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Wiewohl du, Scäva, dir genugsam selbst zu raten weißt, und keines Unterrichts, wie mit den Großen umzugehen ist, bedarfst: so höre doch, zum Überfluß, was dein selbst lehrbedürft'ger kleiner Freund hierüber sagen kann, wie wenn ein Blinder zum Führer einem Wandrer sich erböte. Laß sehn! Wer weiß, ich sage doch vielleicht noch etwas, das du gern dir eigen machest. Wenn du die Ruhe liebest, deinem Schlaf nicht gerne abbrichst, auch den Straßenstaub nicht wohl ertragen kannst, und wenn das Knarren der Wagenräder und das Übernachten im Gasthof dir zuwider ist: so laß die Großen, wo sie sind, und schließe du dich in dein stilles Ferentinum ein1). Die Reichen sinds ja nicht allein, die froh zu leben wissen, und wer unbemerkt sich in die Welt hinein und wieder hinausgeschlichen, hat nicht schlimm gelebt. | Quamvis,
Scaeva, satis per te tibi consulis et scis, quo tandem pacto deceat melioribus uti: disce, docendus adhuc quae censet amiculus, ut si caecus iter monstrare velit. Tamen aspice si quid <5> et nos, quod cures proprium fecisse, loquamur. Si te grata quies et primam somnus in horam delectat; si te pulvis strepitusque rotarum, si laedit caupona, Ferentinum ire iubebo: nam neque divitibus contingunt gaudia solis, <10> nec vixit male, qui natus moriensque fefellit. | |
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Wofern du aber deinen Angehörigen dich nützlich machen, auch ein wenig gütlicher dir selber tun willst, nun, so halte dich an einen, der dich fetter machen kann. »Wenn Aristippusa) sich mit einer Mahlzeit von Kohl behelfen könnte, würd' er nicht mit Königen leben wollen.« »Und wenn der, der mir den Vorwurf macht, mit Königen sich zu betragen wüßte, würde Kohl ihm lose Speise sein.«2) Nun sprich, mein Scäva, wer unter diesen beiden scheint dir Recht zu haben? Oder, weil du doch der Jüng're bist, vernimm von mir, warum die Meinung Aristipps die beßre sei. Doch, hör' ihn lieber selbst, und wie geschmeidig er dem bissigen Cyniker, der ihn schon fest zu halten vermeinte, sich entwunden haben soll. »Wenn ich den Narren spiele, tu' ichs mir zulieb; du gibst dem Volk dich Preis um nichts. Was ist nun klüger und was ziemt sich besser | Si prodesse tuis
pauloque benignius ipsum te tractare voles, accedes siccus ad unctum. »Si pranderet olus patienter, regibus uti nollet Aristippus.« »Si sciret regibus uti, <5> fastidiret olus, qui me notat.« Utrius horum verba probes et facta, doce, vel iunior audi, cur sit Aristippi potior sententia. Namque mordacem Cynicum sic eludebat, ut aiunt: »Scurror ego ipse mihi, populo tu: rectius hoc et <20> splendidius multo est, equus ut me portet, alat rex; | |
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für einen Ehrenmann? Der König gibt mir seine Tafel und ein hübsches Pferd aus seinem Stall; dafür verricht' ich meinen Dienst3); du schnappst, wenn dich der Hunger kirre macht, nach einem Brocken schimmlicht Brot, den dir ein schmutz'ger Kerl wie einem Hunde zuwirft, und prahlest noch mit deinem Nichtsbedürfen?« Was mir am Aristipp gefällt, ist, daß ihm jede Farbe, jedes Glück wohl anstand. Arm oder reich, im netten Hofkleid oder im schlechten Überrocke, blieb er immer sich selber ähnlich, immer wie er war, gerade recht, doch so, daß auch nichts Bessers für ihn zu gut war4). Wundern sollte michs, wenn diesen, den die Notphilosophie in Zwilch verhüllt', ein Hofrock auch so gut gekleidet hätte. Jener wartet dir auf keinen Purpurrock, geht, wenn nichts Bessers zur Hand ist, unbeschämt im schlechtesten dir mitten übern Markt, spielt beide Rollen, so wie sie an ihn kommen, gleich geschickt. Hingegen läuft der finstre Cyniker vor einem reichen Rock wie vor der Pest; | officium facio, tu poscis vilia
rerum dante minor, quamvis fers te nullius egentem.« Omnis Aristippum decuit color et status et res, temptantem maiora fere, praesentibus aequum. <25> Contra, quem duplici panno patientia velat, mirabor, vitae via si conversa decebit. Alter purpureum non expectabit amictum, quidlibet indutus celeberrima per loca vadet, personamque feret non inconcinnus utramque. <30> Alter Mileti textam cane peius et angue | |
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eh' friert er sich zu Tode, wenn du ihm nicht seinen groben Kittel wiedergibst. So gib ihn dann und laß den Narren laufen! Des Staats Geschäfte tun, besiegte Feinde dem Volk in Fesseln zeigen, heißt sich Bahn zum Himmel machen und bis an den Thron des Weltbeherrschers reichen: aber auch den Ersten im Staat gefallen, ist kein schlechtes Los. Die Reise nach Korinth ist freilich keine Sache für jedermann5). Wer des Versuchs sich nicht getraut, bleibt, wo er ist, und tut daran nicht übel: aber wer das Abenteuer bestanden und nun dort ist, hat er sich nicht wie ein Mann gehalten? Und wenn nun das, was man sucht, dort oder nirgends ist, wie dann? Was ist davon zu sagen, als: der eine scheut die seinem kleinen Körper und kleinen Mut zu große Last, der andre hält frisch den Rücken hin und trägt sie fort. Kurz, Tugend ist entweder nur ein leerer Name, oder Ruhm und Glück gebührt dem Manne, der sein alles dran gesetzt6). | vitabit
chlamydem; morietur frigore, si non rettuleris pannum. Refer, et sine vivat ineptus. Res gerere et captos ostendere civibus hostes, attingit solium Iovis et caelestia temptat: <35> principibus placuisse viris non ultima laus est. Non cuivis homini contingit adire Corinthum; sedit qui timuit, ne non succederet; esto! Quid, qui pervenit, fecitne viriliter? Atqui hic est aut nusquam, quod quaerimus: hic onus horret <40> ut parvis animis et parvo corpore maius; hic subit et perfert. Aut virtus nomen inane est, | |
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Noch eins zum Schlusse. Wer vor seinem Fürsten von seiner Armut schweigt, trägt mehr davon, als wer beständig bettelt. Ob du dankbar und zufrieden annimmst oder hastig zugreifst, macht einen großen Unterschied! »Es liegt mir eine Schwester ohne Mitgift, eine arme Mutter mir auf dem Hals; mein Gut ist unverkäuflich, und gleichwohl nährt es mich nur kümmerlich.« Wer so spricht, schreit um Brot, und gleich ist noch ein Hungerleider da, der auf die Hälfte des Laibs, der ihm gereicht wird, Anspruch macht. Daß doch der Rabe seinen Fraß nicht schweigend verzehren kann! Er hätte mehr zu essen, und minder Neid und Hader. Wer mit einem Großen die Reise nach Brundusium, oder nach dem reizenden Surrentum macht, und über die schlimmen Wege, über rauhe Luft und Regen wehklagt, oder daß sein Kuffer erbrochen und Gerät und Reisegeld gestohlen worden, macht damit sich bloß des alten Pfiffs der Buhlerin verdächtig, | aut decus et pretium
recte petit experiens vir. Coram rege suo de paupertate tacentes plus poscente ferent: distat, sumasne pudenter <45> an rapias; atqui rerum caput hoc erat, hic fons. »Indotata mihi soror est, paupercula mater, et fundus nec vendibilis, nec pascere firmus«, qui dicit, clamat, victum date! Succinit alter: »Et mihi dividuo findetur munere quadra!« <50> Sed tacitus pasci si possit corvus, haberet plus dapis et rixae multo minus invidiaeque. Brundusium comes aut Surrentum ductus amoenum, qui queritur salebras, et acerbum frigus et imbres, aut cistam effractam aut subducta viatica plorat, | |
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die bald ein Armband, bald ein kleines Hündchen, das ihr gestohlen sei, bejammert, und dafür auch keinen Glauben findet, wenn sie wirklich zu Schaden kam und wahre Tränen weint. Dann gehts ihm wie dem Bettler, der die Leute mit falschem Beinbruch einmal um ihr Mitleid betrogen hat: nun liegt der arme Tropf dort mitten in der Straß' und hat sein Bein im Ernst gebrochen, ohne daß ein Mensch nur einen Finger rührt, wiewohl die hellen Tränen ihm von den Backen rinnen: »Lieben Leute, um Gottes willen, helft mir armen lahmen Mann! Ach! Glaubt mir doch! Beim heiligen Osiris7), ich spaße nicht!« »Das mach' du andern weis!« Schreit unerbittlich ihm die Nachbarschaft entgegen. | <55> nota
refert meretricis acumina, saepe catellam saepe periscelidem raptam sibi flentis; uti mox nulla fides damnis verisque doloribus adsit. Nec semel irrisus triviis attollere curat fracto crure planum; licet illi plurima manet <60> lacrima, per sanctum iuratus dicat Osirim: »Credite, non ludo, crudeles, tollite claudum!« »Quaere peregrinum«, vicinia rauca reclamat. |