Indem der Paladin von Schwester Dindonetten,
Wie wir gehört, sich amüsieren ließ;
Stund, oder saß vielleicht der Herr von Ferafis,
Sein Secretair, um Fräulein Colifischetten.
Nach hergebrachtem Gebrauch, vom Ritter, seinem Herrn,
Die Helden- und Liebes-Geschichte SUB ROSA zu erzählen.
Das schöne Fräulein war eine der wissensbegierigen Seelen,
Die, unter der Hand, vom Nächsten gar zu gern
Die Anekdoten erforschen. Zu gutem Glücke leerte
Herr Ferafis seinen Sack so gern als jene hörte.
Ein Autor weiß nicht stets, wie seinem Leser ist,
Und irrt oft, wenn er ihn mit seiner Laune mißt.
Doch dächt' ich, weil wir gerade nichts angelegners haben,
Wir hörten ihm zu. - »Der König, sein Vater, demnach,
(So fährt er fort) sobald er den Zettul erbrach,
Worinn die gefragten Druiden1) ihm ihre Antwort gaben,
Befahl sogleich, den kleinen Amadis,
Der kaum zweyjährig war, in den Thurm von Jaspis zu bringen,
Das Werk von Merlins Kunst! Denn das Orakel verhieß,
Er würde glücklich seyn, und alles würd' ihm gelingen,
Und Dichter würden einst von seinen Thaten singen,
Sofern man Mittel fänd', ihn nur vor Amors Macht
Zu schützen, der junge Herren so gern zu - Gecken macht.
Er ward in diesem Thurm von unsichtbaren Händen
So gut bedient als je ein Königssohn.
Man sah an aller Zimmer Wänden
Die Titian und die Giorgion2)
Der Farben Zauberey verschwenden.
Verschwendet überall war Gold und Elfenbein:
Nichts angenehmes gebrach, ein einzigs ausgenommen.
Es durfte kein weiblicher Fuß in seine Mauren kommen.
Kein Fenster, keine Thür! Sogar der Sonnenschein
Kam nur mit äußerster Vorsicht durch hohe Gitter hinein.
So lang er als Kind es bedurfte, von unsichtbaren Gnomiden
Bedient, (denn bey Gnomiden sogar
Hielt ihn der behutsame König nicht außer aller Gefahr)
Erblickt er von Jugend an nichts, worinn ein Leben war,
Als einen Psittich, ein Aefchen, und einen alten Druiden,
Mit langem silbernem Bart, der ungefehr was dem Peliden3)
Der alte Phönix, ihm war. Sein langer silberner Bart
Erweckte die Meynung, daß er ein wenig hexen könne.
Er war in aller Weisheit Egyptens hochgelahrt,
Und wußte genau, warum das Feuer brenne.
Warum der Schnee uns weiß nicht gelb noch Seladon scheint,
Auch daß der Mond nicht kühlt, Aurora Perlen nicht weint,
Und Basilisken nicht aus Hahneneyern entstehen.
Er maß die Ellipsen aufs Haar, worinn die Planeten sich drehen,
Und kurz, im Himmel, auf Erden, und unter der Erden, im Land
Der Gnomen, erklärt' er euch alles, den Cirkel in der Hand.
Gleich stark war unser Mann in der metaphysischen Sphäre,
Er wußte sein SUM QUIA SUM,4) und seine Dingerlehre,
So gut als Suarez und Duns.5) Ihm schien nichts wunderbar.
Sogar das seltsame Ding, das (närrisch genug) in uns denket,
Mit jedem geheimen warum, das unsern Willen lenket,
Und vom Warum das Warum erklärt' er an Fingern euch her.
Und daß in unsrer Welt, der Besten aller Welten,
Die Dinge nicht minder noch mehr als was wir wollen gelten,
Glaubt Meister Pangloß6) nicht steifer als er.
Er war nicht minder gelehrt in alter und neuer Geschichte,
Zumal in der, die nie geschah;7)
Wie mancher Jupiter war, und wie die Göttin Mama
Der Grazien hieß, und wieviel in Umfang, Maas und Gewichte
Der Becher, wozu der Busen der schönen Helena8)
Das Muster gegeben, enthielt, und tausend andre dergleichen
Probleme aufzulösen, mußt ihm Salmasius weichen.
Im Emendieren ließ Bentley die Segel vor ihm streichen;
Er hatte Lykophrons mystische Nacht9)
Durch seinen Commentar noch einmal so dunkel gemacht.
Mit aller dieser Gelehrsamkeit hätte
Ein Mädchen von fünfzehn, das Gott mit fünf bis sechs Sinnen bedacht,
Ihm, wie dem kleinsten Kinde, wer weiß was weiß gemacht.
Was halfs ihm, in seinem Sessel die ganze lange Kette
Der Wesen zu übersehn? Was vor der Nase ihm lag,
Das sah er nie. Er bewies euch so klar wie der Tag,
So müß' es gehn; und immer wurde sein Hoffen
Vom ungefällgen Erfolg so widrig übertroffen,
Als hätte Natur und Zufall sich gegen sein System
Verschworen. Und würklich war dies nicht sehr angenehm.
WV dh kalon to crhma titJwn eceiV!
Die Schöne Helene hatte der Natur von dieser Seite so viel
zu danken, daß Euripides (in derjenigen Scene seiner
Andromacha, worinn der alte Peleus den Menelaus wegen seiner
Schwachheit für seine Ungetreue mit den bittersten Vorwürfen
überschüttet) es allein der Schönheit ihres Busens
zuschreibt, daß dieser ihr vormaliger Gemahl bey dessen
Erblickung den Degen, womit er sie zu wohlverdienter Bestrafung
ihrer Untreue durchbohren wollen, weggeworfen, und ihr, unter
den zärtlichsten Liebkosungen, auf einmal seine ganze Liebe
wiedergegeben habe. ANDROM. V. 627. - 30. Wenn diese Anecdote
wahr ist, so hatte die Tochter der Leda wohl Ursache, die oben
erwähnte Stiftung zu machen. Im Vorbeygehen mög es uns
erlaubt sein, bey dieser Gelegenheit den ehrlichen und naiven
Brantome, (der in seinen MEMOIRES DES DAMES GALANTES T. I.
P. 275. über diese kleine Begebenheit nach seiner Art
raisonniert) gegen eine Schicane des critischen Bayle zu
vertheidigen. Brantome sagt, der besagte Votiv-Becher der Helena
sey aus weissem Golde gemacht gewesen, und setzt etliche
Zeilen darauf hinzu: PLINE DIT CECI PAR GRANDE ADMIRATION &
SPECIAUTÉ, OÙ IL TRAITE QU'IL Y A DE L'OR BLANC
(CE QUI EST FORT ÉTRANGE) & QUE CETTE COUPE FUT FAITE
D'OR BLANC. »Es ist nicht wahr, sagt Bayle, daß Plinius
gesagt habe, der Becher oder die Trinkschale, wovon die Rede ist,
sey aus weissem Golde gemacht gewesen.« Und zum Beweise begnügt
er sich, folgende Worte aus der oben angeführten Stelle des
Plinius hinzusetzen: MINERVÆ TEMPLUM HABET LINDOS INSULÆ
RHODIORUM, IN QUA HELENA SACRAVIT CALICEM EX ELECTRO; ADJICIT
HISTORIA, MAMMÆ SUÆ MENSURA. Allem Ansehen nach hat
Bayle sich die kleine Mühe nicht gegeben, diese Stelle in
ihrem Zusammenhang zu lesen, und vielleicht wohl gar sich eingebildet,
daß ELECTRUM hier Bernstein heisse. Plinius sagt: in allem
Golde sey etwas Silber; in einigem der zehnte, in anderm der neunte,
in anderm der achte Theil. - Wenn ein Fünftheil Silber darunter
sey, werd' es ELECTRUM genennt; eine Art von Golde, das dem Homer
schon bekannt gewesen, indem er sage, der Palast des Menelaus
habe überall von Gold, Silber, Electrum und Elfenbein geschimmert.
(ODYSS. L. IV. 73.) Es ist wahr, Plinius nennt dieses Electrum
nicht ausdrücklich weisses Gold; aber den Umstand,
den er anmerkt, »daß es bey Licht wie Silber, und noch
weisser als Silber aussehe, (ELECTRI NATURA EST, AD LUCERNARUM
LUMINA CLARIUS ARGENTO SPLENDERE) konnte einen Schriftsteller
wie Brantome gar wohl berechtigen, das Wort ELECTRUM durch
weisses Gold zu übersetzen. - Uebrigens konnte weder Bayle
noch Brantome etwas von demjenigen sonderbaren, und von dem Plinischen
Electrum ganz verschiedenen Metalle wissen, welches in unsern
Zeiten, unter dem Nahmen des weissen Goldes, oder PLATINA DEL
PINTO, bekannt, und an welchem von den berühmten Scheidekünstlern
Marggraf, Maquer, Baumé und andern sehr sonderbare
Eigenschaften entdeckt worden. Es wird, sagt man, in einigen Minen
von Peru gefunden, welche aber auf königlichen Befehl wieder
zugeschlossen worden sind. Es ist dem Silber an Farbe, und dem
Gold an Schwere, Dichtigkeit und verschiednen andern Beschaffenheiten
ähnlich, aber bey weitem nicht so bildsam als das ächte
Gold, welches durch die Vermischung mit demselben seine Geschmeidigkeit
und Ductilität verliehrt. DICTION. RAISONNÉ D'HIST.
NATUR. PAR MR. VALMONT DE BOMARE TOM. IV. P. 391 SQ.