Zweite Szene

Mime, Siegfried, Fafner, Waldvogel

Mime
Wir sind zur Stelle! Bleib hier stehn!

Siegfried
Hier soll ich das Fürchten lernen?
Fern hast du mich geleitet:
eine volle Nacht im Walde
selbander wanderten wir.
Nun sollst du, Mime, mich meiden!
Lern' ich hier nicht,
was ich lernen soll,
allein zieh' ich dann weiter:
dich endlich werd' ich da los!

Mime
Glaube, Liebster!
Lernst du heut und hier das Fürchten nicht,
an andrem Ort, zu andrer Zeit
schwerlich erfährst du's je.
Siehst du dort den dunklen Höhlenschlund?
Darin wohnt ein greulich wilder Wurm:
unmaßen grimmig ist er und groß;
ein schrecklicher Rachen reißt sich ihm auf;
mit Haut und Haar auf einen Happ
verschlingt der Schlimme dich wohl.

Siegfried
Gut ist's, den Schlund ihm zu schließen;
drum biet' ich mich nicht dem Gebiß.

Mime
Giftig gießt sich ein Geifer ihm aus:
wen mit des Speichels Schweiß er bespeit,
dem schwinden wohl Fleisch und Gebein.

Siegfried
Daß des Geifers Gift mich nicht sehre,
weich' ich zur Seite dem Wurm.

Mime
Ein Schlangenschweif schlägt sich ihm auf:
wen er damit umschlingt und fest umschließt,
dem brechen die Glieder wie Glas!

Siegfried
Vor des Schweifes Schwang mich zu wahren,
halt' ich den Argen im Aug'.
Doch heiße mich das:
hat der Wurm ein Herz?

Mime
Ein grimmiges, hartes Herz!

Siegfried
Das sitzt ihm doch,
wo es jedem schlägt,
trag' es Mann oder Tier?

Mime
Gewiß Knabe, da führt's auch der Wurm.
Jetzt kommt dir das Fürchten wohl an?

Siegfried
Notung stoß' ich dem Stolzen ins Herz!
Soll das etwa Fürchten heißen?
He, du Alter! Ist das alles,
was deine List mich lehren kann?
Fahr deines Weges dann weiter;
das Fürchten lern ich hier nicht.

Mime
Wart es nur ab!
Was ich dir sage, dünke dich tauber Schall:
ihn selber mußt du hören und sehn,
die Sinne vergehn dir dann schon!
Wenn dein Blick verschwimmt,
der Boden dir schwankt,
im Busen bang dein Herz erbebt:
dann dankst du mir, der dich führte,
gedenkst, wie Mime dich liebt.

Siegfried
Du sollst mich nicht lieben!
Sagt' ich dir's nicht?
Fort aus den Augen mir!
Laß mich allein:
sonst halt' ich's hier länger nicht aus,
fängst du von Liebe gar an!
Das eklige Nicken und Augenzwicken,
wann endlich soll ich's nicht mehr sehn,
wann werd' ich den Albernen los?

Mime
Ich lass' dich schon.
Am Quell dort lagr' ich mich;
steh du nur hier;
steigt dann die Sonne zur Höh',
merk auf den Wurm:
aus der Höhle wälzt er sich her,
hier vorbei biegt er dann,
am Brunnen sich zu tränken.

Siegfried
Mime, weilst du am Quell,
dahin lass' ich den Wurm wohl gehn:
Notung stoß ich ihm erst in die Nieren,
wenn er dich selbst dort mit weggesoffen.
Darum, hör meinen Rat,
raste nicht dort am Quell;
kehre dich weg, so weit du kannst,
und komm nie mehr zu mir!

Mime
Nach freislichem Streit dich zu erfrischen,
wirst du mir wohl nicht wehren?
Rufe mich auch,
darbst du des Rates,
oder wenn dir das Fürchten gefällt.
Fafner und Siegfried, Siegfried und Fafner,
O, brächten beide sich um!

Siegfried
Daß der mein Vater nicht ist,
wie fühl' ich mich drob so froh!
Nun erst gefällt mir der frische Wald;
nun erst lacht mit der lustige Tag,
da der Garstige von mir schied
und ich gar nicht ihn wiederseh'!
Wie sah mein Vater wohl aus?
Ha, gewiß, wie ich selbst!
Denn wär' wo von Mime ein Sohn,
müßt' er nicht ganz Mime gleichen?
Grade so garstig, griesig und grau,
klein und krumm, höckrig und hinkend,
mit hängenden Ohren, triefigen Augen,
Fort mit dem Alp!
Ich mag ihn nicht mehr sehn.
Aber, wie sah meine Mutter wohl aus?
Das kann ich nun gar nicht mir denken!
Der Rehhindin gleich glänzten gewiß
ihr hellschimmernde Augen,
nur noch viel schöner!
Da bang sie mich geboren,
warum aber starb sie da?
Sterben die Menschenmütter
an ihren Söhnen alle dahin?
Traurig wäre das, traun!
Ach, möcht' ich Sohn meine Mutter sehen!
Meine Mutter, ein Menschenweib!
Du holdes Vöglein!
Dich hört' ich noch nie:
bist du im Wald hier daheim?
Verstünd' ich sein süßes Stammeln,
gewiß sagt' es mir was,
vielleicht von der lieben Mutter?
Ein zankender Zwerg hat mir erzählt,
der Vöglein Stammeln gut zu verstehn,
dazu könnte man kommen.
Wie das wohl möglich wär'?
Hei, ich versuch's, sing' ihm nach:
auf dem Rohr tön' ich ihm ähnlich!
Entrat' ich der Worte, achte der Weise,
sing' ich so seine Sprache,
versteh' ich wohl auch, was es spricht.
Es schweigt und lauscht:
so schwatz' ich denn los!
Das tönt nicht recht;
auf dem Rohre taugt
die wonnige Weise mir nicht.
Vöglein, mich dünkt, ich bleibe dumm:
von dir lernt sich's nicht leicht!
Nun schäm' ich mich gar
vor dem Schelmischen Lauscher:
er lugt und kann nichts erlauschen.
Heida! So höre nun auf mein Horn.
Auf dem dummen Rohre gerät mir nichts.
Einer Waldweise, wie ich sie kann,
der lustigen sollst du nun lauschen.
Nach liebem Gesellen lockt' ich mit ihr:
nichts Beßres kam noch als Wolf und Bär.
Nun laß mich sehn,
wen jetzt sie mir lockt:
ob das mir ein lieber Gesell?
(Siegfrieds Hornruf)
Haha! Da hätte mein Lied
mir was Liebes erblasen!
Du wärst mir ein saubrer Gesell!

Fafner
Was ist da?

Siegfried
Ei, bist du ein Tier,
das zum Sprechen taugt,
wohl ließ sich von dir was lernen?
Hier kennt einer das Fürchten nicht:
kann er's von dir erfahren?

Fafner
Hast du Übermut?

Siegfried
Mut oder Übermut, was weiß ich!
Doch dir fahr' ich zu Leibe,
lehrst du das Fürchten mich nicht!

Fafner
Trinken wollt' ich:
nun treff' ich auch Fraß!

Siegfried
Eine zierliche Fresse zeigst du mir da,
lachende Zähne im Leckermaul!
Gut wär' es, den Schlund dir zu schließen;
dein Rachen reckt sich zu weit!

Fafner
Zu tauben Reden taugt er schlecht:
dich zu verschlingen, frommt der Schlund.

Siegfried
Hoho! Du grausam, grimmiger Kerl!
Von dir verdaut sein, dünkt mich übel:
rätlich und fromm doch scheint's,
du verrecktest hier ohne Frist.

Fafner
Pruh! Komm, prahlendes Kind!

Siegfried
Hab acht, Brüller! Der Prahler naht!
(Er zieht sein Schwert, springt Fafner an, stößt sein Schwert bis an das Heft hinein.)
Da lieg, neidischer Kerl:
Notung trägst du im Herzen!

Fafner
Wer bist du, kühner Knabe,
der das Herz mir traf?
Wer reizte des Kindes Mut
zu der mordlichen Tat?
Dein Hirn brütete nicht,
was du vollbracht.

Siegfried
Viel weiß ich noch nicht,
noch nicht auch, wer ich bin.
Mit dir mordlich zu ringen,
reiztest du selbst meinen Mut.

Fafner
Du helläugiger Knabe,
unkund deiner selbst,
wen du gemordet, meld ich dir.
Der Riesen ragend Geschlecht,
Fasolt und Fafner,
die Brüder, fielen nun beide.
Um verfluchtes Gold, von Göttern vergabt,
traf ich Fasolt zu Tod.
Der nun als Wurm den Hort bewachte,
Fafner, den letzten Riesen,
fällte ein rosiger Held.
Blicke nun hell, blühender Knabe;
der dich Blinden reizte zur Tat,
berät jetzt des Blühenden Tod!
Merk, wie's endet! Acht auf mich!

Siegfried
Woher ich stamme, rate mir noch;
weise ja scheinst du, Wilder, im Sterben;
rat es nach meinem Namen:
Siegfried bin ich genannt.

Fafner
Siegfried...
(Er stirbt.)

Siegfried
Zur Kunde taugt kein Toter.
So leite mich denn mein lebendes Schwert!
Wie Feuer brennt das Blut!
(Er führt unwillkürlich die Finger zum Munde, um das Blut von ihnen abzusaugen. Wie er sinnend vor sich hinblickt, wird seine Aufmerksamkeit immer mehr von dem Gesange der Waldvögel angezogen.)
Ist mir doch fast,
als sprächen die Vöglein zu mir!
Nützte mir das des Blutes Genuß?
Das seltne Vöglein hier,
horch, was singet es mir?

Stimme des Waldvogels
Hei! Siegfried gehört nun der Niblungen Hort!
O, fänd' in der Höhle den Hort er jetzt!
Wollt' er den Tarnhelm gewinnen,
der taugt' ihm zu wonniger Tat:
doch wollt' er den Ring sich erraten,
der macht' ihn zum Walter der Welt!

Siegfried
Dank, liebes Vöglein, für deinen Rat!
Gern folg' ich dem Ruf!


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