Sokrates. Mein lieber Perikles! gieb keinen so niederschlagenden Gedanken Gehör! glaube nicht daß die Athener an einer so unheilbaren Verderbniß krank liegen! Siehst du nicht, welcher scharfen Disciplin sie sich im Seedienste unterwerfen? Wie unweigerlich sie in den gymnastischen Uebungen den Vorstehern gehorchen? wie willig sie in den (festlichen und theatralischen) Chören sich von den Meistern unterrichten und zu rechte weisen lassen?
Perikles. Seltsam genug, daß solche Leute sich so gut zur Subordinazion bequemen, unsre Hopliten und Ritter hingegen, die sich die vorzüglichsten unter den Bürgern dünken,1) gerade die ungehorsamsten und widerspänstigsten sind.
Sokrates. Aber der Senat im Areopagos, besteht er nicht aus den vorzüglichsten und auserlesensten Bürgern?2)
Perikles. Allerdings.
Sokrates. Kennst Du einen Gerichtshof, dessen Urtheile gewissenhafter, gesetzmäßiger und gerechter wären, und der sich überhaupt in allen seinen Handlungen mit mehr Anstand und Klugheit benähme, als dieser?
Perikles. Ich habe nichts an ihnen auszusetzen.
Sokrates. Wir wollen also an den Athenern noch nicht verzweifeln, als ob sie ganz und gar keiner Ordnung und keines gehörigen Betragens fähig wären.
Perikles. Das Schlimmste ist nur, daß sie gerade im Kriegsdienst, wo ein gesetztes verständiges Betragen und Disciplin und genaue Vollziehung der Befehle der Obern am unentbehrlichsten sind, sich um alles das am wenigsten bekümmern.
Sokrates. Vielleicht liegt die Schuld bloß daran, daß man ihnen so oft Befehlshaber giebt, die den Dienst selbst nicht verstehen, und nicht wissen was und wie sie befehlen sollen. Siehst Du nicht, daß Niemand sich einfallen läßt, den Zitherspielern, Tänzern und Chorsängern, oder den Fechtern und Pankraziasten vorstehen zu wollen, wenn er sich nicht auf ihre Kunst versteht; da ist keiner, der nicht den Meister nennen könnte, bey welchem er die Kenntnisse erlernt hat, die zu dem Geschäfte, dem er vorsteht, erfodert werden: unsre Feldherren hingegen sind es größtentheils aus dem Stegreif, ohne sich zu einem so wichtigen Geschäfte im geringsten vorbereitet zu haben. Von Dir, lieber Perikles, habe ich eine bessere Meynung; ich denke Du kannst eben so leicht sagen, von wem Du ein Kriegsheer anzuführen, als bey wem Du fechten gelernt hast. Ganz gewiß hast Du nicht nur eine Menge zur Kriegskunst erforderliche Kenntnisse Deinem Vater abgelernt, und zu künftigem Gebrauch zurückgelegt, sondern Dir auch alle andern Gelegenheiten zu Nutze gemacht, wo etwas zu diesem Zwecke dienliches zu sehen und zu lernen war. Ich glaube daß es eine Deiner angelegensten Sorgen ist, Dich hierin nicht selbst zu täuschen und zu verhüten, daß Dir nicht gegen Deine Meynung vieles unbekannt bleibe, was einem Befehlshaber im Kriege zu wissen nöthig und nützlich ist, und daß Du, sobald Du merkest daß Dir dieses oder jenes noch abgehe, Dich bey den Kunsterfahrnen darnach erkundigest, und weder Geld noch gute Worte sparest, um von ihnen zu lernen, und Dir tüchtige Gehülfen an ihnen zu verschaffen.
Perikles. Ich sehe sehr gut, bester Sokrates, warum Du dies alles sagst, wiewohl Du mir schwerlich zutrauest, daß ich mir bisher so viele Mühe gegeben haben sollte. Deine Absicht ist bloß mich zu belehren, daß einer, der sich einst um eine Befehlshaberstelle bey der Armee zu bewerben gedenkt, sich auf diese Weise dazu vorbereiten müsse.
Sokrates. Ich will Dir's nur gestehen, weil Du mich selbst so gut verstanden hast. Aber (um von was anderem zu reden) hast Du nie die Bemerkung gemacht, Perikles, daß zwischen Attika und Böotien einige große Berge liegen, über welche man nicht anders als durch sehr enge und steile Hohlwege in unser Land kommen kann, und daß uns also dieser Berggürtel, womit wir umgeben sind, zu einer natürlichen Schutzwehre dient?
Perikles. Das ist mir allerdings bekannt.
Sokrates. Solltest Du nicht etwa auch gehört haben, daß die Mysier und Pisidier, welche eben dergleichen bergichte und unzugangbare Gegenden im Lande des Königs inne haben3) und, wiewohl sie nur leichte Waffen führen, den angrenzenden Ländern des Königs durch ihre häufigen Einfälle großen Schaden thun, und sich selbst immer unabhängig erhalten haben.
Perikles. Auch das höre ich.4)
Sokrates. Meinest Du also nicht auch, unsre jungen Leute, die, bis sie zu einem rüstigern Alter kommen, nur leicht bewafnet werden, könnten, wofern sie die vor unserer Landschaft liegenden Berge besetzten, den Feinden vielen Schaden zufügen, und den Bürgern auf dem Lande zu einer starken Brustwehr dienen?
Perikles. Ich bin überzeugt, lieber Sokrates, dies würde von großem Nutzen seyn.
Sokrates. Wenn Dir denn also meine Vorschläge gefallen,5) mein Bester, so laß Dir angelegen seyn, sie ins Werk zu setzen. Was Du davon ausführen wirst, wird Dir zum Ruhm und der Republik zum Nutzen gereichen: und sollte auch der Erfolg Deinem guten Willen nicht entsprechen, so wirst Du wenigstens nicht durch Deine Schuld weder Deinem Vaterlande Schaden, noch Dir selbst Schande zugezogen haben.6)
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- IPSA, SI CUPIAT, SALUS SERVARE PRORSUS NON POTERIT HANC FAMILIAM. |
Alles was man von ihm weiß, ist, daß er einer von den zehen Feldherren war, die im
3ten Jahre der 93ten Olympiade einen nahmhaften Sieg bey den Arginussen, ohnweit des
Vorgebirgs Malea in Lesbos über eine zuvor siegreiche Spartanische Flotte erfochten, aber weil
verschiedene unglückliche Zufälle (ohne ihre Schuld, wie es scheint) die von diesem Sieg
erwartete Vortheile zu Wasser machten, von den Athenern dafür verantwortlich gemacht, und auf
eine sehr illegale und tumultuarische Art zum Tode verurtheilt wurden; wovon die nähern
Umstände von Xenofon im 1. B. seiner Hellenischen Geschichte, und im 13. B. des
Diodor von Sicilien umständlich erzählt werden.