Peter Squentz, Pickelhäring / Meister Kricks über und über / Meister Bulla-Butän, Meister Klipperling / Meister Lollinger / Meister Klotz-George.
P. Squentz.
EDler / Woledler / Hochedler / Woledelgeborner Herr Pickelhäring
/ von Pickelhäringsheim und Saltznasen.
Pickelhäring.
Der bin ich.
P. Sq.
Arbeitsamer und Armmächtiger Mester Kricks / über
und über / Schmied.
M. Kricks über.
Der bin ich.
P. Sq.
Tugendsamer / auffgeblasener und windbrechender Mester Bullabutän
/ Blasebalckenmacher.
Bullabutän.
Der bin ich.
P. Sq.
Ehrwürdiger / durchschneidender und gleichmachender Mester
Klipperling / Wolbestelter Schreiner des weitberühmbten Dorffes
/ Rumpels-Kirchen.
M. Klipperl.
Der bin ich.
P. Sq.
Wolgelahrter / vielgeschwinder und hellstimmiger Mester Lollinger
/ Leinweber und Mester Singer.
Loll.
Der bin ich.
P. Sq.
Treufleissiger / Wolwürckender / Tuchhaffter Mester Klotz-George
/ Spulenmacher.
M. Klotz-George.
Der bin ich.
P. Sq.
Verschraubet euch durch Zuthuung euer Füsse und Niederlassung
der hindersten Oberschenckel auff herumbgesetzte Stühle /
schlüsset die Repositoria ewers gehirnes auff / verschlisset
die Mäuler mit dem Schloß des Stillschweigens / setzt
eure 7. Sinnen in die Falten / Herr Peter Squentz (cum titulis
plenissimis) hat etwas nachdenckliches anzumelden.
P. H.
Ja / ja / Herr Peter Squentz ist ein Tieffsinniger Mann /
er hat einen Anschlägigen Kopff / wenn er die Treppen hinunter
fällt / er hat so einen ansehnlichen Bart / als wenn er König
von Neu-Zembla wäre / es ist nur zu bejammern / daß
es nicht wahr ist.
P. Sq.
Nach dem ich zweiffels ohn durch Zuthuung der alten Phoebussin
und ihrer Tochter der großmäulichen Frau Fama Bericht
erlanget / daß Ihre Majest. unser Gestrenger Juncker König
ein grosser Liebhaber von allerley lustigen Tragoedien und prächtigen
Comoedien sey / als bin ich willens / durch Zuthuung euer Geschickligkeit
eine jämmerlich schöne Comoedi zu tragiren / in Hoffnung
nicht nur Ehre und Ruhm einzulegen / sondern auch eine gute Verehrung
für uns alle und mich in specie zuerhalten.
B. b.
Das ist erschrecklich wacker! ich spiele mit / und solte ich
6. Wochen nicht arbeiten.
P. H.
Es wird über alle massen schöne stehen! wer wolte
nicht sagen / daß unser König treffliche Leute in seinem
Dorffe hätte.
M. K. über und über.
Was wollen wir aber vor eine tröstliche Comoedi tragiren?
P. Sq.
Von Piramus und Thisbe.
M. Kl. G.
Das ist übermassen trefflich! man kan allerhand schöne
Lehre / Trost und Vermahnung drauß nehmen / aber das ärgeste
ist / ich weiß die Historie noch nicht / geliebt es nicht
E. Herrligkeit dieselbte zu erzehlen.
P. Sq.
Gar gerne. Der Heil. alte Kirchen-Lehrer Ovidius schreibet
in seinem schönen Buch Memorium phosis, das Piramus die Thisbe
zu einem Brunnen bestellet habe / in mittelst sey ein abscheulicher
heßlicher Löwe kommen / vor welchem sie aus Furcht
entlauffen / und ihren Mantel hinterlassen / darauff der Löwe
Jungen außgehecket; als er aber weggegangen / findet Piramus
die bluttige Schaube / und meinet der Löwe habe Thisben gefressen
/ darumb ersticht er sich aus Verzweiffelung / Thisbe kommet wieder
und findet Piramum todt / derowegen ersticht sie sich ihm zu Trotz.
P. H.
Und stirbet?
P. Sq.
Und stirbet.
P. H.
Das ist tröstlich / es wird übermassen schön
zu sehen seyn: aber saget Herr P. Sq. Hat der Löwe auch viel
zu reden?
P. Sq.
Nein / der Löwe muß nur brüllen.
P. H.
Ey so wil ich der Löwe seyn / denn ich lerne nicht gerne
viel auswendig.
P. Sq.
E y Nein! Mons. Pickelhering muß eine Hauptperson agiren.
P. H.
Habe ich denn Kopff genug zu einer Hauptperson?
P. Sq.
Ja freylich. Weil aber vornemlich ein tapfferer ernsthaffter
und ansehnlicher Mann erfordert wird zum Prologo und Epilogo,
so wil ich dieselbe auff mich nehmen / und der Vorreder und Nachreder
des Spiles / das ist Anfang und das Ende seyn.
M. Kr. über und über.
Jn Warheit. Denn weil ihr das Spiel macht / so ist billich
/ daß ihr auch den Anfang und das Ende dran setzet.
M. Klip.
Wer sol denn den Löwen nu tragiren? Jch halte er stünde
mir am besten an / weil er nicht viel zu reden hat.
M. Kricks.
Ja mich düncket aber / es solte zu schrecklich lauten
/ wenn ein grimmiger Löwe hereingesprungen käme / und
gar kein Wort sagte / das Frauenzimmer werde sich zu hefftig entsetzen.
M. Klotz-G.
Jch halte es auch dafür. Sonderlich wäre rathsam
wegen Schwangerer Weiber / daß ihr nur bald anfänglich
sagtet / ihr wäret kein rechter Löwe / sondern nur Meister
Klipperl. der Schreiner.
P. H.
Und zum Wahr-Zeichen lasset das Schurtzfell durch die Löwen
Haut hervor schlenckern.
M. Loll.
Wie bringen wir aber die Löwenhaut zu wege? Jch habe
mein lebtage hören sagen / ein Löwe sehe nicht viel
anders aus als eine Katze. Wäre es nun rathsam / daß
man so viel Katzen schinden liesse / und überzüge euch
nackend mit den noch bluttigen Fellen / daß sie desto fester
anklebeten?
M. Kr. über und über.
Eben recht. Es wäre ein schöner Handel / sind wir
nicht mehrentheils Zunfftmässige Leute? werden wir nicht
wegen des Katzenschindens unredlich werden?
M. B. B.
Es ist nicht anders. Darzu habe ich gesehen / daß die
Löwen alle gelbe gemachet werden / aber meine lebetage keine
gelbe Katze gefunden.
P. Sq.
Jch habe einen andern Einfall. Wir werden doch die Comoedi
bey Lichte tragiren. Nun hat mich mein Gevatter Mester Ditloff
Ochsen-Fuß / welcher unser Rathhaus gemahlet / vor diesem
berichtet / daß Grüne bey Lichte gelbe scheine. Mein
Weib aber hat einen alten Rock von Früß / den wil ich
euch an stat einer Löwenhaut umbbinden.
M. Kr.
Das ist das beste so zuerdencken / nur er muß der Rede
nicht vergessen.
M. Kl. G.
Kümmert euch nicht darumb lieber Schwager / Herr Peter
Squentz ist ein gescheidener Mann / er wird dem Löwen wol
zu reden machen.
Mester Klipperl.
Kümmert euch nicht / kümmert euch nicht / ich wil
so lieblich brüllen / daß der König und die Königin
sagen sollen / mein liebes Löwichen brülle noch einmal.
M. P. Sq.
Lasset euch unterdessen die Nägel fein lang wachsen /
und den Bart nicht abscheren / so sehet ihr einem Löwen desto
ehnlicher / nun ist einer difficultet abgeholffen / aber hier
wil mir das Wasser des Verstandes schier die Mühlräder
des Gehirnes nicht mehr treiben / der Kirchenlehrer Ovidius schreibet
/ daß der Monde geschienen habe / nun wissen wir nicht /
ob der Monde auch scheinen werde / wenn wir das Spiel tragiren
werden.
P. H.
Das ist / beym Element / eine schwere Sache.
M. Kricks.
Dem ist leicht zu helffen / wir müssen im Calender sehen
/ ob der Monde denselben Tag scheinen wird.
M. Kl. G.
Ja wenn wir nur einen hätten.
M. Loll.
Hier habe ich einen / den habe ich von meines Groß-Vatern
Muhme ererbet / er ist wol 100. Jahr alt / und derowegen schier
der beste. Ey Juncker Pickelh. verstehet ihr euch auffs Calendermachen
/ so sehet doch ob der Monde scheinen wird.
P. H.
Je solte ich das nicht können / Lustig / lustig ihr Herren
/ der Mond wird gewiß scheinen / wenn wir spielen werden.
M. Kricks.
Ja ich habe aber mein lebetag gehöret / wenn man schön
Wetter im Calender findet / so regnets.
M. Kl. G.
Drumb haben unsere lieben Alten gesaget; du leugest wie ein
Calendermacher.
P. Sq.
Ey das ist nichts / der Mond muß darbey seyn / wenn
wir die Comoedi spielen / sonst wird das Ding zu Wasser / das
ist die Comoedi wird zu nichte.
M. Kricks.
Hört was mir eingefallen ist / ich wil mir einen Pusch
umb den Leib binden / und ein Licht in einer Latern tragen / und
den Monden tragiren, was düncket euch zu der Sachen?
P. H.
Beim Velten das wird gehen / aber der Monde muß in der
Höhe stehen. Wie hier zu rathen?
P. Sq.
Es solte nicht übel abgehen / wenn man den Monden in
einen grossen Korb setzte / und denselben mit einem Stricke auff
und abliesse.
M. Kricks.
Ja! wenn der Strick zuriesse / so fille ich herunter und bräche
Hals und Bein. Besser ist es / ich stecke die Laterne auff eine
halbe Picken / daß das Licht umb etwas in die Höhe
kommet.
P. Sq.
Nec ita malè. Nur das Licht in der Laterne muß
nicht zu lang seyn / denn wenn sich Thisbe ersticht / muß
der Mond seinen Schein verlieren / das ist / verfinstert werden
/ und das muß man abbilden mit Verleschung deß Lichtes.
Aber ad rem. Wie werden wir es mit der Wand machen?
M. Klipperl.
Eine Wand auffzubauen für dem Könige / das wird
sich nicht schicken.
P. H.
Was haben wir viel mit der Wand zu thun?
P. Sq.
Ey ja doch / Piramus und Thisbe müssen mit einander durch
das Loch in der Wand reden.
M. Klipperl.
Mich düncket / es wäre am besten / man beschmierete
einen umb und umb mit Leimwellern / und steckte ihn auff die Bühne
/ er müste sagen daß er die Wand wäre / wenn nun
Piramus reden sol / müste er ihme zum Maule das ist zum Loch
hinein reden / Wenn nun Thisbe was sagen wolte / müste er
das Maul nach der Thisbe kehren.
P. Sq.
Nihil ad Rhombum. Das ist: nichts zur Sache. Thisbe muß
dem Piramus den Liebespfeil durch das Loch ausziehen / wie wollen
wir das zu wege bringen?
P. H.
Lasset uns dennoch eine Papierne Wand machen / und ein Loch
dardurch bohren.
M. B. b.
Ja / die Wand kan aber nicht reden.
M. Kricks.
Das ist auch war.
M. B. b.
Jch wil mir eine Papierne Wand an einen Blindrähmen
machen / und weil ich noch keine Person habe / so wil ich mit
der Wand auff den Platz kommen und sagen / daß ich die Wand
sey.
P. Sq.
Appositè das wird sich schicken / wie / eine Härings-Nasen
auff einen Schwaben Ermel / Juncker Pickelhäring ihr müsset
Piramus seyn.
P. H.
Birnen Most? Was ist das für ein Kerl.
P. Sq.
Es ist die vornemste Person im Spiel / ein Chevalieùr
Soldat und Liebhaber.
M. Kl. G.
Ja Pickelhäring ist die fürnemste Person im Spiel
/ er muß das Spiel zieren / wie die Bratwurst das Sauerkraut.
P. H.
Ein Soldat und Buler / so muß ich lachen und sauer sehen.
P. Sq.
Aber nicht beydes auff einmahl.
P. H.
Das ist gut! denn ich kan nicht zugleich lachen und weinen
/ wie Jehan Potage. Es stehet auch einer so vornehmen Person /
wie ich bin / nicht an / sondern ist Närrisch nicht Fürstlich.
Nur ich bitte euch umb Gottes Willen / machet mir nicht viel Lateinisch
in meinem Titul / die Wörter sind mir zu Cauderwellisch /
und wir verwirren das gantze Spiel. Denn ich weiß / ich
werde sie nicht behalten.
P. Sq.
Es wird sich wol schicken. Ja nun wil mir das Hertze gar in
die Hosen fallen.
M. Kl. G.
Ey warumb Ehrenvester Herr Peter Squentz.
P. Sq.
Wir müssen eine Thisbe haben / wo wollen wir die her
nehmen?
M. Loll.
Das kan Klotz-George am besten agiren, er hat als er noch
ein Knappe war / die Susanna gespielet / er machte ihm die Augen
mit Speichel naß / und sah so barmhertzig auß / daß
alle alte Weiber weinen musten.
P. Sq.
Ja und das gehet nun nicht an / er hat einen grossen Bart.
P. H.
Ohne Schaden: Er mag ihm das Maul mit einem Stücke Specke
schmieren / so siehet er desto glätter aus umbs Mundstück
/ und kan mit einer schmutzigen Goschen zum Fenster aus kucken.
M. Kricks.
Freylich! nehmet die Personen an zu gutem Glück / man
weiß doch wol / daß ihr die rechte Thisbe nicht seyd.
Bullabutäin.
Jhr müsset fein klein / klein / klein reden.
M. Kl. G.
Also.
P. Sq.
Noch kleiner!
M. Kl. G.
Also denn?
P. Sq.
Noch kleiner.
M. Kl. G.
Nun nun / ich wils wol machen / ich wil so klein und lieblich
reden / daß der König und Königin an mir den Narren
fressen sollen.
M. Loll.
Was soll denn ich seyn?
P. Sq.
Beim Element / wir hätten schier das nötigste vergessen
/ ihr müsset der Brunnen seyn.
M. Loll.
Was der Brunn?
P. Sq.
Der Brunn.
M. Loll.
Der Brunn? des muß ich lachen / ich bin ja einem Brunn
nicht ehnlich.
P. Sq.
Ey ja verstehet eine Wasser-Kunst.
P. H.
Freylich / seyd ihr euer lebenlang nicht zu Dantzig gewesen
/ oder zu Augspurg / die Maister-Singer reisen ja sonst zimlich
weit / habt ihr nicht gehöret / daß der Käyser
zu Augspurg auff einem Brunn stehet / und zu Dantzig Clinctunus.
M. Loll.
Aber wie sol ich Wasser von mir spritzen?
P. H.
Seyd ihr so alt und wisset das nicht? ihr müsset vornen.
P. Sq.
Holla! Holla! Wir müssens Erbar machen für dem Frauen
Zimmer. Jhr müsset eine Gießkanne in der Hand haben.
P. H.
Recht recht! so mahlet man das Wasser unter den 9. Freyen-Künsten.
P. Sq.
Und must auch Wasser in dem Mund haben und mit umb euch spritzen.
M. Kl. G.
Wie wird er aber reden können?
P. Sq.
Gar wol / wenn er einen Vers geredet hat / so muß er
einmal spritzen. Nun zu dem Titul dieses Spieles / wir sollen
es heissen eine Comoedi oder Tragoedie.
M. Loll.
Der alte berühmbte deutsche Poët und Meister-Sänger
Hans Saxe schreibet / wenn ein Spiel traurig ausgehet / so ist
es eine Tragoedie, weil sich nun hier 2. erstechen / so gehet
es traurig aus / Ergò.
P. H.
Contrà. Das Spiel wird lustig außgehen / denn
die Todten werden wieder lebendig / setzen sich zusammen / und
trincken einen guten Rausch / so ist es denn eine Comoedie.
P. Sq.
Ja es ist noch in weitem Feld. Wir wissen noch nicht ob wir
bestehen werden / vielleicht machen wir eine Sau und kriegen gar
nichts / darumb ist es am besten / ich folge meinem Kopff und
gebe ihm den Titul ein schön Spiel lustig und traurig / zu
tragiren und zu sehen.
M. Loll.
Noch eines. Wenn wir das Spiel tragiren werden / wollen wir
dem Könige ein Register übergeben / darauff allerhand
Comoedien verzeichnet / und diese zum letzten setzen / daß
er außlesen mag / was er sehen wil. Jch weiß / er
wird doch keine begehren / als die letzte / unterdessen werden
wir für geschickte und hochgelehrte Leute gehalten werden.
P. Sq.
Gut gut! ihr Herren lernet fleissig / morgen mache ich die
Comoedi fertig / so krieget ihr die Zedel über morgen / ich
wil unter dessen M. Lollingern den Meister-Sänger zu mir
nehmen / der wird mir schon helffen einrahten / wie ich die Endungen
der Syllben / wol zusammen bringe / unter dessen seyd Gott befohlen.
P. H.
Ehren / Wolehren und Hochehrenvester / tieffgelehrter / spitzfindiger
Herr P. Squentz grossen danck / eine gute Nacht.
Die andern nehmen alle mit allerhand Cerimonien von einander ihren Abscheid / Pickelhäring aber und Peter Squentz nötigen einander voranzugehen / so bald aber Squentz voran tretten wil / zeucht ihn Pickelhäring zurück / und laufft selbst voran.