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Wie häufig sieht man, daß von zwölfen, die um einen Tisch drei Kanapeen füllen11), ein jeder alle andern zu bespritzen sucht12), nur dessen schonend, der das Wasser hergibt; und bald auch dessen nicht, wenn erst der Freund der Wahrheit, Bacchus, den verschloßnen Schalk in seiner Brust in Freiheit setzt. Gleichwohl heißt dir so einer liebenswürdig, witzig, ein Mann von Lebensart, dir, dem die Schwarzen so verhaßt sind? Ich hingegen, wenn ich lachte, daß, um nicht nach Bisam wie Rufill zu stinken, Gorgonius bockt, ich scheine bissig dir13) und giftig? Du hast freilich eine andre Weise! Wird von dem bösen Handel des Petillius14) Capitolinus ungefähr gesprochen, gleich nimmst du ihn nach deiner Art in Schutz: »Capitolin war von der Schule her | Saepe tribus lectis videas
cenare quaternos, e quibus unus amet quavis aspergere cunctos, praeter eum qui praebet aquam; post, hunc quoque, potus, condita cum verax aperit praecordia Liber. <90> Hic tibi comis et urbanus, liberque videtur, infesto nigris? Ego, si risi, quod ineptus pastillos Rufillus olet, Gorgonius hircum, lividus et mordax videor tibi. Mentio si qua de Capitolini furtis iniecta Petilli <95> te coram fuerit; defendas, ut tuus est mos: »Me Capitolinus convictore usus amico- | |
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mein guter Freund; ich habe viel Gefälligkeiten von ihm empfangen, und es freut mich, ihn im vor'gen Wohlstand noch in Rom zu sehen; indessen wundert mich's bei allem dem, wie sich der gute Mann aus jenem Handel zu ziehn gewußt.« Dies nenn' ich schwarz, und schwärzer als Blackfischblut und Schusterpech! Und wenn ich was von mir versprechen kann, so ists, daß meine Schriften (wie mein Herz zuvor) stets rein von diesem Gifte bleiben sollen. Entwischt zuweilen mir im Scherz vielleicht ein allzufreies Wort, so wird es mir doch wohl zu übersehen sein. Mein Vater, der ein guter Mann war, hatt' es im Gebrauch, von Jugend an durch andrer Leute Beispiel vor Lastern mich zu warnen15). Wollt' er mich ermahnen, nüchtern, sparsam, und mit dem zufrieden, was er selber mir erworben, zu leben: »Siehst du«, sprach er, »wie's dem Sohne des Albius erging? Wie elend Barus sich behelfen muß? Zum warnungsvollen Beispiel | que a puero est,
causaque mea permulta rogatus fecit, et incolumis laetor quod vivit in urbe; sed tamen admiror quo pacto iudicium illud <100> fugerit.« Hic nigrae succus lolliginis, haec est aerugo mera! Quod vitium procul afore chartis atque animo prius, ut si quid promittere de me possum aliud, vere promitto. Liberius si dixero quid, si forte iocosius, hoc mihi iuris <105> cum venia dabis. Insuevit pater optimus hoc me, ut fugerem, exemplis, vitiorum quaeque, notando. Cum me hortaretur parce, frugaliter, atque viverem uti contentus eo quod mi ipse parasset: »Nonne vides Albi ut male vivat filius? utque | |
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für junge Leute, ihrer Eltern Gut nicht zu verprassen!« Daß ich nicht mein Herz an eine Dirne hinge, »werde«, sprach er, »mir ja kein Scetan!« und von den Ehefrauen mich abzuschrecken, da es an erlaubten Mitteln nicht fehle den Naturtrieb zu vergnügen, »du hörest«, sagt' er, »wie man vom Trebon, der jüngst ertappt ward, spricht16)! Tiefsinnige Beweise, dies zu fliehn und jenes zu erwählen, werden dir die Philosophen geben: mir gnügt's an dem, was unsre Alten immer für Pflicht des Vaters hielten, wenn, so lange du Aufsicht nötig hast, ich deinen Ruf und deine Gesundheit unverletzt erhalten kann. Wird dein Gemüt und Körper mit den Jahren mehr Festigkeit gewonnen haben, dann wirst du ohne Kork zu schwimmen wissen.« Mit solchen Reden bildete mein Vater mich vom Knaben an. Gebot er was, so hieß es: »Mach's so wie der, du kannst nichts Klügers tun!« | <110> Barus inops? magnum documentum, ne patriam
rem perdere quis velit!« A turpi meretricis amore cum deterreret, »Scetani dissimilis sis!« Ne sequerer moechas, concessa cum Venere uti possem, »deprensi non bella est fama Treboni«, <115> aiebat. »Sapiens vitatu quidque petitu sit melius, causas reddet tibi: mi satis est, si traditum ab antiquis morem servare, tuamque, dum custodis eges, vitam famamque tueri incolumem possum. Simulac duraverit aetas <120> membra animumque tuum, nabis sine cortice.« Sic me formabat puerum dictis, et sive iubebat | |
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und stellte einen von den Auserlesnen
mir17) zum Muster vor. War etwas zu verbieten, »wie«, sprach er, »könnte noch die Frage sein, ob's schändlich sei und schädlich dies zu tun, da der und der in solchen bösen Ruf dadurch gekommen ist?« Wie eine Nachbars-Leiche gelüst'ge Kranke plötzlich ängstigt, und aus Todesfurcht sich selber schonen lehrt: so schreckt oft fremde Schande zarte Seelen vom Laster ab. Dem hab' ich es zu danken, daß ich unangesteckt von solchen blieb die ins Verderben stürzen. Von geringern und die sich noch verzeihen lassen, sprech' ich mich nicht frei: und auch von diesen nimmt vielleicht die Zeit, ein Freund und meine eigene Vernunft noch manche weg. Denn weder auf dem Ruhebettchen noch im Portikus verlier' ich je mich selber aus den Augen: | ut facerem quid, »habes
auctorem quo facias hoc« unum ex iudicibus selectis obiciebat, sive vetabat, »an hoc inhonestum et inutile factum <125> necne sit, addubites, flagret rumore malo cum hic atque ille?« Avidos vicinum funus ut aegros exanimat, mortisque metu sibi parcere cogit: sic teneros animos aliena opprobria saepe absterrent vitiis. Ex hoc ego sanus ab illis <130> perniciem quaecumque ferunt; mediocribus et queis ignoscas, vitiis teneor; fortassis et istinc largiter abstulerit longa aetas, liberc) amicus, consilium proprium. Neque enim cum lectulus aut me | |
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»Dies wäre besser; tät' ich dies, so lebte ich glücklicher; dies machte meinen Freunden mich angenehmer Nun! das war nicht hübsch von dem! Fein vorgesehn, daß nicht aus Übereilung dir selbst einmal dergleichen widerfahre!« So sprech' ich bei geschloßnen Lippen mit mir selbst18); und gibts einmal ein leeres Stündchen, nun, so wird es aufs Papier gekritzelt. Dies ist einer von jenen kleinen Fehlern, den du mir verzeihen wirst; sonst soll ein ganzes Heer von Versemachern mir zum Beistand aufmarschieren, und, weil doch unsre Zahl die größte ist, so wollen wir dich schon, nach Juden-Art, zu unsrer Sekte zu bekehren wissen. | porticus excepit, desum mihi:
»Rectius hoc est; <135> hoc faciens, vivam melius; sic dulcis amicis occurram; hoc quidam non belle; numquid ego illi imprudens olim faciam simile?« Haec ego mecum compressis agito labris: ubi quid datur oti, illudo chartis: hoc est mediocribus illis <140> ex vitiis unum; cui si concedere noles, multa poetarum veniet manus, auxilio quae sit mihi (nam multo plures sumus) ac, veluti te Iudaei, cogemus in hanc concedere turbam. |
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fuit intactis quoque cura condicione super communi |
Gerade die schlechtesten Leute sind in solchen Fällen diejenigen, die am lautesten schreien.
Warum aber (könnte man noch fragen) nahm denn Horaz das Beispiel, das er hier nötig hatte,
wenn er es nicht übel mit dem Petillius meinte, gerade von ihm? Ich kann diese Frage
nicht anders als durch eine Vermutung beantworten. In Schriften wie die gegenwärtigen Satiren
müssen notwendig eine Menge Stellen vorkommen, wo wir uns nicht anders helfen können, weil
die besondern Umstände von diesem und jenem Zuge, der auf einzelne Personen und momentane
Veranlassungen geht, nach 1800 Jahren nicht mehr aufzutreiben sind. Ich stelle mir also die
Sache so vor. Petillius war ein Klient oder besonderer Schutzverwandter
des Augusts; sein Handel hatte ein schlimmes Ansehen; die ganze Stadt sprach davon; man begriff
nicht, wie er sich würde herauswickeln können; man erwartete ihn für schuldig
erklärt zu sehen, und er wurde losgesprochen, ohne daß seine Unschuld dem Publico sehr
einleuchtend gemacht worden wäre. Nun sprach man von neuem in allen Gesellschaften von der
Sache; man merkte oder vermutete zwar den geheimen Einfluß des Augusts auf diesen Handel, und
nahm sich daher in Acht; aber weil man seiner Malignität doch Luft
machen mußte, so sprach man in diesem zweideutigen Tone, der unserm Dichter so ärgerlich
ist; und da die Sache damals die Neuigkeit des Tages war und dem Petillius also kein Nachteil aus
öffentlicher Erwähnung seines Handels, der ohnehin alle mögliche Publizität
hatte, zuwachsen konnte: so war nichts natürlicher, als daß Horaz das Beispiel davon
hernahm, dessen er vonnöten hatte, um den Vorwurf laedere gaudes et hoc studio pravus
facis, von sich abzulehnen und dem größten Teile seiner Mitbürger in den Busen
zu schieben. Ihr beschuldigt mich eines bösen Herzens, spricht er, weil ich gesagt habe
was einem jeden seine Nase sagen kann Rufillus rieche wie eine Bisam-Katze, um nicht wie
Gorgonius nach dem Bocke zu stinken: das beleidigt eure Gutherzigkeit! Denn freilich, ihr seid die
gutartigsten Seelen von der Welt. Man braucht nur zu hören, wie ihr die Partei eurer Freunde
nehmt, u.s.w. Mich dünkt, auf diese Art erhält diese ganze Stelle das gehörige Licht;
und der häßliche Fleck, den Baxters Ausdeutung unserm Dichter anschmitzen will, mag an
ihm selbst kleben bleiben!