich ein staunenswürdiges Wunder |
| 555 | Schauet man dort: wie rings im verfaulten Fleische der
Rinder Bienen durchschwirren den Bauch und geborstenen Seiten entsummen, Dann endloses Gewölk hinzieht, das im Wipfel des Baums sich Jetzo vereint, und die Traub'46) an biegsamen Ästen herabhängt. Dies von der Flur Anbau, der Pflege der Tiere und Bäume |
| 560 | Sang ich einst, als Cäsar der Held am tiefen
Euphrates47) Donnerte mächtig im Streit, siegreich gehorsamen Völkern Rechte gab und Gesetz', und den Pfad aufstieg zum Olympus. Damals weilt' ich, Vergil, in der holden Parthenope48) freundlich Nährender Flur, von Geschäften umblüht ruhmloserer Muße, |
| 565 | Der ich Hirtengesänge erfand und kühn in der
Jugend, Tityrus, dich in der Wölbung besang breitästiger Buchen. |