1. Ich saz uf eime steine | 1. Ich saß auf einem Steine: |
und dahte bein mit beine, | Da deckt ich Bein mit Beine, |
dar uf sazt ich den ellenbogen; | Darauf der Ellenbogen stand; |
ich hete in mine hant gesmogen | Es schmiegte sich in meine Hand |
daz kinne und ein min wange. | Das Kinn und eine Wange. |
Do dahte ich ömir vil ange, | Da dacht ich sorglich lange |
wes man zer werlte sollte leben. | Dem Weltlauf nach und irdschem Heil; |
Deheinen rat kond ich gegeben, | Doch wurde mir kein Rat zuteil, |
wie man driu dinc erwurbe, | Wie man drei Ding erwürbe, |
der keines niht verdurbe. | Daß keines davon verdürbe. |
Die zwei sind ehe und varnde guot, | Die zwei sind Ehr und zeitlich Gut, |
daz dicke ein ander schaden tuot; | Das oft einander schaden tut, |
das dritte ist gotes hulde, | Das dritte Gottes Segen, |
der zweier übergulde. | An dem ist mehr gelegen: |
Die wolte ich gerne in einen schrin. | Die hätt ich gern in einem Schrein. |
Ja leider des enmac niht sin, | Ja leider mag es nimmer sein, |
daz guot und werltlich ere | Daß Gottes Gnade kehre |
und gotes hulde mere | Mit Reichtum und mit Ehre |
zesamene in ein herze komen. | Je wieder in dasselbe Herz. |
Stig unde wege sint in benomen: | Sie finden Hemmung allerwärts: |
Untriuwe ist in der saze, | Untreu hält Hof und Leute, |
gewalt vert uf der straze, | Gewalt fährt aus auf Beute, |
frid unde reht sint sere wunt: | So Fried als Recht sind todeswund: |
diu driiu enhabent geleites niht, diu | Die dreie haben kein Geleit, die zwei |
zwei enwerden e gesunt. | denn werden erst gesund. |
2. Ich horte ein wazzer diezen | 2. Ich hört ein Wasser rauschen |
Und sach die vische flizen; | und ging den Fischen lauschen, |
Ich sach, zwaz in der werlte was, | ich sah die Dinge dieser Welt, |
velt unde walt, loup, ror und gras; | Wald, Laub und Rohr und Gras und Feld, |
swaz kriuchet unde fliuget | was kriechet oder flieget, |
und bein zer erden biuget, | was Bein zur Erde bieget, |
daz sach ich unde sage iu daz: | das sah ich, und ich sag euch das: |
der keinez lebet ane haz. | Da lebt nicht eines ohne Haß. |
Daz wilt und daz gewürme | Das Wild und das Gewürme, |
Die stritent starke stürme, | die streiten starke Stürme, |
samt tuont die vogel under in; | so auch die Vögel unter sich; |
wan daz sie habent einen sin: | doch tun sie eins einmütiglich: |
sie diuhten sich zu nihte, | sie schaffen stark Gerichte, |
sin schüefen starc gerihte: | sonst würden sie zu nichte; |
sie kiesent künege unde reht, | Sie wählen Könge ordnen Recht |
sie setzent herren unde kneht. | Und unterscheiden Herrn und Knecht. |
so we dir, tiuschiu zunge, | So weh dir, deutschem Lande, |
Wie stet din ordenunge, | wie ziemet dir die Schande, |
daz nu diu mugge ir künec hat, | daß nun die Mücke hat ihr Haupt, |
und daz din ere also zergat! | und du der Ehren bist beraubt! |
Bekera dich bekere! | Bekehre dich! Vermehre |
Die zirken sint ze here, | nicht noch der Fürsten Ehre. |
die armen künege dringent dich: | Die armen Könge drängen sich: |
Phillippe setze en weisen uf und | Philippen setz den Waisen* auf, so |
heiz sie treten hinder sich! | . weichen sie und beugen sich. |
* Hauptedelstein der deutschen Königskrone