Wilde Gebirgsgegend. Rechts: phantastische Baumgruppen und ein Stück von einem See. Links: eine hervorspringend steile Felswand, worin ein großes Portal sichtbar. - Der Ritter irrt wie ein Wahnsinniger umher. Er scheint Himmel und Erde, die ganze Natur zu beschwören, ihm seine Geliebte wiederzugeben. Aus dem See steigen die Undinen und umtanzen ihn in feierlich lockender Weise. Sie tragen lange weiße Schleier und sind geschmückt mit Perlen und Korallen. Sie wollen den Ritter in ihr Wasserreich hinabziehen, aber aus dem Laub der Bäume springen die Luftgeister, die Sylphen, herab, welche ihn zurückhalten, mit heiterer, ja ausgelassener Lust. Die Undinen entweichen und stürzen sich wieder in den See.
Die Sylphen sind in helle Farben gekleidet und tragen grüne Kränze auf den Häuptern. Leicht und heiter umtanzen sie den Ritter. Sie necken ihn, sie trösten ihn und wollen ihn entführen in ihr Luftreich; da öffnet sich zu seinen Füßen der Boden, und es stürmen hervor die Erdgeister, kleine Gnomen mit langen weißen Bärten, und kurze Schwerter in den kleinen Händchen. Sie hauen ein auf die Sylphen, welche entfliehen, wie erschrockenes Gevögel. Einige derselben flüchten sich auf die Bäume, wiegen sich auf den Baumzweigen, und ehe sie ganz in den Lüften verschwinden, verhöhnen sie die Gnomen, welche sich unten wie wütend gebärden.
Die Gnomen umtanzen den Ritter, und scheinen ihn ermutigen und ihm den boshaften Trotz, der sie selber beseelt, einflößen zu wollen. Sie zeigen ihm, wie man fechten müsse; sie halten Waffentanz und spreizen sich wie Weltbesieger - da erscheinen plötzlich die Feuergeister, die Salamander, und schon bei ihrem bloßen Anblick kriechen die Gnomen mit feiger Angst wieder in ihre Erde zurück.
Die Salamander sind lange, hagere Männer und Frauen, in enganliegenden feuerroten Kleidern. Sie tragen sämtlich große goldene Kronen auf den Häuptern und Szepter und sonstige Reichskleinodien in den Händen. Sie umtanzen den Ritter mit glühender Leidenschaft; sie bieten ihm ebenfalls eine Krone und ein Szepter an, und er wird unwillkürlich mit fortgerissen in die lodernde Flammenlust; diese hätte ihn verzehrt, wenn nicht plötzlich Waldhorntöne erklängen und im Hintergrund, in den Lüften, die wilde Jagd sich zeigte. Der Ritter reißt sich los von den Feuergeistern, welche wie Raketen versprühen und verschwinden; der Befreite breitet sehnsüchtig die Arme aus gegen die Führerin des wilden Jagdheeres.
Das ist Diana. Sie sitzt auf einem schneeweißen Roß, und winkt dem Ritter mit lächelndem Gruß. Hinter ihr reiten, ebenfalls auf weißen Rossen, die Nymphen der Göttin, sowie auch die Götterschar, die wir schon als Besuchende in dem alten Tempel gesehen, nämlich Apollo mit den Musen und Bacchus nebst seinen Gefährten. Den Nachtrab auf Flügelrossen bilden einige große Dichter des Altertums und des Mittelalters, sowie auch schöne Frauen der letztern Perioden. Die Bergkoppen umwendend, gelangt der Zug endlich in den Vordergrund und hält seinen Eintritt in die weit sich öffnende Pforte zur linken Seite der Szene. Nur Diana steigt von ihrem Roß herab und bleibt zurück bei dem Ritter, dem freudeberauschten. Die beiden Liebenden feiern in entzückten Tänzen ihr Wiederfinden. Diana zeigt dem Ritter die Pforte der Felswand und deutet ihm an, daß dieses der berühmte Venusberg sei, der Sitz aller Üppigkeit und Wollust. Sie will ihn, wie im Triumphe, dort hineinführen - da tritt ihnen entgegen ein alter weißbärtiger Krieger, von Kopf bis zu Fuß geharnischt, und er hält den Ritter zurück, warnend vor der Gefahr, welcher seine Seele im heidnischen Venusberge ausgesetzt sei. Als aber der Ritter den gutgemeinten Warnungen kein Gehör schenkt, greift der greise Krieger (welcher der treue Eckart genannt ist) zum Schwerte und fordert jenen zum Zweikampf. Der Ritter nimmt die Herausforderung an, gebietet der angstbewegten Göttin, das Gefecht durch keine Einmischung zu stören; er wird aber gleich nach den ersten Ausfällen niedergestochen. Der treue Eckart wackelt täppisch zufrieden von dannen, wahrscheinlich sich freuend, wenigstens die Seele des Ritters gerettet zu haben. Über die Leiche desselben wirft sich verzweiflungsvoll und trostlos die Göttin Diana.
Der Venusberg: Ein unterirdischer Palast, dessen Architektur und Ausschmückung im Geschmack der Renaissance, nur noch weit phantastischer, und an arabische Feenmärchen erinnernd. Korinthische Säulen, deren Kapitäler sich in Bäume verwandeln und Laubgänge bilden. Exotische Blumen in hohen Marmorvasen, welche mit antiken Basreliefs geziert. An den Wänden Gemälde, wo die Liebschaften der Venus abgebildet. Goldne Kandelaber und Ampeln verbreiten ein magisches Licht, und alles trägt hier den Charakter einer zauberischen Üppigkeit. Hie und da Gruppen von Menschen, welche müßig und nachlässig am Boden lagern, oder bei dem Schachbrett sitzen. Andere schlagen Ball oder halten Waffenübungen und Scherzgefechte. Ritter und Damen ergehen sich paarweis in galanten Gesprächen. Die Kostüme dieser Personen sind aus den verschiedensten Zeitaltern, und sie selber sind eben die berühmten Männer und Frauen der antiken und mittelalterlichen Welt, die der Volksglaube, wegen ihres sensualistischen Rufes oder wegen ihrer Fabelhaftigkeit in den Venusberg versetzt hat. Unter den Frauen sehen wir z. B. die schöne Helena von Sparta, die Königin von Saba, die Kleopatra, die Herodias, unbegreiflicherweise auch Judith, die Mörderin des edlen Holofernes, dann auch verschiedene Heldinnen der bretonischen Rittersagen. Unter den Männern ragen hervor Alexander von Mazedonien, der Poet Ovidius, Julius Cäsar, Dieterich von Bern, König Arthus, Ogier der Däne, Amadis von Gallien, Friedrich der Zweite von Hohenstaufen, Klingsor von Ungerland, Gottfried von Straßburg und Wolfgang Goethe. Sie tragen alle ihre Zeit- und Standestracht, und es fehlt hier nicht an geistlichen Ornaten, welche die höchsten Kirchenämter verraten.
Die Musik drückt das süßeste dolce far niente aus, geht aber plötzlich über in die wollüstigsten Freudenlaute. Dann erscheint Frau Venus mit dem Tannhäuser, ihrem Cavaliere servente. Diese beiden, sehr entblößt und Rosenkränze auf den Häuptern, tanzen ein sehr sinnliches Pas-de-deux, welches schier an die verbotensten Tänze der Neuzeit erinnert. Sie scheinen sich im Tanze zu zanken, sich zu verhöhnen, sich zu necken, sich mit Verspottung den Rücken zu kehren, und unversehens wieder vereinigt zu werden durch eine unverwüstliche Liebe, die aber keineswegs auf wechselseitiger Achtung beruht. Einige andere Personen schließen sich dem Tanz jener beiden an, in ähnlich ausgelassener Weise, und es bilden sich die übermütigsten Quadrillen.
Diese tolle Lust wird aber plötzlich unterbrochen. Schneidende Trauermusik erschallt. Mit aufgelöstem Haar und den Gebärden des wildesten Schmerzes stürzt herein die Göttin Diana, und hinter ihr wandeln ihre Nymphen, welche die Leiche des Ritters tragen. Letztere wird in der Mitte der Szene niedergesetzt, und die Göttin legt ihr mit liebender Sorgfalt einige seidene Kissen unter das Haupt. Diana tanzt ihren entsetzlichen Verzweiflungstanz, mit allen erschütternden Kennzeichen einer wahren tragischen Leidenschaft, ohne Beimischung von Galanterie und Laune. Sie beschwört ihre Freundin Venus, den Ritter vom Tode zu erwecken. Aber jene zuckt die Achsel, sie ist ohnmächtig gegen den Tod. Diana wirft sich wie wahnsinnig auf den Toten, und benetzt mit Tränen und Küssen seine starren Hände und Füße.
Es wechselt wieder die Musik, und sie verkündet Ruhe und harmonische Beseligung. An der Spitze der Musen erscheint, zur linken Seite der Szene, der Gott Apollo. Aufs neue wechselt die Musik; bemerkbar wird ihr Übergang in jauchzende Lebensfreude, und zur rechten Seite der Szene erscheint Bacchus nebst seinem bacchantischen Gefolge. Apollo stimmt seine Leier, und spielend tanzt er nebst den Musen um die Leiche des Ritters. Bei dem Klange dieser Töne erwacht dieser gleichsam wie aus einem schweren Schlafe, er reibt sich die Augen, schaut verwundert umher, fällt aber bald wieder zurück in seine Todeserstarrung. Jetzt ergreift Bacchus eine Handpauke, und im Gefolge seiner rasendsten Bacchanten umtanzt er den Ritter. Es erfaßt eine allmächtige Begeisterung den Gott der Lebenslust, er zerschlägt fast das Tamburin. Diese Melodien wecken den Ritter wieder aus dem Todesschlaf, und er erhebt sich halben Leibes, langsam, mit lechzend geöffnetem Munde. Bacchus läßt sich von Silen einen Becher mit Wein füllen und gießt ihn in den Mund des Ritters. Kaum hat dieser den Trank genossen, als er wie neugeboren vom Boden emporspringt, seine Glieder rüttelt und die verwegensten und berauschtesten Tänze zu tanzen beginnt. Auch die Göttin ist wieder heiter und glücklich, sie reißt den Thyrsus aus den Händen einer Bacchantin und stimmt ein in den Jubel und Taumel des Ritters. Die ganze Versammlung nimmt teil an dem Glücke der Liebenden, und feiert in wieder fortgesetzten Quadrillen das Fest der Auferstehung. Beide, der Ritter und Diana, knien am Ende nieder zu den Füßen der Frau Venus, die ihren eignen Rosenkranz auf das Haupt Dianas und Tannhäusers Rosenkranz auf des Ritters Haupt setzt. Glorie der Verklärung.