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Wofern ein Maler einen Venuskopf auf einen Pferdhals setzte, schmückte drauf den Leib mit Gliedern von verschiednen Tieren und bunten Federn aus, und ließe (um <5> aus allen Elementen etwas anzubringen) das schöne Weib von oben sich zuletzt in einen grausenhaften Fisch verlieren, sich schmeichelnd, nun ein wundervolles Werk euch aufgestellt zu haben: Freunde, würdet ihr <10> bei diesem Anblick wohl das Lachen halten? Und gleichwohl werden Werke dieser Art in einem andern Fach uns oft genug zur Schau gebracht. Denn, glaubet mir, Pisonen, ein Dichterwerk, von schlechtverbundenen <15> Ideen, die, wie Fieberträume, durch- einander schwärmen, so daß weder Kopf noch Fuß zusammenpaßt und eine Malerei von jenem Schlag, sind trefflich einerlei. »Wie? Ist den Malern und Poeten nicht | Humano capiti
cervicem pictor equinam iungere si velit variasque inducere plumas, undique collatis membris, ut turpiter atrum desinat in piscem mulier formosa superne, <5> spectatum admissi risum teneatis amici? Credite, Pisones, isti tabulae fore librum persimilem, cuius, velut aegri somnia, vanae fingentur species, ut nec pes, nec caput uni reddatur formae. »Pictoribus atque poetis <10> quidlibet audendi semper fuit aequa potestas.« | |
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<20> von jeher freigestanden, alles, was sie wollen, zu wagen?« Freilich! auch wir machen Anspruch an diese Freiheit, und verlangen, keinem sie abzustreiten. Nur nicht, daß man paare, was unverträglich ist, nicht Schlang' und Vogel, <25> nicht Lamm und Tiger in einander menge! Wie häufig sehn wir einem ernsten, viel- versprechenden Gedichte hier und da wie einen Purpurstreifen angeflickt, der weithin glänzen soll? Da wird ein Hain <30> Dianens, nebst Altar, ein Silberbach, der schlängelnd seine Flut durch anmutsvolle Gefilde wälzt, ein schöner Regenbogen, und Vater Rhein auf seiner Urne liegend, gar prächtig hingepinselt; nur daß hier <35> der Ort dazu nicht war! Der Maler ist vielleicht im Baumschlag stark, kann eine hübsche Zypresse malen; aber auf dem Täfelchen, worauf ein armer Mann, der Schiffbruch litt, halbtot ans Ufer treibend, für sein Geld <40> sich malen läßt, was hilft dein schöner BaumI)? Du fingest eine prächt'ge Vase an | Scimus, et hanc veniam petimusque
damusque vicissim: sed non ut placidis coeant immitia, non ut serpentes avibus geminentur, tigribus agni. Inceptis gravibus plerumque et magna professis <15> purpureus, late qui splendeat, unus et alter assuitur pannus, cum lucus et ara Dianae, et properantis aquae per amoenos ambitus agros, et flumen Rhenum, aut pluvius describitur arcus; sed nunc non erat his locus! Et fortasse cupressum <20> scis simulare: quid hoc, si fractis enatat exspes navibus, aere dato qui pingitur? Amphora coepit | |
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zu drehn, und da die Scheibe abläuft, kommt ein halber Topf heraus1)! Kurz, mache was du willst, nur, was du machst, sei mindstens Eins und Ganz! <45> Wir andern Dichter, meine edeln Freunde, wir fehlen meistens nur vom Schein des Guten getäuscht, und oft wenn wirs am besten meinen. Man gibt sich Mühe kurz zu sein, und wird darüber dunkel; oder nervenlos, <50> indem man leichte Dinge leicht behandeln will. Ein andrer strebt nach Größe auf, und schwillt; dafür kriecht jener dort, aus Furcht des Sturms, der in der Höhe weht, am Boden hin; und dieser, um recht unerhört zu sagen, <55> was nur auf eine Art sich sagen läßt, malt euch Delphinen in den Busch, und läßt die Nereid' auf einem Eber schwimmen2). | institui,
currente rota cur urceus exit? Denique sit quodvis simplex dumtaxat et unum. Maxima pars vatum, pater et iuvenes patre digni, <25> decipimur specie recti: brevis esse laboro, obscurus fio; sectantem levia nervi deficiunt animique; professus grandia turget; serpit humi tutus nimium, timidusque procellae; qui variare cupit rem prodigialiter unam, | |
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Die Furcht zu fehlen wird die reichste Quelle von Fehlern, wenn sie nicht vom Kunstgefühl <60> geleitet wird. Der letzte unter allen den Meistern, die wir am Ämilschen Fechtplatz arbeiten sehen, drückt an seinem Bilde aufs fleißigste sogar die Nägel aus, ahmt weicher Locken sanftes Wallen bis <65> zum Wunder nach, und ist und bleibt doch stets der letzte, weil er alles nur, zum Unglück nichts Ganzes machen kann. Für meinen Teil, ich wollte gleich so lieb, bei schwarzem Haar und schönen schwarzen Augen, mich der Welt <70> mit einer krummen Nase zeigen, als der Dichter sein, der diesem Künstler gliche. Ihr, die ihr schreiben wollt, vor allen Dingen, wählt einen Stoff, dem ihr gewachsen seid3), | <30>
delphinum silvis appingit, fluctibus aprum. In vitium ducit culpae fuga, si caret arte. Aemilium circa ludum faber imus et ungues exprimet, et molles imitabitur aere capillos, infelix operis summa, quia ponere totum <35> nesciet: hunc ego me, siquid componere curem, non magis esse velim, quam pravo vivere naso spectandum nigris oculis nigroque capillo. Sumite materiam vestris qui scribitis aequam | |
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und wäget wohl vorher, was eure Schultern <75 > vermögen oder nicht, eh' ihr die Last zu tragen übernehmt. Wer seinen Stoff so wählte, dem wirds an Gedanken und Klarheit nie, auch nie an Ordnung fehlen; und unter manchem Vorteil, der durch Ordnung <80> gewonnen wird, ist sicher keiner von den kleinsten: daß man immer wisse, was zu sagen ist, doch vieles, was sich auch noch sagen ließe, jetzt zurückbehalte, und für den Platz, wo man's bedarf, verspare. <85> Auch Sprach' und Versebau und Rhythmus sei4) dem wohl empfohlen, der ein echtes Werk zu schaffen wünscht. Er kann nicht leicht zu viel Bescheidenheit und Vorsicht in der Wahl der Wörter zeigen. Öfters wird ein Vers | viribus, et
versate diu quid ferre recusent, <40> quid valeant humeri: cui lecta potenter erit res, nec facundia deseret hunc, nec lucidus ordo. Ordinis haec virtus erit et venus, aut ego fallor, ut iam nunc dicat, iam nunc debentia dici pleraque differat, et praesens in tempus omittat. <45> In verbis etiam tenuis cautusque serendis: hoc amet, hoc spernat promissi carminis auctor. Dixeris egregie, notum si callida verbum reddiderit iunctura novum. Si forte necesse est | |
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<90> vortrefflich, bloß wenn ein alltäglich Wort durch eine schlaue Stellung unverhofft zum neuen wird. Wo neuentdeckte Dinge zu sagen sind, da ists mit Recht erlaubt, auch unerhörte Wörter zu erfinden, <95> wenn diese Freiheit mit Bescheidenheit genommen wird. Auch können neue Wörter und Redensarten, die vor kurzem erst aus griech'schem Quell auf unsern Grund und Boden geleitet worden sind, mit Sparsamkeit <100> gebraucht, ein Recht an gute Aufnahm' fodern5). Was kann der Römer einem Plautus und Cäcil gestatten, das Virgil und Varius nicht wagen dürften? Oder soll mir übel genommen werden, wenn ich etwas weniges <105> erwerben kann, da Ennius und Cato6) | indiciis
monstrare recentibus abdita rerum, <50> fingere cinctutis non exaudita Cethegis continget, dabiturque licentia sumpta pudenter. Et nova fictaque nuper habebunt verba fidem, si Graeco fonte cadant, parce detorta: quid autem Caecilio Plautoque dabit Romanus, ademptum <55> Virgilio Varioque? Ego cur, acquirere pauca si possum, invideor, cum lingua Catonis et Enni | |
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die Sprache mit so vielen neuen Wörtern bereichern durften? Immer wars und bleibts erlaubt, ein neugestempelt Wort von gutem Korn und Schrot in Gang zu bringen. <110> So wie von Jahr zu Jahr mit neuem Laube der Wald sich schmückt, das alte fallen läßt: so lässet auch die Sprache unvermerkt die alten Wörter fallen, und es sprossen neue ins Leben auf, und füllen ihren Platz. <115> Wir sind uns selbst und alles Unsrige dem Tode schuldig. Laß dort einen mit dem Meer verbundnen Landsee seinen weiten Busen öffnen, um ganze Flotten vor den Aquilonen zu schirmen, traun! ein königliches Werk! <120> Laß jenen schon so lang' unfruchtbarn und des Ruders gewohnten Sumpf den Pflug erdulden lernen, und nachbarliche Städte rings umher mit reichen Ernten nähren jenen Strom den Lauf, der unsern Feldern schädlich war, <125> mit einem neuen bessern Weg vertauschenII): Das alles, Freunde, wird, als Menschenwerk, die Zeit zerstören! Und die Sprache sollte | sermonem patrium
ditaverit, et nova rerum nomina protulerit? Licuit, semperque licebit, signatum praesente nota producere nomen. <60> Ut silvae foliis pronos mutantur in annos, prima cadunt: ita verborum vetus interit aetas, et iuvenum ritu florent modo nata, vigentque. Debemur morti nos nostraque; sive receptus terra Neptunus, classes aquilonibus arcet, <65> regis opus; sterilisque diu palus, aptaque remis, vicinas urbes alit, et grave sentit aratrum; seu cursum mutavit iniquum frugibus amnis, doctus iter melius; mortalia facta peribunt, | |
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allein in ew'gem Jugendglanze blühen? Viel abgestorbne Wörter werden wieder <130> ins Leben kehren, viele andre fallen, die jetzt in Ehren sind, so wie der Brauch es fügen wird, bei welchem doch allein die Macht, hierin Gesetz zu geben, steht. In welcher Versart Taten edler Helden <135> und Könige zu singen sich gezieme, hat uns Homer gezeigt. In jener, die den Vers Homers mit einem kürzern7) wechselt, verseufzte anfangs nur die Traurigkeit den sanften Schmerz; allein man fand, daß auch <140> die Freude, und die ihres süßen Wunsches gewährte Liebe dieses leichten Ganges gar schicklich sich bediene: aber wer Erfinder dessen sei, darüber streiten die Sprachgelehrten, und der Handel ist <145> noch unentschieden. Mit dem raschen Jambus bewaffnete die Wut den zürnenden Archilochus: doch später wurde dieser Fuß | nedum sermonum stet honos, et gratia vivax. <70> Multa renascentur quae iam cecidere, cadentque quae nunc sunt in honore vocabula, si volet usus, quem penes arbitrium est et ius et norma loquendi. Res gestae regumque ducumque, et tristia bella, quo scribi possent numero, monstravit Homerus. <75> Versibus impariter iunctis querimonia primum, post etiam inclusa est voti sententia compos: quis tamen exiguos elegos emiserit auctor, grammatici certant, et adhuc sub iudice lis est. Archilochum proprio rabies armavit iambo. | |
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sowohl der niedern Socke, als dem hohen Kothurn8) der Schauspiel-Musen angepaßt. <150> Man fand, er schicke sich zum Dialog am besten, sei zur Handlung wie gemacht, und übertöne leichter als ein andrer des Volksgetös' im hallenden Theater. Zur saitenreichen Leier hieß die Muse <155> die Götter und der Göttersöhne Taten, die Sieger in den Kämpfen, und das Roß im Wettlauf siegend, und die Schwärmereien der feur'gen Jugend, Wein und Liebe, singen. Ein jedes Werk in jedem Dichterfache <160> hat seinen eignen Farbenton und Stil. Versteh' ich nichts von dieser Farbengebung, mit welcher Stirne kann ich einen Dichter mich nennen hören? Oder, warum lieber aus falscher Scham unwissend sein, als lernen? | <80> Hunc socci
cepere pedem, grandesque cothurni, alternis aptum sermonibus et populares vincentem strepitus, et natum rebus agendis. Musa dedit fidibus divos, puerosque deorum, et pugilem victorem, et equum certamine primum <85> et iuvenum curas, et libera vina referre. Descriptas servare vices operumque colores cur ego si nequeo ignoroque, poeta salutor? cur nescire, pudens prave, quam discere malo? | |
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<165> Was komisch ist, will nicht im Schwung und Pomp des Trauerspieles vorgetragen sein; hingegen ists was Unausstehliches, Thyestens Gastmahl im Gesellschaftston und Versen, die beinah' zur Socke passen, <170> erzählen hören9). Jedes schicke sich für Ort und Zeit! Indessen mag zuweilen auch die Komödie ihre Stimm' erheben, und einen alten Chremes, dem's der Sohn zu toll gemacht, den Sturm des ersten Zorns <175> mit Blitz und Donnerschlag vertoben lassen: so wie Melpomene, sobald sie klagt, den Ton herabstimmt, und zum simpeln Ausdruck des Volkes sinkt. Wenn Telephus und Peleus10) im tiefsten Elend, dürftig und verbannt <180> aus ihrem Vaterland, des Hörers Herz mit ihren Klagen rühren wollen, lehrt sie die Natur ganz einen andern Ton! | Versibus
exponi tragicis res comica non vult: <90> indignatur item privatis, ac prope socco dignis carminibus narrari cena Thyestae. Singula quaeque locum teneant sortita decenter. Interdum tamen et vocem comoedia tollit, iratusque Chremes tumido delitigat ore: <95> et tragicus plerumque dolet sermone pedestri, Telephus et Peleus, cum pauper et exul uterque proicit ampullas et sesquipedalia verba, | |
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Da werfen sie die hohen Stelzen und die ellenlangen Wörter gerne weg! | si curat cor spectantis tetigisse querela. |